Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #30

Ruhe sanft,
Mister Columbo

Der TV-Olymp verzeichnet schon seit einiger Zeit gravierende Einschläge. Jetzt hat es Peter Falk erwischt – der listige Knitter-Inspektor ermittelt nicht mehr. Ein Grund mehr, nachzufragen. Nur, um den Bericht zu vervollständigen, Sir.    27.06.2011

Für mich war er immer Sam 'Spade' Diamond in der noch immer sensationell blödsinnigen Krimi-Veralberung "Murder by Death" (Eine Leiche zum Dessert, 1976). Oder Tony Pino in der Heist-Komödie "The Brink’s Job" (Das große Dings bei Brinks, 1978). Oder Lou Peckinpaugh in "The Cheap Detective" (Der Schmalspur-Schnüffler, 1978), in der er glänzend Bogart hommagierte. Er war natürlich auch mehr als 100 andere Figuren.

Aber vor allem war er Columbo, der etwas kurz geratene, aber stets listige Inspektor mit dem zerknitterten Trenchcoat. Und ich liebte ihn: Als Kind und Jugendlicher sah ich "Raumschiff Enterprise", "Mondbasis Alpha 1", "Die Mädchen aus dem Weltraum" und "U.F.O". – der ganze Rest interessierte mich nicht. Außer "Columbo".

 

"Ich hätte da noch eine Frage."

 

Sein Gesicht und seine Frisur zeugten vom erholsamen Mittagsschlaf nach einem ausgiebigen Frühschoppen. Entsprechend sahen die typischen Upperclass-Mörder auf ihn und seine stinkende Zigarre hinab, als würde ihnen aus ihrem Villeroy&Boch-Bidet ein Silberfisch zuwinken. Und doch war Peter Falk um so vieles attraktiver als all die geschleckten Casting-Sieger moderner Krimiserien, die auf mich immer so wirken, als hätte man sie mit einer Schablone aus Star-Basismaterial herausgestanzt. Sie alle wird man vergessen; Peter Falk wird man in Erinnerung behalten. Auch wegen seines Glasauges, dessentwegen er unter anderem als Bewerber bei der Marine, bei der CIA und beim Film abgelehnt wurde.

Das Beste an Columbo war und ist für mich, daß die Krimiserie so absolut unspektakulär war. Nie gab es zum Beispiel aufregende Autojagden mit aus dem Weg springenden Fußgängern und umkippenden Obstständen. Sein alter Peugeot 403 Convertible hätte das wohl auch nicht mitgemacht. Daß die alte Karre durch 69 Episoden in über 30 Jahren rollte, dürfte der einzige Special Effect gewesen sein, den Hollywood hier eingesetzt hat.

 

"Nein, die Frage ist reine Routine. Die erwarten nur einen Bericht von mir."

 

Selbst die späten Folgen (erst 2003 wurde die Serie eingestellt, Falk war damals bereits 73) waren herrlich unmodern und gerade deshalb so großartig. Sie bestanden - man stelle sich das vor! - aus Dialogen; die Leute sprachen miteinander, und Columbo verschliß in 35 Jahren gleich fünf Synchronsprecher.

Moderne TV-Krimis erschöpfen sich ja immer öfter darin, daß top-frisierte Unterwäschemodels zu Downtempo-Rhythmen Reagenzgläser anschweigen, zur Dubstep-Tracks schweigend Blätter voller Analysen aus Druckern entnehmen oder schweigend dabei zusehen, wie ein Computer zu Slow-Techno-Klängen Finger-/Reifen-/Schuhabdrücke, DNS-/Pollen-/Lipgloss-Spuren oder die Schwanzflossenform der am Tatort gefundenen Kaulquappe durch eine Vergleichsdatenbank jagt. (Der Erfolg von Lower-than-zero-Script-Serien wie "CSI" ist mir unbegreiflich.)

Bei Columbo wird gesprochen, ununterbrochen. Und es wird gelogen, daß sich die Balken biegen, allen voran vom wirren Ermittler, der stets durch Haltung und offen vorgetragene Denkvorgänge verdeutlicht, daß der Mörder sich keine Sorgen machen muß. Man wird ihm ohnehin nicht auf die Spur kommen, so minderbemittelt und vertrottelt, wie man wirkt.

 

"Ich schreib’ mir das lieber auf."

 

Schön auch: Columbo war nie ein Whodunit. Daher verschonten uns die Autoren auch mit konstruierten red herrings, die wir als Zuschauer ja sowieso erkennen, weil doch klar ist, daß der wahre Täter vor der zweiten Werbepause überhaupt nicht feststehen kann. Wer es getan hat, erfuhren wir nämlich stets zu Beginn des Filmes in aller Ausführlichkeit. Ein Teil der Spannung rührte für mich auch daher, daß ich es gar nicht erwarten konnte, bis nach der Tat endlich der zerknitterte Columbo auftauchte und seinen Block zückte.

Ja ja, der Block, in den der hinterlistige Schnüffler dauernd irgendwelche angeblich wichtigen Dinge reinkritzelte oder sie - den Block etwas weiter weg haltend - zu entziffern versuchte. Aber garantiert stand auf dem Block nur die Liste der Dinge, die ihm seine Frau für den Einkauf notiert hatte, denn Columbo löste seine Fälle nicht, indem er sich in irgendwelche Datenbanken einhackte und die Liste A aller Verdächtigen mit der Liste B aller zur Tatzeit Anwesenden abglich. Er löste sie mit dem Kopf und mit dem Mundwerk. Das Vergnügen bestand darin, ihm dabei zuzuschauen.

 

"Nur, um meinen Bericht zu vervollständigen, Sir."

 

Auch deshalb, weil die Täter sich so herrlich wanden, Lüge auf Lüge türmten und sich so letztlich stets selbst entlarvten. Wunderbare Mörder hatte Peter Falk da zu überführen. Um nur einige zu nennen: Oskar Werner, Leonard Nimoy und William Shatner, Robert Vaughn, Ray Milland, Martin Landau, Donald Pleasance, Faye Dunaway - und sogar Johnny Cash. Patrick McGoohan, der Star aus "The Prisoner" (Nummer 6), trat gleich viermal als Mörder auf, führte fünfmal Regie und schrieb zwei Episoden. Man kann mit Fug und Recht behaupten (und wenn nicht, ist es auch wurscht), daß der Columbo-Mörder historisch gesehen besser besetzt war als der Bond-Schurke.

 

"Nun ja, es ist nicht wichtig, eine Kleinigkeit macht mir zu schaffen."

 

Am Ende hat er sie alle gekriegt, die Mörder, egal, ob sie ihre Opfer mit Hilfe von Dental-Inlays vergifteten, sich unglaublich komplizierte Anrufbeantworter-Konstellationen ausdachten oder mit Heizdecken den Zeitpunkt des Todes zu vertuschen versuchten. Wie ungeheuer tröstlich das doch ist, im Vergleich zu diesen modernen Serien, die einem immer wieder mit einer besonders realen Darstellung der Wirklichkeit versichern müssen, daß ab und zu auch einmal einer entkommt. Als ob wir das nicht wüßten ... Und wer Realität haben will, braucht bloß vor die Tür zu gehen; dafür muß man sich keine TV-Serien anschauen.

Ach, was ich Sie noch fragen wollte: Wie hieß Lieutenant Columbo mit Vornamen? Es gibt Vermutungen, aber sicher ist nur, daß der zerknautschte Basset, den er irgendwann aufgabelte, Hund hieß. Und seine Frau, mit der er angeblich so viel sprach? Man sah sie nie, aber in der - höchst ergreifenden - Episode "Rest in Peace, Mrs. Columbo" (Ruhe sanft, Mrs. Columbo, 1990) bangt man auch beim zehnten Ansehen noch um ihr Leben. Ich persönlich glaube allerdings, es gab sie nie: Columbo war garantiert Single und mit seinem Job verheiratet.

Peter Falk hingegen hatte eine 23 Jahre jüngere Blondine an seiner Seite, während er (mit weiteren Frauen als Modellen) in seiner Villa ein Aktbild nach dem anderen malte, bis er am 23. Juni im Alter von 83 Jahren verstarb.

Ruhen Sie sanft, Mister Falk.

 

--

Ach, just one more thing: Das heutige Bilderrätsel ist nämlich verdammt kriminell, dank dieses herrlichen Tatortphotos von Peter Hostermann:

Die Rätselfrage lautet: Whodunit?

Andreas Winterer

Columbo

ØØØØØ

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Der knittrige Ermittler brachte es auf 69 Episoden. Die sind natürlich nicht alle gleich gut. Aber auf erholsame Weise unrasant.

 

Links:

Eine Leiche zum Dessert

ØØØØØ

Murder by Death

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Ein exzentrischer Millionär lädt die fünf weltbesten Detektive zu einem Dinner ein - um den Mord aufzuklären, der zu diesem Anlaß an ihm selbst begangen wird. Oder so ähnlich. Jedenfalls ein top-besetzter Riesenspaß, der sich über das Verwirrspiel klassischer Zehn-Kleine-Negerlein-Plots lustigmacht und große Detektive wie Sam Spade (Peter Falk), Nick und Nora Charles, Hercule Poirot, Miss Marple und Charlie Chan zugleich hommagiert und persifliert.

 

Links:

Das große Dings bei Brinks

ØØØØ

The Brink's Job

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Peter Falk als Kleinganove Tony Pino setzt sich in den Kopf, die Geldtransporter von Brink’s auszunehmen. Es funktioniert auch ... Sehr witzige Caper-Comedy von "Exorzist"-Regisseur William Friedkin auf Basis einer fast wahren Geschichte.

Links:

Das große Rennen um die Welt

ØØØØØ

The Great Race

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Der gelackte Leslie (Tony Curtis), stets blendend aussehend im weißen Anzug und mit weiß blitzenden Zähnen (!), will das große Autorennen von New York nach Paris gewinnen (das übrigens 1908 wirklich stattfand). Erzrivale Professor Fate (Jack Lemmon) hält dagegen; sein Gehilfe Maximilian Meen (Peter Falk) hilft nach Kräften, den Helden mit unredlichen Mitteln zu übertrumpfen. Ein Blake-Edwards-Klassiker.

 

Links:

Kommentare_

Rätsellöser - 28.06.2011 : 23.41
Der Fall scheint klar. Da Fliegen nicht rot "bluten", sich jedoch nicht nur an Stelle des fehlenden Brachycera-Kopfes, sondern auch auf der Stecknadel und an Position 4 entsprechende Spuren finden, hat offensichtlich der Vater seinen mißratenen Sohn dabei ertappt, als er dem Insekt bereits einen Flügel ausgerissen (Pos. 2) und den Kopf verspeist hatte (selbiger deswegen nicht im Bild); der Sprößling war eben dabei, den Kadaver - diesen mit dem Zeigefinger fixierend - mit der Nadel weiter zu verstümmeln, als der Vater dazwischenging und das Folterinstrument in den Finger seines Sprößlings rammte (daher die Blutspuren an Pos. 1 sowie 4 - letztere beim schmerzerfüllten Zurückzucken des Fliegenmörders hinterlassen).
Diese offensichtliche Lösung soll uns jedoch nur in die Irre führen. Die falschen Schattenwürfe und die miserable "Teppich"-Textur zeigen klar: Es war der Programmierer. Und zwar, weil er seine freudschen Traumata hinsichtlich "Bugs" zwanghaft visualisieren mußte.
Peter Hostermann - 29.06.2011 : 10.15
Und da der Sohn erst mit der Nadel gestochen wurde, nachdem er mit selbiger die Fliege traktiert hatte, ist er nun mit Fliegen-Genen "infiziert" und wird sich unaufhaltsam in ein Insekt verwandeln. David Cronenberg - bitte übernehmen Sie!

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