Kolumnen_Miststück der Woche III/25/Teil 5

Wann ist ein Mann ein Mann?

Unser "Miststück der Woche" feiert wieder einmal Jubliäum. Manfred Prescher hat lange überlegt - und für das 225. "Miststück" das Naheliegendste ausgesucht: er kürt die 50 Lieder, die das Mannsein in all seinen Facetten besonders gut beschreiben. Es folgen die großen Zehn.    18.03.2013

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Lesen Sie hier den ersten Teil unserer Jubiläums-Ausgabe. Wir wünschen viel Vergnügen!


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER



Manfred Prescher

10. Bo Diddley: I´m A Man

1955; Single: "Bo Diddley"

Leserbewertung: (bewerten)

Das Original zu "Mannish Boy" zeigt, wie einfach Männer gestrickt sind. Der Beat ist simpel und hart; Diddley zelebriert unser monokausales Denken und Fühlen auf beeindruckende Weise: Ich buchstabiere mich "M-a-n-n". Und natürlich stehen die Frauen Schlange. Worauf sich dieses Selbstbewußtsein gründet, bleibt allerdings verborgen. Manchmal sind wir einfach sehr von uns eingenommen. Übrigens gibt es davon eine schöne Coverversion der Spencer Davis Group, und zehn Jahre nach Diddley beschrieb Joe Tex mit seinem "I´m A Man" eine andere Art von Machotum.

Links:

9. The Smiths: The Boy With The Thorn In His Side

1985; Album: "The Queen Is Dead"

Leserbewertung: (bewerten)

Der Mann als Opfer gesellschaftlicher Bedingungen und zwischenmenschlicher Kämpfe ... In Morrisseys Lied sind wir mal nicht die Lügner und Betrüger, sondern werden belogen und betrogen. Pessimistisch und fatal beschreibt der Song auch den verzweifelten Kampf um Zuwendung: "Wie können sie die Liebe in unseren Augen sehen und uns trotzdem nicht glauben?" Gute Frage.

Links:

8. Motörhead: 1916

1991; Album: "1916"

Leserbewertung: (bewerten)

Die für lange Zeit lauteste Rockband der Welt ist besonders gut mit ihren leisen Songs. "1916" dreht sich um einen Teenager, der in einen Krieg ziehen muß, den er weder wollte noch verursacht hatte. Er fällt schließlich, ohne den Sinn zu begreifen oder auch nur gelebt zu haben - wie Millionen Männer vor und nach ihm. Während die Mütter, Frauen und Freundinnen zu Hause aus Angst tausend Tode sterben ...

Links:

7. Eminem: Mockingbird

2005; Album: "Encore"

Leserbewertung: (bewerten)

Der Rapper Eminem erklärt, wie es ist für einen Vater ist, wenn man um das Sorgerecht für seinen Nachwuchs und um die Liebe des Kindes kämpfen muß. Er schwankt zwischen Sanftheit und Härte, weiß nicht, wie er sich positionieren und die Beziehung zur Tochter gestalten soll. Es ist der Typ Mann, der an den Sorgerechtsgesetzen scheitert, die ja ohnehin aus einer Zeit stammen, als man werdende Mütter schon bei der Zeugung vor uns schützen mußte. Und so lange ist das noch gar nicht her - wenn´s hoch kommt, gerade einmal 20, 25 Jahre.

Links:

6. The Stooges: I Wanna Be Your Dog

1969; Album: "The Stooges"

Leserbewertung: (bewerten)

Ob es hier wirklich um die Hündchenstellung geht? Nein, hier will einer zum Wauwau werden und sich am Halsband durch die Gegend ziehen lassen. Die Dinger gibt es jetzt übrigens mit LED-Beleuchtung, weil Männer ja nachts besonders oft stiften gehen. Der Song ist nebenbei ein rüdes Stück Punk, das entstand, bevor Modedesigner den Punk erfunden haben.

Links:

5. Ultravox: My Sex

1977; Album: "Ultravox!"

Leserbewertung: (bewerten)

In kühle, fast traurige Klavierharmonien gebettet, zählt der Text dieses frühen New-Wave-Meisterwerks alle Facetten der männlichen Sexualität auf: sie ist wild und zärtlich, oft solo, sie trägt die Gesichter der Zukunft in sich und ergötzt sich an den Körpern der Vergangenheit. Gesund wirkt "My Sex" nicht, eher verletzlich, verschämt und deprimierend.

Links:

4. Frank Sinatra: It Was A Very Good Year

1965; Album: "September Of My Years"

Leserbewertung: (bewerten)

Knapp 50 war Sinatra, als er dieses Lied aufnahm. Er ließ darin das Liebesleben eines reifen Mannes Revue passieren - vom natürlichen Mädel vom Lande und dem ersten schüchternen Kuß, über die grell geschminkte Großstadtfrau und den ersten Sex, bis hin zur Schickimicki-Edel-Lady, die ihn mit Mitte 30 magisch anzog. Zum Schluß beschreibt er sich als "reifen Wein in einem feinen alten Gefäß" - und genau deshalb funktionierte der Song bei Robbie Williams nicht.

Links:

3. The Dominoes: Sixty Minute Man

1951; Single: "I Can´t Escape From You"

Leserbewertung: (bewerten)

Was für ein Monster-Hit: Elf Wochen war der Doo-Wop-Song mit dem vermeintlich schlüpfrigen Text Nummer 1 der amerikanischen Charts. Dabei beschreibt er doch nur, wie Männer Liebe machen sollten: einfühlsam, ausdauernd, zärtlich, rücksichtsvoll und irgendwie dann doch auch ausfüllend.

Links:

2. Dion: The Wanderer

1961; Album: "Runaround Sue"

Leserbewertung: (bewerten)

Wie war das noch gleich? Da war Flo auf seiner linken Seite, Mary an der rechten - und Jeannie war das Mädel, mit dem er die Nacht verbringen wollte. Doch dann fragte sie, mit welcher es am schönsten war, und er zeigte ihr seinen Bauch, auf dem "Rosie" eintätowiert stand. Dion DiMucci singt kraftvoll und voller jugendlichem Elan von der männlichen Beziehungsunfähigkeit. Er springt in sein Auto und verläßt jede Frau in Windeseile. Eine thematisch ähnliche, aber düstere Version des Themas gelingt Johnny Cash mit dem von Bob Dylan geschriebenen Song "Wanted Man": "Wanted man by Lucie Watson, wanted man by Jeannie Brown" ... das Ergebnis dürfte für die betroffenen Frauen genauso verheerend sein.

Links:

1. James Brown: It´s A Man´s, Man´s, Man´s World

1966; Album: "It´s A Man´s, Man´s, Man´s World"

Leserbewertung: (bewerten)

Natürlich war James Brown ein Chauvi vor dem Herrn, aber mit einem hat er recht: Trotz allem, was Männer so machen, trotz ihrer Ideen und Erfindungen sind sie überhaupt nichts wert ohne Frau. Dieses fast biblische Soul-Epos erklärt uns aus männlicher Sicht, daß wir das elektrische Licht, die Gewehrkugel und all das entwickelt haben. Aber: Dies ist eine Männerwelt, die gar nichts, nicht mal ein bißchen was wäre ohne eine Frau oder ein Mädchen. Der Mann wäre verloren in der Wildnis, in seiner Bitterkeit ...

Heutzutage wissen wir freilich, daß die Welt Frau und Mann gemeinsam gehört. 

Links:

Kommentare_

Kolumnen
Fundamentalteilchen 17/417

Alte Freunde, neue Zeiten

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 17. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ina Müller.
 

Kolumnen
Fundamentalteilchen 16/416: Der Winter steht vor der Tür

Wolle mer ihn reinlasse?

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 16. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Deine Freunde.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 15/415: Der vermaledeite Brummschädel

Das ewige Kommen und Gehen

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 15. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ava Vegas.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 6/406: Haruki, Elvis und ich

Literatur ist es, wenn man trotzdem lacht

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die sechste Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Elvis Costello.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 5/405: Seit sieben Wochen keine komischen Streifen am Himmel und jeder dreht durch

Angriff der Kichererbsen

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die fünfte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Lana Del Rey.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 4/404: Mach nicht so viel Wind, mein Kind

Wenn es draußen stürmen tut, ist das Wetter gar nicht gut

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die vierte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Charlotte Brandi & Dirk von Lowtzow.