Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen

Kriegslüge

Dr. Trash empfiehlt: Stürzen Sie sich mit ihm (und mit etwas Verspätung) ins Jubiläumsjahr 2008 - und fallen Sie nicht auf eine der perfidesten Lügen herein, die heuer so herumerzählt werden. Die großen Revolutionäre und Alternativ-"Vordenker" aus dem Jahre 1968 sind es nämlich, die uns erst in die Misere - und die EU-Diktatur - gestürzt haben, in der wir heute alle stecken. Es wird Zeit für einen richtigen Aufstand. Und das gilt auch für den Buchmarkt.    25.06.2008

Die große Revolution fand vor 40 Jahren statt. Sie beseitigte sämtliche Ungerechtigkeiten dieser Welt, ließ Arbeiter und Studenten Arm in Arm die Bastionen des faschistischen Systems stürmen, fegte den Kapitalismus hinweg und machte alle Menschen gleich.

"Verdammich, welche Revolution?!" werden Sie sich jetzt fragen. "Hab´ ich was verpaßt?"

Nein, haben Sie nicht. Sie dürften nur der Propagandamaschine der Alt-68er und Hippies nicht zugehört haben, die sich vier Jahrzehnte nach dem versuchten Aufstand (und kurz vor der Zwangspensionierung) noch einmal ordentlich in allen Medien abfeiern. Blättert man, wie der Doc es zwangsweise alle halben Jahre tut, die Buchvorschauen für die kommende Saison durch, dann wird einem schlecht von all den verlogenen Erinnerungen, wehmütigen Reminiszenzen und falschen Rechtfertigungen der gescheiterten Revoluzzer.

Sowohl der reale als auch der ideale Kommunismus sind gescheitert. Der lange Marsch durch die Institutionen war eher ein kollektives Arschkriechen, begleitet von grauenhaftem Bob-Dylan-Gequengel. Die Guten sind jung gestorben, wie das so üblich ist, und die Bösen sitzen jetzt in den Regierungen, Banken, Gewerkschaftsdirektionen und Medien - und denken gar nicht daran, die nachfolgenden Generationen ans Ruder zu lassen. 1968 ist die einzig gültige Wahrheit. Wer daran zweifelt, muß damit rechnen, von Gedankenpolizisten und Dokumentationsarchiven zur unerwünschten Person erklärt zu werden.

Man nehme nur den Frühlingskatalog des einschlägig vorbelasteten Suhrkamp-Verlags (beispielhaft für viele andere, die ich jetzt nicht mehr aus dem Müll fischen will): Der bringt zur Erinnerung an das Mailüfterl gar eine ganze Reihe heraus, die sich "Suhrkamp 1968" nennt. Da dürfen all die Untoten wieder aus ihren Gräbern steigen und neue Generationen mit ihrem Gedankengift zu infizieren versuchen: Enzensberger mit seinem "Kursbuch", Habermas, Marcuse, Ernst Bloch, Peter Weiss und andere Kriegs-, Kolonialismus- und Kleinfamiliengegner - egal, ob ihre Thesen sich als falsch erwiesen haben oder mittlerweile völlig irrelevant sind.

Dabei ist die Wahrheit so einfach: Es ist und bleibt alles, wie es war. Zwar sind heute wirklich alle Menschen gleich, nämlich gleich verblödet , doch ein paar Schweine (die heute statt dem guten alten Fabrikantensmoking lieber Jeans, Bärte und Altherren-Parkas tragen) sind nach wie vor ein bißchen gleicher als die anderen, wie schon in Orwells "Farm der Tiere". Doch das ist noch lange kein Grund, ihr Grunzen immer wieder neu zu drucken und weitere 40 Jahre lang auf die Menschheit loszulassen.

Vielleicht sollte das Suhrkamp und Konsorten endlich einmal jemand sagen ...

Dr. Trash

Dr. Trash empfiehlt


erscheint in gedruckter Form in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht. 

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