Aloe Blacc: "Wake Me Up"/"Love Is The Answer"
Enthalten auf der "Wake me up EP" (via iTunes)
Der Mann war mal der Hoffnungsträger des Soul, klingt aktuell jedoch eher wie Tracy Chapman. Aber das geht, erst recht nach den Wahlen in Österreich und Deutschland - findet Manfred Prescher. 07.10.2013
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Die Lesung in Wien habe ich mit Anstand hinter mich gebracht. Wer nicht dabei war, hat ein paar Outings meinerseits und den einen oder anderen launigen Text verpaßt. Eine frohe Botschaft für die Daheimgebliebenen ist zumindest, daß man all die alten "Miststücke" jetzt und für immerdar nachlesen kann. Hier auf evolver.at, der Heimat von klugen Menschen, die sich praktisch für lau die Schädel für euch zermartern. Oder im E-Book, das so hübsch aufgemacht ist, daß man es gar nicht gedruckt um sich haben möchte. Für 4,99 Euro ist es überdies auch preiswert zu haben, viel preiswerter als zum Beispiel ein Konzert von Michael Bublé, der übrigens in Kürze Wien heimsuchen wird. Den Dreh zurück nach Wien habe ich also wieder hinbekommen. Ich liebe diese Stadt, diesen herrlichen, angegammelten Moloch, der seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat - und gerade deshalb einer der herrlichsten Orte zum Leben, Lesen und Cordon-Bleu-Essen ist. Man sollte aber, dies als gutgemeinter Tip, erst nach der Mahlzeit das Häusl aufsuchen. Oder sich freuen, denn selten haben Keime und Bakterien so gut geschmeckt.
Aber weiter im Text: Am Tag nach der Lesung schlendere ich durch die Touristenmeilen der Stadt, und natürlich ist die anstehende Nationalratswahl überall präsent. Der Kampf um die begehrten und sicher hochdotierten Parlamentssitzplätze ist in vollem Gange und - von außen betrachtet - lustiger als bei uns in Deutschland. Denn zwischen Chiemsee und Nordsee war allen klar, daß Angie Kanzlerin bleiben muß. Sie warb im besten Adenauer-Stil mit einem "Wählen Sie mich, Sie kennen mich", was man durchaus auch so stehenlassen kann. Bei ihr weiß man halt, was man hat. Merkel ist wie ein VW-Käfer, der bekanntlich läuft und läuft und läuft: sie regiert und regiert und regiert. Ich bin übrigens sicher, daß sie irgendwann Bismarck und ihren Mentor Kohl in den Schatten gestellt haben wird. Derweil setzt sie den Wahlslogan der Politclowns von DIE PARTEI konsequent um: "Inhalte überwinden" lautete das Motto der Satiriker aus dem "Titanic"-Umfeld. Und diese zwei Worte stehen praktisch auch in voller Transzendenz über den Plakaten der österreichischen Parteien. Aber, Respekt, liebe Nachbarn, bei euch ist der Schmäh einfach mindestens eine Klasse besser. Das könnt Ihr natürlich nicht beurteilen, weil Ihr nicht mitansehen mußtet, was CDU/CSU, SPD und Co. bei uns an die Wegränder brachten.
Ach Österreich ... Gut, die Grünen sind genauso rigid-frigid wie bei uns, aber wir haben keine greisen Milliardäre, die ihre Muckibuden-zwangsverjüngten Oberkörper pudelnackert auf Plakaten präsentieren. Für ein Team Reich-Ranicki ist es ja nun leider auch zu spät. Schade, dafür hätte ich mich gern zur Verfügung gestellt - für einen glühenden Verfechter eines Bildungskanons wäre das eine echte Option.
Besonders gut gefallen haben mir übrigens NEOS und FPÖ. "Habe Mut" wirbt die Partei Neues Österreich, und die Freiheitlichen mit dem Hang zur Rechtsauslegung bringen mit "Liebe Deine Nächsten" einen Satz von unglaublicher Strahlkraft zu den Wählern. Und die haben die Sentenz ja auch mit ihren Stimmen bestens honoriert. Ich habe mich auf jeden Fall praktisch davon überzeugt, daß die FPÖ gar nicht mal so ausländerfeindlich ist, wie man immer sagt, und den Slogan ernst meinte. Sie beschenkten mich, den Mann aus Bayern, mit passenden blauen Kugelschreibern. Na, jeder Österreicher weiß ja schließlich, daß der weißblaue Freistaat praktisch der Vorgarten zum Paradies ist.
Noch schöner fand ich die Botschaft des FPÖ-Führers Strache: "Weil ICH an EUCH glaube - und die SPÖ nur an sich selbst". So ist es fein, jetzt müssen alle nur noch an den Strache glauben. Aber so "unterentwickelt" kann die "rot-weiß-rote Rasse" (beides Helmut Qualtinger selig) eigentlich nicht sein. Oder doch? Wenn ich an die EVA-Plakate der Grünen denke, kommen mir Zweifel. Bei uns gibt´s übrigens den Adam, das ist ein putziges Autochen von Opel, der fährt zwar gut, aber sein Name ist genauso brunzblöd wie die Werbung der Öko-Partei. Mir fällt noch ein, daß NEOS und FPÖ wahltechnisch sehr nah beinander waren. Denn auch Strache warb mit Mut, genauer mit "Mehr Mut für unser Wiener Blut". Was uns das sagen soll? Vermutlich rein gar nix. Da kann ich nur den unsterblichen Falco zitieren: "Wiener Blut/In diesem Saft die Kraft/Die Wiener Glut/Kommt ana link uns/Kommen wir in Wut/Bis er erkennen tut:/Wir hab´n die Medizin/Der Dekadenz hab´n wir an Preis verlieh´n."
Deshalb wird es jetzt allmählich Zeit, Aloe Blacc zu würdigen. Der singt mittlerweile wie weiland ´88 Tracy Chapman in "Talking About A Revolution". Nicht daß Ihr mich falsch versteht - das klingt wirklich schön, warm und irgendwie politisch voll korrekt. Im Unterschied zur Bänkelsängerin aus Ohio ist der kalifornische Soulmann Egbert Nathaniel Dawkins III, wie Aloe Blacc eigentlich heißt, eher weltlich veranlagt. Er will mit seiner EP etwas Geld verdienen, nicht umsonst beginnt die CD mit einer langsameren Version des Sommerhits "Wake Me Up", bei dem Blacc den Schweden Avicii bekanntlich begleitet hat. Der Sänger will in beiden Varianten nur von der Liebsten wachgeküßt werden; einen Weckruf an die Menschheit oder an aufgeklärte Teilbereiche davon haben weder Blacc noch Avicii im Sinn.
Wir wissen seit Oasis freilich auch, daß man sogar vom Nachtlager aus einen Umsturzversuch wagen kann: "So I start a revolution from my bed" heißt es im ebenfalls unsterblichen "Don´t Look Back In Anger". Wahrscheinlich kommt dabei - außer dem Austausch von Körperflüssigkeiten vielleicht - nicht viel rum, gesellschaftlich relevant wird es sicher nicht werden. Aber, und hier folgt nun ein dickes ABER in bester Strache-Manier, BLÖDER als ein normales Wahlplakat von CDÖFPDNEOLINKEGRÜNEAFDÖVP war das, was die Gallaghers vorhatten, auch nicht.
In diesem Sinne wünsche ich Aloe Blacc viel Spaß. Ihm ist zwar im Vergleich zu seinem furiosen zweiten Album "Good Things" und dem Song-Nachklapp "Going Downtown" ein bisserl die Luft ausgegangen, "Love Is The Answer" groovt beispielsweise ebenfalls im besten Chapman-Stil vor sich hin. Es ist einfach entspannter Soul mit einem Schuß Lagerfeuerromantik. Ein wenig langweilig und etwas verschlafen schlurft Aloe Blacc durch den Song, aber vielleicht wird er rechtzeitig zum neuen Album von irgendeiner Prinzessin oder Muse wachgeküßt? Mich täte es für uns und ihn freuen. Nur, damit Ihr es wisst: ICH glaube an IHN.
Nächste Woche wird es an dieser Stelle um etwas gehen, das mir freilich nicht so sehr im Herzen liegt wie das Cordon Bleu am Tag nach der Lesung im Magen - ich werde über Paul McCartney schreiben. Der überrascht tatsächlich mit einem Album, das modern klingt und irgendwie nach Beatles 2014. Für mich ist das ein Anlaß, gleich auch noch Elton John und Motörhead mit ihren durchwegs okayen Rentner-Alben abzufeiern. Bis dahin bleibt, wie ihr seid - das ist die allerbeste Wahl.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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