Beastie Boys - Hot Sauce Committee, Pt. 1
EMI
Was nützt das Grundrecht auf Party, wenn einem nicht nach Feiern zumute ist? Nicht viel, findet Manfred Prescher - der sowieso lieber auf der Bank in der Old School büffelt und sich in der Beherrschung der Human Beat Box übt. 17.08.2009
Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.
Nein, über "(You Gotta) Fight For Your Right (To Party)" und den kolossalen Durchbruch auf Rick Rubins Label Def Jam brauche ich kein Wort mehr zu verlieren. Adam "MCA" Yauch, Michael "Mike D" Diamond und Adam "Ad Rock" Horovitz sind längst über Pennälerhumor und Hedonistenhymnen hinaus. Und das ist an sich und gerade im Moment sehr schade, weil die Welt genauso etwas brauchen könnte. Aber die Zeit läßt sich nicht zurückdrehen, würde zumindest das Beastie-Vorbild Dalai Lama sagen und darauf verweisen, daß man im nächsten Leben vielleicht nicht als Rapper, sondern als Eidechse durch die Bronx kriechen würde. Der weise Tibeter, der noch mehr lächelt als Guido Westerwelle und Jörg Pilawa zusammen, hätte vermutlich recht. Denn bereits die Lebensgeschichte der drei New Yorker "Weißbrote" zeigt, daß sie reinkarnieren können: Zuerst waren sie rüde Punks mit einem Faible für Black Flag und Minutemen, dann Rap-Rocker und später dann Sound-Bastler mit genialen Alben wie "Check Your Head", "Hello Nasty" oder dem völlig unterschätzten Meisterwerk "Paul´s Boutique".
Ob die neue CD "Hot Sauce Committee, Pt. 1" an die Qualität der Vorgänger anknüpfen kann, ist fraglich. Immerhin sind seit dem vorigen Album reichlich fünf Jahre ins Land gegangen - und Zeit macht bekanntlich nur vor dem Teufel halt, nagt aber sonst an praktisch allem und jedem herum. Also bleiben wir noch bei dem, was uns Paulchen Panther schon immer so schmerzhaft vor Augen führte: "Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?"
Nur, daß die Beastie Boys ihre Zeitmesser nicht vor-, sondern ewig weit zurückgedreht haben - in eine Ära, die wir schon zu Beginn der 90er Jahre als "Old School" bezeichnet haben. Mit Public Enemy, Pete Rock & CL Smooth, Gang Starr oder dem jungen Dr. Dre wurden die Produktionen damals nämlich vielschichtiger und gewaltiger, verwandelten sich in die Gangsta-, die Swing- oder Eastcost-Intelligenzia-Schule. Dafür ging ihnen oft die Brachialität der frühen Jahre ab. Als Rap sich durchzusetzen begann, brauchte es nun mal nur zwei Turntables und ein Mikrophon.
"Too Many Rappers" hätte schon zur Hochzeit von Grandmaster Flash oder den Treacherous Three herauskommen können: Ein stoischer Beat, der sich ohne Tempo- oder Break-Wechsel durch den Track klopft, dazu hysterische Raps von den Beasties und coole von ihrem Battle-Partner "Nasdradamus" Nas. Was anno dunnemals neu und verstörend wirkte, tut es auch heute. Längst wurden die Ohren derart mit Opulenz und Schwülstigkeit überfettet, daß auch ein Song alter Schule richtig kathartisch sein kann - vorausgesetzt, man läßt sich auf die karge, damit umso heftiger wirkende Sound-Mauer ein. Die Mehrzahl der Menschen rennt sich auch heuer an ihr wieder den Schädel ein und verzieht dementsprechend schmerzverzerrt das Gesicht.
Inhaltlich läßt sich natürlich nicht viel gegen den Track sagen - wie schon so oft haben die Beasties recht. Zu viele Rapper hüpfen auf der Bildfläche herum und lassen die Möpse auf immer gleiche Art springen. So viele Gangstas, Pimps und Hustlers kann es selbst im prüden Land der dennoch unbegrenzten Sauereien nicht geben. Daß sich das Genre weitgehend überlebt hat und es dementsprechend nur noch selten gelingt, aus der Masse an Müll herauszuragen, ist eine Tatsache. De La Soul sind tot, Public Enemy bedienen nur noch ein paar Eingeweihte, die Roots oder Q-Tip werden von so wenigen Fans gehört, daß höchstens 50 Cent an Tantiemen übrigbleiben. Talentierte Neulinge sind rar oder haben keine Chance, sich gegen die Platzhirsche durchzusetzen.
Natürlich muß man deswegen nicht das Ende des HipHop ausrufen, da praktisch jede Stilrichtung innerhalb des Pop diese Phase der Stagnation und überdimensionierten Abfallproduktion durchlaufen hat. Die meisten überlebten, weil irgendwann Mülltrennung vom Rest stattfand. Blöd ist nur, daß die Rap-Agonie schon sehr lange andauert ... Insofern könnten die Beasties wirklich reinigende Wirkung haben, weil man ihnen wenigstens zuhört. Käme "Too Many Rappers" von einer Novizen-Crew, hätte es mangels kommerzieller Verwertbarkeit keine Chance.
Im Gegensatz zum HipHop könnte es mit den Beasties aber bald vorbei sein, da Adam Yauch an einem krebsartigem Geschwür in der Ohrspeicheldrüse leidet, wie er via YouTube (!) bekanntgab. Dabei witzelte er, daß sich die Erkrankung nicht auf die Stimme auswirke und seine Kumpels so auch mal Zeit für andere Dinge hätten. Wenn die Jungs nicht sowieso schon viel seltener zusammenhingen als früher, wäre der Scherz gelungen. Sei es, wie es sei: Ich wünsche Adam via EVOLVER alles Gute - wenn einer die "Licence To Ill" hat, dann er. MCA, wir brauchen Dich. Wie man hört, ist zumindest die Operation gut verlaufen, sodaß vielleicht doch noch alles gut wird und wir ihm zu Ehren eine riesige Party feiern können.
So, liebe "Miststück"-Gemeinde, mit diesem Stück Hoffnung auf eine bessere Welt mit vielen neuen Beastie-Boys-Tracks geht die Kolumne in den wohlverdienten Urlaub. Wenn ihr wollt, treffen wir uns hier am 29. September wieder. Als Thema habe ich mir witzige Psychedelic oder psychedelische Witze von Portugal The Man zurecht gelegt. Es kann aber sein, daß sich die Welt in einem Monat ganz anders anhören und auch ganz anders klingen wird. Auf jeden Fall ist es tröstlich, daß sich auch dann ein "Miststück" um diese Sounds kümmern wird. Mit dieser Kolumne verhält es sich schließlich wie mit der Liebe - laut Rammstein ist die nämlich für alle da. So stay tuned!
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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