Kolumnen_Miststück der Woche III/68

Childish Gambino: "3005”

Der Mann macht gute Laune. Und genau das ist die Aufgabe eines Comedians, auch wenn er als Rapper unterwegs ist - findet Manfred Prescher. Nebenbei freut er sich aber schon auf das, was demnächst noch kommen wird.    27.01.2014

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Es muß an den frühlingshaften Temperaturen der vergangenen paar Wochen liegen - auf jeden Fall pfeifen die Spatzen schon von den Dächern, daß praktisch jede gute Band und jeder wichtige und coole Solointerpret mit neuen Platten am Start steht, deshalb mit den Hufen scharrt bzw. am PR-Glücksrad dreht oder drehen läßt. Sogar mausetote Ex-Zeit- und Seelenzellen-Genossen wie Johnny Cash oder Michael "the kid is not my son" Jackson sind dabei. Man wird also hören und staunen, was das Zeug hält. Wer Adele, Tori Amos, Lana del Rey, Frank Ocean oder U2 mag, wird genauso bedient wie der, der auf "Typen vom alten Schlag", also auf Anthrax, AC/CD oder Judas Priest abfährt, bis die Luftgitarrensaiten weepen. Also wird die Blue-Jeans-Weste mit den Aufnähern von Wacken-Schwacken-Dingenskirchen zwangsläufig eine Renaissance erfahren. Man wird sie überall tragen können, nicht nur auf den Konzerten von Red Hot Chili Peppers, Godsmack oder Iron Maiden. An dieser Stelle paßt auch der gute alte Kalauer, den ich immer wieder mal anbringe - und wie ein Idiot selber drüber lache:

Sie: "Kann ich das tragen?"

Ich: "Ja, in einer Einkaufstasche."

Womit ich beim seichten Komödiantentum angekommen bin: Donald Glover ist ein Meister in diesem Metier. Das meine ich nicht despektierlich. Der Mann zieht erfolgreich als Komiker durch die Ami-Lande, schrieb unter anderem Drehbücher für die Serie "30 Rock" und heimste dafür etliche Preise ein. Er ist ein Verrückter im positiven Sinne, und für solche Typen habe ich, wie ihr längst wißt, einfach ein Fable. Wer wie ich schon durch alle Humoore gewatet ist und weiß, daß Schindluder in der Nähe von Aschaffenburg liegt, ist selber das, was man landläufig einen Kindskopf nennt. Einer, der sich auch über billige Scherze freut, die teuren immer und immer wieder weiterträgt und sogar olle Kamellen wieder hervorholt, um sie kurz vor Fasching/Karneval hoch vom gelben Wagen aus unter das Volk zu streuen. Ich schrob vor Jahr und Tag beispielsweise, daß ich alles mit Worten ausdrücken könne, außer Orangen und Zitronen - das war schon damals geklaut, stimmt aber sogar dann noch, wenn keiner mehr drüber schmunzeln mag.

 

 

Donald Glover verwendet Gags auch mehrfach, weil er halt seine "offizielle Autoren-Gestalt" mit seiner rappenden Kunstfigur Childish Gambino so verwebt, daß man kaum mehr weiß, wer gerade auf einen einredet. Wen das an den letzten Beziehungsstreit erinnert, der liegt richtig. Ein guter Rapper ist einfach ein musikalischer Lebenspartner, mit dem man einfach nicht auf Augenhöhe diskutieren kann. Während man nämlich selber noch nachdenkt, textet der einen einfach schon zu. Man höre einfach nur den Schluß von Eminems "Rap God".

Childish Gambino jedenfalls ist längst zu Donald Glover geworden - und umgekehrt. 2013 erschien sein sechstes Album, und das hat sich nun in den Hitparaden festgefressen, wie es Kolben im Motor tun, wenn das Schmiermittel fehlt. Wahrscheinlich lassen sich heutzutage - in Zeiten von NSA, Google und Gesichtsbuch - Kunstfiguren auch gar nicht mehr auf einer artifiziellen Ebene halten. Oder man kraucht ohnenhin nur noch auf dieser durch ein weitgehend virtuelles Dasein. Wurschtegal, Schuld ist das Worldwideweb - und darum heißt die CD von Donald Gambino auch programmatisch "Because The Internet". Und weil wir uns gerade dort aufhalten, könnt ihr gleich mal ein Stückerl vom rappenden Komiker oder vom komischen Rapper lesen. Der Text ist Teil der aktuellen Hitsingle "3005", die so Old School ist, daß sie auch im nächsten Jahrtausend noch funktionieren kann. Hört einfach "The Message" von Grandmaster Flash, dann wißt ihr, was ich meine.

"Yeah, mi casa su casa, gotta strip it like Gaza/Got so high off volcanoes, now the flow is so lava/Yeah, we spit that saliva, iPhone got message from Viber/Either the head is so hydra, or we let bygones be bygones/My God, you pay for your friends? - I´ll take that as a compliment/Got a house full of homies, why I feel so the opposite?/Incompetent ain´t the half of it/ ... /Sorry, I´m just scared of the future/´til 3005, I got your back, we can do this, hold up".

Doch, doch, ich kann den Kerl gut verstehen und bin schon völlig eingegroovt. Nächste Woche werde ich dann über The Notwist schreiben, die es tatsächlich in die große weite Welt des Sub-Pop-Labels - genau, die haben Nirvana entdeckt, bevor sich die über den Superstar-Ruhm hinweg ihrerseits ins Nirwana schossen - geschafft haben. Womit? Mit Recht! Tolle Sache für ein tolles Projekt, das bereits 1989 im verschlafenen oberbayrisch-stillen Örtchen Weilheim gegründet wurde und sicher noch mindestens bis 3005 existieren wird. Ja, Marmor, Stein und Eisen bricht, aber die Kraft von Notwist nicht! Die dazugehörige Kolumne gibt´s in sieben Tagen. Wort darauf. Bis dahin, macht´s gut oder von mir aus sogar besser.

 

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Childish Gambino: "3005”

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Enthalten auf der CD "Because the Internet" (Caroline/Universal)

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