Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 29

Christina Stürmer: "Fieber"

Der Name paßt doch wie das Gesäß auf die Brille: Wer Stürmer heißt, muß einfach ein Lied für die Fußball-EM in einem deutschsprachigen Land singen - findet Manfred Prescher.    16.06.2008

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder. 

 

Denk´ ich an Fieber, dann denk´ ich entweder daran, wie ich als Kind beinah an schlechtem Gurkensalat-Dressing eingegangen wäre und tagelang mit mehr als 40 Grad im Siechenbett lag, oder an das laszive "Fever" - den Soundtrack, mit dem unsere Großeltern anno irgendwann den Austausch von Körperflüssigkeiten musikalisch untermalten; je nach Gusto in der Version von Peggy Lee oder vom Becken des Rock´n´Roll-Stroms, dem leibhaftigen Elvis.

Jetzt ist "Fieber" aber das grenzenüberschreitende Lied der Fußball-EM. Sowohl der Österreichische Fußballverband, von dessen Existenz vermutlich nicht mal die Einheimischen vor dem Anpfiff zum Match zwischen Kroatien und Österreich wußten, als auch das ZDF haben dieses Lied zu ihrem vorübergehenden Hymnus erkoren. Ein Volk, ein Reich, zwei Nationalmannschaften? So weit ist es noch nicht - der Triumph/die Schmach von Cordoba lebt in den Dumpfbackenhirnen zwischen Graz und Kiel nämlich auf immer und ewig weiter. Weil aber die Deutschen eine solche Friede-Freude-Eierkuchen-Sommermärchen-WM zelebrierten, daß sich die Erdbevölkerung über so viel Harmonie verwundert die Augen rieb, muß sowas in Österreich und der Schweiz mindestens genauso nett ablaufen.

Das deutsche WM-Motto "Zu Gast bei Freunden" bekommt zwischen Wien, Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck allerdings eine völlig andere Bedeutung. Schließlich überläßt man als stilsicherer Gastgeber den anderen den sportlichen Ruhm und damit das Feiern, beseitigt nach verpatzter Vorrunde also nur mehr brav den Müll der Resteuropäer. Und die deutschen Fans? Kaum fallen die anderswo ein, lassen sie es so krachen, daß der Führer seine Freude dran hätte. Vielleicht sollte man denen mal sagen, daß Adolf schon seit langem mumifiziert in der großen Ruhmeshalle der US-Armee liegt?

 

Fieber ist also nicht gleich Fieber. Die Auswirkungen sind allerdings sehr ähnlich: Man schaltet das Hirn aus und läßt sich treiben. Das kann zu erotischen und idiotischen Momenten führen. Bei den Neonazi-Chaoten von Klagenfurt steht der Denkapparat aber nicht auf Standby, sondern wurde vom Körperstrom komplett abgeklemmt. Nur so kann man den massiven Fausteinschlag von polnischen oder holländischen Hooligans unbeschadet überstehen.

Es hat also alles seinen Sinn auf König Fußballs Welt. Das Lied dazu ist ebenfalls ziemlich stupide, also könnte es perfekt passen. Allerdings läßt es sich nicht so schön mitsingen wie weiland der Hit der Sportfreunde Stiller. Das liegt vielleicht daran, daß die Sportis echte Fans von altem Schrot und Korn sind, während Christina Stürmer wahrscheinlich wenig mit Kicken und Bolzen anfangen kann. Damit wäre die Crux von "Fieber" auch schon umschrieben: Musikalisch geht die Mischung aus Wir sind Helden, Silbermond und volkstümlicher Exegese der Hamburger Schule noch in Ordnung, aber der Text ist nicht nur dümmer als ein Kanten altes Brot, auch die Seele der Fußball-Fans fehlt völlig: "Wir haben Fieber/komm, fieber´ mit/100.000 folgen dir". Der schlechte, alte "Stürmer"-Stil? Nein, die Liedzeilen sind einfach nur doof.

 

Wie sagte der große Edi Finger? "I wer´ narrisch!"

Der Ausruf paßt auch auf die Karriere von Christina Stürmer: Die 26jährige ist dem Vernehmen nach der erfolgreichste österreichische Popstar seit Falco. Kaum zu glauben, aber wahr. Wahrscheinlich dreht sich der Johann Hölzel deswegen im Grab um, aber an den Fakten kommt auch er nicht vorbei. Nebenbei lebt die Sängerin den österreichischen Traum, wenn es den denn gibt: Sie hat es schließlich von der Buchhändlerin (bei Amadeus, aber ohne "Rock Me" davor) in der steirischen Provinz zunächst in die Casting-Show "Starmania" und von dort konstant in die Charts geschafft. Anders als bei den Bohlen-Entdeckungen ist Christinas Verfallsdatum scheinbar nicht begrenzt. Komplett unmusikalisch ist sie auch nicht: In der "Wikipedia" ist zu lesen, daß sie schon mit 13 Saxophon in einer Jazzband spielte. An Austrian Wunderkind? Ein Genie wie der junge Stevie Wonder? Wohl nicht. Eher ein ganz normales Töchterlein aus einem Bürgerhause, das zufällig auf einer Musikader stand. Irgendwie ganz nett, nicht allzu überkandidelt. Das gilt auch für die Musik - "Rock-orientierter Mainstream-Pop" heißt das bei den Wikis.

Nächste Woche ist der EM-Ball immer noch rund und muß ins Eckige, ein Spiel dauert immer noch 90 Minuten plus x Minuten Nachspielzeit, und Christina Stürmers Fieberkurve steigt immer noch. Aber ich werde mich dann an dieser Stelle nicht mehr mit dem Fußball und seinen ausführenden Organen, den "Burschen" (Zitat Hickersberger), sondern mit einer recht merkwürdigen Aufnahme beschäftigen: Die Violent Femmes (genau die!) covern "Crazy" von Gnarls Barkley.


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Christina Stürmer - Laut-Los

Photo © Ben Wolf

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Universal (Ö 2008)

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Kommentare_

Daniel - 25.06.2008 : 20.00
Denkst du, das du witzig bist?
Ich Antworte- NEIN!

Fieber ist der beste EM Song allerzeiten, und du einer der größten nichtsnutzigen Idioten allerzeiten.

der Keks - 26.08.2008 : 15.42
Also ganz ehrlich:Es gibt schlimmere Songs und deine Kommentare die unter die Gürtellinie gehn,hätteste dir auch sparen können!
Bitte...WAS HAT DIE JUGEND VON HEUTE NOCH MIT H**** zu tun??!!
Sowas gehört nich in die Öffentlichkeit.
Tut mir leid...
Alban Sturm - 31.08.2010 : 22.33
Unbeschadet der Tatsache, daß die echauffierten Herren "Daniel" und "Keks" diese Zeilen wohl niemals lesen werden: M. Preschers obige Rezension ist wohl das Höflichste, was man über Fußballveranstaltungen und deren zugrundeliegenden Geist (wie er sich etwa in einschlägigem Liedgut präsentiert) sagen kann.
Soweit es Fräulein Stürmer betrifft: ihren Nachnamen hat sie sich vermutlich nicht ausgesucht. Allerdings auch sonst nichts, da sie das Denken ihren jeweiligen Vermarktern überläßt - wie alle ehrgeizigen Pflänzchen, die ihre umfassende Inkompetenz via Prostitutionsshows zu Geld machen. Sie präsentiert beliebige erbärmliche Musik für entsprechende Konsumenten, ebenso überflüssig wie austauschbar. Ob ihre Karriere länger andauert als in anderen flachen Gewerben darf bezweifelt werden.
Bezüglich intellektueller Konstitution stehen ihr ihre Fans, wie man sieht, jedoch um nichts nach. Herr "Keks" bemüht gar Blockbuchstaben für eine der naivsten möglichen Fragen (und scheint sich dabei dennoch vor dem Wort "Hitler" zu fürchten): Was haben wohl Menschen, die - nach Deponierung ihres Restgehirnes an der Kassa - der wohligen Selbstauflösung im Rudel frönen, mit manipulierbaren Massen zu tun? Ein Schelm, wer hier Parallelen sieht; daß die dort angestimmten Gesänge "Nationalstolz" thematisieren, ist Zufall.
Dem Mäderl ist es zweifellos gleichgültig; sie wird intonieren, was immer man ihr vorsetzt. Solange sie dafür bezahlt wird - zum Beispiel von Anhängern, die weder von Geschichte noch von Musik die geringste Ahnung haben.

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