Kolumnen_Miststück der Woche III/60

Fettes Brot: "Für immer immer"

Die drei Pinneberger Fragezeichen sind wieder im Rennen, trotz Kasperle und irgendwelcher böser Rap-Buben. Sie besinnen sich einfach auf das, was ihren Charme ausmacht - findet Manfred Prescher.    18.11.2013

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

"Ich liebte ein Mädchen in St. Pölten, wir trieben es leider nur selten/Ich liebte ein Mädchen in Wien, ich flog da alle zwei Wochen hin/Ich liebte ein Mädchen in Fuschl, die griff mir nachts gern an den Puschl ..."

Ich habe diese omnipotente Phantasie, praktisch in jedem Hafen eine Braut zu haben, natürlich von Insterburg & Co. Die Blödelbarden - genauso nannte man solche Leute im Duktus der nicht sehr zimperlichen siebziger Jahre - reisten mit uns erst durch Berlin, dann durch Deutschland ("Ich liebte ein Mädchen in Meißen, die tat mir die Hose zerreißen/Ich liebte ein Mädchen im schönen Zerbst, da hielt die Hose bis zum Herbst"), um schließlich rund um die Welt und dann auf dem roten Planeten herumzupoussieren. Ich wollte meinerseits schon immer mal versuchen, den Song um österreichische Gemeinden zu erweitern, weil es erstens nicht einmal in Niedersachsen lustigere Ortsnamen gibt, was wir Piefke seit Qualtingers "Bundesbahn-Blues" eigentlich wissen sollten, und weil so ein pubertär-bescheuertes Gekalauere doch zweitens durchaus Spaß macht.

Einen aktuellen Anlaß haben die zugegebenermaßen grobschlächtigen Zeilen etwas weiter oben allerdings schon. Fettes Brot erneuern nämlich Insterburgs "Ich liebte ein Mädchen" mit anderen Orten und Ländern, lassen die Balzwalz logischerweise erstmal in Hamburg beginnen und versehen das Ganze mit einem sehr netten, weil eingängigen Refrain im Stil der Sportfreunde Stiller: "Ich hab´ sie alle geliebt/Rom, Berlin und Paris/Und wenn ich mich erinner´/Irgendwie war es jedes Mal für immer" - und das ist im fahlen Lichte der Quatschpop-Historie betrachtet auch ein Unterschied zum Anarcho-Blödsinn von Ingo Insterburg und seinen drei Mitstreitern Barz, Ehlebracht und Dall. Die verzichteten nicht nur auf die "Hookline", wie es neudeutsch heißt, sondern in ihrem Text ging es auch ganz sicher auch nicht um das Gefühl, "daß da hält jetzt aber mal für immer oder gar noch länger, falls es das gibt". Schließlich waren die Insterburger Kinder der 68er und standen der freien Liebe näher als dem besetzten Herzen.

Wer einmal den auf der nach unten offenen "HSMS" (der "Helge-Schneider-Movie-Skala") im Bereich "saublöd" angesiedelten Trash-Spielfilm "Quartett im Bett. Klatsch, klatsch, Schenkelchen - Opa wünscht sich Enkelchen" gesehen hat, der weiß, wovon ich schreibe. Solltet ihr echt mal anschauen, wenn der Streifen in irgendeinem Programmkino aufgeführt wird. So etwas wird heute einfach nicht mehr gemacht. Überall ist schließlich zuviel Gefühl drin - auch bei Björn Beton, Doktor Renz und König Boris. Der Refrain macht das Anarchische einfach kaputt und ersetzt es durch das, was grad irgendwie gesellschaftlich trendy ist, also die Suche nach einer dauerhaften Beziehung und die Probleme mit der eigenen Bindungsunfähigkeit. Eben über diesen Themenkomplex schwadroniert aktuell auch der "Stern" und fand, daß er sogar eine Titelstory wert ist - getreu dem Motto "Ich liebte ein Mädchen in Flandern, und mußte trotzdem zur nächsten weiterwandern." Musikalisch sind Fettes Brot da aber eher Old School, was in den Zeiten von Casper und den anderen Geistern doch auch schon wieder sehr modern klingt. Irgendwie mag ich die "für immer immer" wieder. Ich finde es sogar OK, daß sich die Brote auf dem neuen, siebten Album "3 is ne Party" bei den Fantastischen Vier bedienen. Das ist doch eine ganz wunderbare Referenzquelle.


Ein Wort noch in eigener Sache: Wer an dieser Stelle den versprochenen Text über den wunderbaren texanischen Opa Willie Nelson und seine Duettpartnerin Roseanne Cash erwartet hatte, muß nächste Woche wieder bei evolver.at reinklicken. Heute haben Fettes Brot das letzte Wort - und ihr bleibt halt, wie ihr seid und bei wem ihr seid. Das macht den Herbst besonders kuschelig. Sonst geht´s euch wie den Fischkopf-Rappern: "Ich liebte ein Mädchen in Altona, sie war wie der Winter kalt und klar/Ich liebte ein Mädchen in Salzgitter, ihr folgten mehr Jungs als dem Papst auf Twitter/Ich liebte ein Mädchen in Bruck an der Mur, die sah beim Sex immer auf die Uhr."

OK, ich mußte wie immer selber das letzte Wort haben ...

 


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Fettes Brot: "Für immer immer"

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Enthalten auf der CD "3 Is Ne Party " (Fettes Brot Schallplatten/Groove Attack)

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