Idina Menzel: "Let It Go"
Enthalten auf der CD "Frozen" (Walt Disney Records/Universal)
Früher hieß es mal "Let It Be", vor kurzem "Let Her Go" - und nun gewinnt "Let It Go" einen verdienten Oscar. Da ist, findet Manfred Prescher, der Küchenpsychologe gefragt. Und der alte Beck muß nochmal warten. Vermutlich, bis die blonden Haare schwarz werden. 10.03.2014
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Ich schlug mir mal wieder einen erklecklichen Teil der Nacht um die Ohren. Nach guter alter Sitte habe ich mir dann doch ein wenig von der eher mauen Oscar-Verleihung angesehen. Ich bin da seit mindestens 12, ach 24 Jahren Sklave meiner Sucht nach Information - da kann ich im Vorfeld noch so oft rausposaunen, daß mir der ganze Hollywood-Rauch-um-nicht-allzuviel am Popscherl vorbeigeht. Aber zwei-, dreimal habe ich mich dann doch gefreut. Daß "Gravity" abgeräumt hat, ist an und Pfirsich würdig und recht, und der kreuzgute Matthew McConaughey hat es verdient, daß er sich das Männlein in seinen Walde oder sonstwohin stellen kann. Er spielt ja den Ron Woodroof in "Dallas Buyers Club" auch wirklich ganz - um es mit Johann Sebastian Bach zu sagen - "wunderbarlich". Und dann war da noch die Musicalmimin Idina Menzel, die das zentrale Lied aus Disneys "Frozen"/"Die Eiskönigin" auch gleich irgendwie live zum besten gab. Was für ein ergreifend schöner Song aus einem rundum erstaunlich gelungenen Trickfilm! Walts Ururenkel können es tatsächlich noch - trotz oder wegen Pixar.
Aber Musik und Disney, das ging schon lange nicht mehr wirklich gut. Ein paar nette Liedchen von Randy Newman, der außerhalb der Trickfilme aber auch deutlich besser ist, dann Elton Johns routinierter Schmachtfetzen "Can You Feel The Love Tonight" - mehr war da nicht zu vermelden. Seit dem "Dschungelbuch" und "Aristocats" war das alles fad, erst recht natürlich, wenn es auf deutsch gequäkt wurde. Und die Sache mit O´Malley und seinen adeligen Kätzchen ist auch schon 34 Jahre her. Ihr erinnert euch? Damals war Barney Geröllheimer quietschfidel, und die Erde hatte noch mit den Spätfolgen des Urknalls zu tun. Lange ist es her.
Und nun das. Kristen Anderson-Lopez und ihr Gemahl Robert Lopez schrieben "Let It Go" als Hymne für die Eiskönigin Elsa. Da mag man bisweilen Carole King, Adele oder auch Aimee Mann raushören, aber das geht schwer in Ordnung. Das Lied ist sehr erwachsen und eingängig, wie der Gefangenenchor oder "Love Me Tender". Aber im Ernst - den Autoren ist es gelungen, die poetische Intention und die Botschaft des Disney-Films in eine sehr nette Melodie zu gießen. Hinreißend ist das. Damit wird man zwar kein Kultobjekt wie Morrissey, um den es in der nächsten Ausgabe dieser Kolumne gehen wird. Wenn wir aber sehen, wie schwer dieser Mann an seiner christusmäßigen Märtyrerlast trägt, dann ist es doch irgendwie heimeliger, sich einen Song für "Frozen" vergolden zu lassen.
"Let It Go" oder: Man muß auch loslassen können. Und das nicht nur, wenn man als Eiskönigin mit der an und für sich - und von Marvels "Iceman" mal abgesehen - sehr uniquen Gabe, alles mit hübschen Kristallen aus gefrorenem Naß überziehen zu können, nicht umgehen kann. Und daher also die verletzt, die man so sehr liebt und eher beschützen als der Kälte anheimfallen lassen sollte. Auch wir Ottonormalmenschen müssen loslassen können, behauptet der Küchenpsychologe in eurem Kolumnisten. Erstens fesselt man nämlich Menschen, wenn man sie mit Nachdruck festhält - und das Leben ist nun mal kein S&M-Studio. Und zweitens bleiben die dann nicht aus freien Stücken bei einem, sondern nur so lange, bis die Stricke reißen oder das Eis schmilzt und die Fahrrinne hinaus auf die offene See freigibt.
So, genug der Niedlichkeiten, ich gehe jetzt hin zum Blu-ray-Player und schau´ mir "Susi und Strolch" an. Ach, das Pärchen ist auch niedlich? Stimmt. Dann doch lieber zwei Folgen "Homeland". Ist zu empfehlen, man sollte allerdings sein Herz für Kinder irgendwie kurz einfrieren, denn mit denen wird da oft nicht so besonders liebevoll umgegangen. Naja, ist doch nur eine Fernsehserie ... Die Realität sieht freilich oft schlimmer aus. Bis nächste Woche also, macht´s gut und seid freundlich, egal, in welchem "Homeland" ihr euch gerade verlustiert.
Für die Österreicher unter euch noch ein Tip: Falls euch langweilig ist habt, dann guckt den "Stromberg"-Film und freut euch, daß ihr keine häßlichen Deutschen seid. In diesem Sinne ...
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
Idina Menzel: "Let It Go"
Enthalten auf der CD "Frozen" (Walt Disney Records/Universal)
Die Eiskönigin - Völlig Unverfroren
(Frozen)
Disney (USA 2013)
102 Min.
Regie: Chris Buck, Jennifer Lee
Darsteller: Kristen Bell, Idina Menzel, Jonathan Groff u. a.
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Kommentare_
alles fad? was war denn mit menkens under the sea?
Stimmt, den habe ich vergessen.
liebe Grüße
Manfred Prescher
Alles fad... empfinde ich nicht so.
Aber warum sollte ich mein Herz für Kinder irgendwie einfrieren?
Meine Kinder haben sich sehr gefreut, als ich heute zum Lesenlernen in die Schule kam...
Aber jetzt zu Disneys "Susi & Strolch". Die Namen "Lady & Tramp"
würden viel besser zu ihrer Sprachweise passen...