Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 12

Lenny Kravitz: "I´ll Be Waiting"

Worauf wartet er denn? Auf Fans, die in Scharen sein neues Album kaufen und so das Bankkonto füllen? Oder darauf, daß ihn die Muse endlich wieder küßt? Wahrscheinlich auf beides - meint Manfred Prescher.    28.01.2008

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Lenny Kravitz ist schön - ein männliches Sexsymbol, einer, der aus der göttlichen Backmischung von Johnny Depp und dem Sarotti-Mohren entstanden ist. Und, auch das muß ihm der Neid aller häßlichen und bei Frauen chancenlosen Männer lassen: Kaum einer trägt die Sonnenbrille so lässig wie der wahrscheinlich beliebteste, weil weit und breit einzige Designer-Hippie der Welt. Wenn so einer die Damen aus ihrer Umgebung heraus- und dann beschält, dann werden die Worte wahr, die Jürgen Marcus einst sang: "Ein Festival der Liebe soll unser Leben sein. Und alle, die so sind wie wir, die laden wir gern ein!" Zumindest, wenn sie weiblichen Geschlechts sind und sich mit Zeilen wie "Whenever you need me/I´ll be there" identifizieren können ...

Es ist wahrscheinlich jeder Lady klar, daß das gelogen ist, aber es kommt halt immer drauf an, wie Mann es vorträgt. Da läßt sich dann auch die gröbste Unwahrheit innerhalb der Damenwelt verbreiten: "You are the only one I´ve ever known" haucht Kravitz zu einem konventionellen, weil von ihm seit "Let Love Rule" immer und immer wieder gehörten Soundmix, der Synthie-Soul mit E-Gitarre und Flower-Power-Weirdness vereint. Worauf bezieht sich denn dieses "ever"? Auf verdammt lange fünf Quickie-Minuten? Auf die eine Nacht? Oder auf die knapp 44 Jahre, die der New Yorker schon in der Superbowl-Arena des Herrn herumlungert und auf den nächsten Touchdown wartet? Wir wissen es nicht, weil der smarte Barde davon nichts singt.

 

Das mit der "one and only" ist natürlich eines der so oft in Reime und funky grooves gepreßten Klischees, von denen mittlerweile selbst Prince die flinken Finger läßt. Aber Lenny Kravitz, von dem die "Bunten" dieser Welt schon einiges zu berichten hatten, schwört Stein und Bein, daß er Bill Cosbys Tochter Lisa Bonet niemals gekannt haben will. Und ich dachte, Lenny war auch mit Kelly Bundy zusammen ...

Da lobe ich mir Udo Jürgens - der gibt wenigstens zu, daß er alle Señoritas heimsuchte, bei denen nach Konzertschluß noch Licht im Quartier brannte. Über den ewigen Udo, der die Herzen der Deutschen und der Österreicher unter seinem Bademantel zu einer neuen K&K (hier: Kitsch und Kommerz)-Monarchie vereint, schreibe ich übrigens im nächsten "Miststück" mehr. Hier und heute geht es um Lenny Kravitz, der mit dem ewig gleichen Retro-Treueschwur zu betören sucht: "I Belong To You", "Can´t Get You Out Of My Mind", "Show Me Your Soul" oder eben jetzt "I´ll Be Waiting" - mindestens in 50 Prozent seiner Songs bedichtet er die große Liebe mit dürren, sich wiederholenden Worten.

Weil aber seit Hank Williams selig "forever a long, long time" ist, hält auch in der kunterbunten Villa Kravitz nix für die Ewigkeit. Deshalb mäandert er, wenn er nicht das Hohelied der Liebe singt, um sein zweitliebstes Thema herum: die ewige Wanderschaft durch das Tal der Superhexen. Das Ergebnis sind dann Songs wie "Are You Gonna Go My Way", "Fly Away", "Always On The Run" oder " A Long And Sad Goodbye" vom neuen, sehr mediokren Album "It´s Time For A Love Revolution" (sic!). Da sich die Welt bei Kravitz aber nicht nur auf Schwarz und Weiß reduzieren läßt, gibt es auch noch ein fades Grau. Das sind die Songs, in denen die Zerissenheit eines Menschen demonstriert wird: Wähend er das Hasenpanier ergreift, seht er sich nach der Frau fürs Leben - und schon im Landeanflug auf das vermeintlich private Idaho merkt er, daß es in Wirklichkeit nur wieder mal auf eine kurze Lebensabschnittsbegleitung hinausläuft.


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Lenny Kravitz - It´s Time For A Love Revolution

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EMI (USA 2008) 

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