Maps: "You Will Find A Way"
Enthalten auf der CD "Vicissitude" (Mute Artists Ltd/Goodtogo)
Der Weg ist nicht das Ziel, soviel steht fest. Aber man braucht ihn, um dorthin zu kommen, wo man gern sein möchte. Sagt zumindest James Chapman alias Maps. Irgendwie will Manfred Prescher ihm gern glauben. 05.08.2013
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Theo Kojak sagte oft "Ich bin dein Fan" - und meine Volontärin Daniela entpuppt sich immer mehr als Liebhaberin dieser Kolumne. Vor allem gefiel ihr, daß ich jüngst sogar von Maikäfern faselte. Sie fragte mich doch ernsthaft und mit dem Wissensdurst einer Person, die gerade auslotet, was publizistisch so möglich ist, ob ich die putzigen Insekten noch einmal einbauen könnte. Und ja, liebe Daniela, das ist natürlich ohne weiteres möglich, zum Beispiel zur Bebilderung des Themas "Shoegazing".
Maps, wie James Chapman aus Northampton sein Projekt nennt, wird nämlich in diese Musikkategorie einsortiert. Der Begriff besagt eigentlich nur, daß man auf seine Schuhe starrt. Das tun Männer immer dann, wenn ihnen unwohl in ihrer mehr oder minder frisch rasierten Haut ist, weil sie entweder schwindeln oder im Club zu feige sind, mit den Mädels mitzutanzen. Man schaut einfach auf die Spitzen von Sneakers oder Halbschuhen und hofft, daß man nicht auffällt. Psychologisch und anthropologisch gesehen ist das kindlich-retardiertes Verhalten. Nur weil man selber den Kontakt zur Umwelt vermeidet, heißt das ja nicht, daß die anderen einen nicht mehr erkennen. Vielleicht tun sie das dann sogar auf einer Bandbreite, die eher abschreckt? Womit ich bei Daniela und den Maikäfern bin.
"Maykäfer flieg" heißt ein altes deutsches Volkslied, das die Herren Clemens und Achim von Arnim so um 1800 für ihre Liedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" in Niedersachsen gefunden haben. Hier der erste Vers: "Maykäfer, flieg/Der Vater ist im Krieg/Die Mutter ist im Pommerland/Und Pommerland ist abgebrandt." Was, liebe Daniela, lernen wir daraus? Zweierlei: Erstens, daß es gut ist, Flügel zu haben, und zweitens ist es deutlich besser für das Überleben, diese auch zu benutzen, statt auf die Füße zu gucken. Erst recht, wenn man wie das Käferlein gleich sechs davon hat. Auf den Clubbesuch junger Männer und auf Maps gemünzt, heißt das, daß den Kopf in den Sand oder in die Nähe der Schnürsenkel hin abzusenken, die Chancen bei den Damen nicht eben erhöht.
Als erfahrener Mann in den besten Jahren weiß ich, wovon ich spreche. Ich hatte - wie Lou Bega in "Mambo No. 5" schon "A little bit of Monica in my life, a little bit of Erica by my side/A little bit of Rita is all I need, a little bit of Tina is what I see". Und alles nur, weil ich entscheidenden Moment eher das geneigte Braunauge einsetzte statt "shoe zu gazen". Aber genug der Selbstanklage, die Zeiten sind vorbei. Wenn ich heute auf meine Schuhe starre, dann nur, weil sich Lederschnürsenkel einfach zu oft von selber öffnen und weil ... mich die Musik dazu anregt. Denn Tanzen kann man darauf wirklich nicht - genausowenig, wie man das auf die Sounds der Shoegaze-Pioniere von den Cocteau Twins, Bauhaus oder My Bloody Valentine konnte. Aber die Musik schwelgt, sie ist opulent und lädt zum Zuhören ein. Speziell im Fall von Maps ist sie auch noch wirklich wunderschön; geeignet für romantische Buben, die zu schüchtern sind, als daß sie sich der Herzensdame tatsächlich nähern. Weil aber melancholische Minnelieder in Clubs nur wenig Chancen haben, zieht die Angebetete dann in der Regel eher mit Liam Gallagher oder einem anderen Cowboy ab, als einem Softie mit hängenden Schultern und Blick in Richtung andere Erdseite zu folgen.
Übrigens, liebe Daniela, direkt unter Deutschland beziehungsweise Österreich liegt reichlich pazifischer Ozean. Wer dort umeinanderschippert, muß wohl auch einen Weg finden, bevor ihm die Vorräte ausgehen und die Schuhe zu sehr müffeln. Nach Neuseeland ist es noch ein paar lange Seemeilen, etwas anderes gibt´s da nicht. Kein Maikäfer fliegt so weit, aber die Klänge von James Chapman passen perfekt auf ein einsames Boot. Wenn die Liebste mit an Bord ist, dann erlebt die Musik von Maps sogar eine wundersame Wandlung - ob man nun auf der Oker oder im tiefen Meer auf große Fahrt geht: sie verbindet dann zwei Menschen mit ihrer klingenden Herzenswärme. Und - diesen Kalauer gönne ich mir noch - auf dem Weg nach Neuseeland kann eine Map zielführend sein.
So, nächste Woche reiße ich mir, bildlich gesprochen, wieder sechs Beine aus und berichte über Macklemore und Ryan Lewis, was ja allmählich Zeit wird. Bis dahin verabschiede ich mich mit einem feucht-fröhlichen "Ahoi!" und steche mit einem Zitat aus "Fluch der Karibik" in See:
Lizzie: "Und es wird der Moment kommen, in dem Ihr die Chance habt, das zu zeigen."
Jack Sparrow: "Ich liebe diese Momente. Ich winke ihnen gern, zu wenn sie vorbeiziehn."
In diesem Sinne - auf welchem der mindestens sieben Weltmeere ihr auch grad unterwegs seid, paßt auf euch auf, laßt das Ruder auch im Sturm nicht los und achtet darauf, daß die Schuhe stets geputzt sind. Spätestens, wenn statt euch die Herzensdame drauf schaut, könnte es Ärger geben. Und dir, Daniela, sei gesagt: Den nächsten Maikäfer erwarte ich in einem deiner Texte.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
Maps: "You Will Find A Way"
Enthalten auf der CD "Vicissitude" (Mute Artists Ltd/Goodtogo)
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 17. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ina Müller.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 16. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Deine Freunde.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 15. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ava Vegas.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die sechste Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Elvis Costello.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die fünfte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Lana Del Rey.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die vierte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Charlotte Brandi & Dirk von Lowtzow.
Kommentare_