Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune - "Alles muß zu einem Ende kommen"
Enthalten auf der CD "Loss Mas Bleibm"
Es gibt Menschen, die können nicht gut Dinge zu Ende bringen - und wieder andere, die nicht gut etwas anfangen können. Manfred Prescher kennt vier Österreicher, denen beides gelingt. 03.12.2012
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
FM4 ist wahrscheinlich der beste Radiosender der deutschsprachigen Welt - wenn man denn Wien und Österreich unbedingt als Teil der deutschsprachigen Welt ansehen will. Eigentlich ist das kotelettförmige Alpenland mit den bayrischen Volksstämmen verbunden, sodaß es spätestens oberhalb von Nürnberg/Franken die Grenzen in Richtung Germanen und Wikinger dichtmacht. Weil: Dort, in Wien, heißt man nun mal nicht Ole Einar Björndalen, Jan Erik Jannsen oder so, sondern Ostbahn-Kurti, Hansi Hinterlader oder eben Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune.
Doch zurück zu FM4, dem besten Sender jenseits von Timbuktu. Dort trafen sich beispielsweise Herbert Deutschland und Felix Austria zu einem saukomischen Gipfeltreffen in Gestalt von von Dirk Stermann und Christoph Grissemann. Immer wieder gab dieser - nach der Verbindung von EVOLVER und Manfred Prescher - beste interkulturelle Mix zwischen D und Ö auch zu Protokoll, "daß all das nix mit Radiomachen zu tun" habe.
Dies gilt auch für die Herren Fritz Ostermayer, David Pfister, Christian Fuchs und Robert Zikmund, die als DJs bei FM4 dafür sorgen, daß "FM" eben nicht für "Fiel Mist" steht. Irgendwann, so wird berichtet, hat man sich zusammengetan, um den kleinen, aber feinen ORF-Ableger für die nicht Vollendsverblödeten mit einer Lesetour zu unterstützen. Man nannte sich Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune, was ziemlich sperrig klingt. Und in etwa so schwer in einen VW Golf einzuladen sein dürfte wie meinetwegen der IKEA-Schrank "Schrecksholm" oder ein kompletter Kirchenchor samt Organisten und Notenständern.
Mit Musik im engeren Sinne hat all das natürlich nix zu tun - und das gilt auch für alles, was die Neigungsgruppe an eigenen und fremden Songs so auf CDs brennt. Da wird "Hurt" von Trent Raznor bzw. Johnny Cash oder auch Lana Del Reys "Video Games" auf Wienerisch umgetextet. Oder Ludwig "lieber im Heu liegn mit Bettina als im Bett liegn mit Angina" Hirsch neu interpretiert. Schön schräg, oft sehr melancholisch und manchmal auch einfach nur lustig.
Und damit soll jetzt Schluß sein? Wer wie ich gern harmonisch vor sich hin leben will, kann damit nicht gut umgehen. Das macht mich krank, besonders, da ich mich so an diese geschmackvoll agierende, hochliterarische Formation gewöhnt habe.
Und weil wir schon beim Thema sind: Wußtet ihr, daß es eine Krankheit namens "strukturelle Atemverschieblichkeit" gibt? Es ist wahr! Fragt Dr. House oder euren Apotheker. Spaß beiseite: Die Neigungsgruppe hört angeblich auf; der Pfister sagte neulich sowas. Das erklärt, warum das Titelbild des neuen Albums ausgerechnet eine österreichische Interpretation des Covers der letzten Beatles-LP ist. Und die heißt, ihr werdet es sicher wissen, "Let It Be". Oder auf Fränkisch: "Lass Märs Bleim". Oder eben bei der Neigungsgruppe "Los Mas Bleibm" - das Ergebnis ist international so verständlich wie "je t´aime".
Das letzte Stück erinnert an einen Faschingskracher. Aus "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei" und "Death Is Not The End" von Bob Dylan wird "Alles muß zu einem Ende kommen": wohl wahr - und irgendwie auch traurig. Weil man sich´s gerade so auf seiner Scholle eingerichtet hat, ob die nun FM4 oder Gartenlaube heißt. Man spürt den Hauch des Finales. Der Sensenmann steht vor der Tür, oder irgendein Mensch ruft an, der einem eine schlechte Nachricht überbringt. Es ist mal wieder was vorbei, und man beginnt es bei den ersten Gitarrenschrammeleien der Neigungsgruppe bereits zu vermissen.
Ach herrje, mir kullern die Tränen über die Pausbacken, ich habe die Küchenrolle bis zum Karton durchgefeuchtet und denke bei mir: Irgendjemand sollte der Neigungsgruppe mal sagen, daß aus einem Ende auch ein wunderbarer Neubeginn werden könnte. Schließlich haben Paul McCartney und John Lennon nach den Beatles auch noch prima Lieder geschrieben, zum Beispiel "Silly Love Songs" oder "Imagine". Und falls es euch tröstet - selbst mehr als 40 Jahre nach den vier Liverpooler Stadtmusikanten lebt die Erinnerung an die Gruppe noch. Man müßte sie, um einen Freund zu zitieren, wahrscheinlich mit einem Ziegelstein aus dem Gedächtnis hämmern.
Ich habe mir für nächste Woche vorgenommen, über ein positives Lied zu schreiben. Eines, das voller Liebe, Wärme, Hoffnung, Zutrauen ist, nämlich "When It’s All Over" von Alicia Keys. Ist natürlich Quatsch, es wird um ... Ach, laßt euch einfach überraschen! Mit Musik wird das aber auf jeden Fall rein gar nix zu tun haben.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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