Pistol Annies: "Hush Hush"
Enthalten auf der CD "Annie Up" (RCA Int./Sony Music)
(Foto: Randee St. Nicholas)
Drei Ladys und eine poppige Art von Country-Musik. Mit Lagerfeuerromantik hat das nichts zu tun, eher mit dem Selbstbewußtsein von Lady Gaga oder Rihanna. Frauenpower gibt´s halt auch aus Nashville - und das freut Manfred Prescher. 20.05.2013
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Die Frage nach der Musikgattung stellen sich nur altkluge oder neunmaldoofe Opas, die noch schön brav ihre Schubladen durchforsten, weil sie erpicht darauf sind, Stil- und Haltungsnoten zu vergeben. Das funktionierte auch lange Jahre ganz ordentlich, und man konnte sich gut abgrenzen, weil man das "Wahre und Echte" vom "echt Bescheuerten" zu trennen vermochte. Doch die Grenzen sind eigentlich immer schon fließend gewesen. Wer wie ich geschmackssicher ist und schon lange genug lebt, um noch die Völkerwanderung mitgekriegt zu haben, der weiß zum Beispiel, daß Rhythm & Blues, Country, Swing und Rock´n´Roll nicht nur dieselben Wurzeln haben, sondern sich auch grundsätzlich ähnlich sind. Beispiele für das Verschmelzen scheinbar unterschiedlicher Genres über die Grenzen von Hautfarben und Bildungsstand hinweg gibt es nicht erst, seit Elvis Presley "Hound Dog" oder "I Forgot To Remember To Forget" aufnahm.
Und heute ist eh wurschtegal, was auf dem Etikett steht. Daß der ebenso charmante wie durchaus aussagemäßig wahrhaftige Hit "I Know You Were Trouble" von Taylor Swift eigentlich auch als Country-Song gilt, ist wumpe, auch, weil er genauso gut zu Rihanna passen würde. Die Pistol Annies ihrerseits haben 2011 mit "Hell On Heels" einen Hit veröffentlicht, der zwischen den Lüneburger Heiden und den Frommen Sankt Gilgenern leider (fast) nur von mir wahrgenommen wurde. Dabei haben Miranda Lambert, Ashley Monroe und die nicht mit dem oben erwähnten Elvis verwandte Angaleena Presley alles richtig gemacht: Im selbstgeschriebenen Ohrwurm - und hier paßt die eigentlich abgegriffene Bezeichnung - verbinden sie Sexappeal, weibliches Selbstbewußtsein und eine unbändige Energie mit einer tollen Melodie. Und Melodien sind heutzutage etwas sehr Rares und Kostbares.
Daß ausgerechnet die vermeintlich konservativste aller Musikmetropolen eine kreative und eigenverantwortliche Ladys-Group wie die Pistol Annies hervorbringen konnte, erstaunt nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten sieht man freilich besser - um den Slogan des ZDF umzudichten. Den Cowboys unten in Tennessee ist genauso schnurz-piepenhagen, was die Künstler zum besten geben, wie das den Verantwortlichen meinethalben in New York, Manchester oder Quakenbrück ist. Hauptsache ist doch, daß die Mucke den Geldbeutel füllt. Und ich gehe davon aus, daß das mit den adretten und sehr begabten Pistol Annies auch weiterhin gelingen wird. Ihre aktuelle Single "Hush Hush" - das Doppelwort steht für ein sanftes "Liebling, halt mal den Schnabel, ich hab keinen Bock auf Beziehungsdiskussionen" - ist wieder so ein Lied, das sich festsetzt. Fieserweise habe ich das Gefühl, es irgendwo zu kennen ... ob Angaleena Presley nicht doch die Enkelin von Elvis ist? Irgendwie sind doch auf dem mehr oder minder flachen Land alle miteinander "umme Ecke" mindestens verschwippschwägert.
Sei´s drum. Ein Popsong ist ein Popsong - und wenn er gut ist, dann muß man auch nicht hinterfragen, von wem die einzelnen Zutaten geklaut sind. Schwungvoll und irgendwie frech sind die Pistol Annies auf jeden Fall. Ihr zweites Album "Annie Up" ist eben erschienen und soll den Männern zeigen, wo Frau Bartel den Mann den Most holen läßt. Frau gibt sich als weiblicher Macho - und womit? Mit Recht! Und mit guten Songs wie "Hush Hush".
Nächste Woche wird es hier in eurer Lieblingskolumne um einen Typen gehen, der seit Jahren alles tut, um nicht als Macho zu gelten. Wo der Mann herumgrubbert, erblüht die Seele. Anno 2006 habe ich ihn kräftig abgewatscht, aber wie sieht es 2013 aus? Ich versichere euch, dieser nächste Text wird kein einfacher sein, denn solche Zeilen traue ich mich nicht mal meiner Herzallerliebsten zu simsen - da können die noch so wahr sein: "Bei meiner Seele, du bist herzergreifend liebevoll/Wenn ich dich sehe, füllst du mein Herz zum Rand mit Liebe voll." Aber der Xavier Naidoo, der macht das einfach. Wie sagen wir Söhne Mannheims immer so treffend? Richtig: "Der babbelt em Daisl e Ohr weg und widder dra." Damit sagt euer Schnebberle bis zum nächsten Mal "Tschüssi, Tschaui und Adele". Bleibt´s, wie ihr seid, was anderes bleibt euch sowieso nicht übrig. Und nun Huschhusch ins Körbchen.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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Kommentare_
So ein liebesvolles „Aaalllaaa“ gehaucht aus Mannemer Männermund. kommt bestimmt auch im Norden gut bei der holden Weiblichkeit an, obwohl die Makreleriche dort „oben“ mit einem fröhlichen „Moin“ durchaus punkten können, auch wenn sie in den Bäckereien „Brötchen“ kaufen und eben keine Semmeln.
In Punkto verhindertem Machotum stehen sich die Kerle in Nord und Süd jedenfalls nichts nach. das Weichei-Syndrom scheint sich auch in der Generation 40 plus virusartig auszubreiten. Leider sind wir Weiber von Stamme der Kampfwachteln daran mit Schuld: Unsere längst typische, feminine Machotour in Garten, Job und Musikbranche haben wir nur zu gut gelernt. Schließlich können wir ja alles genauso gut wie jeder Kerl, nein eigentlich sind wir sogar besser: Frauen sind schließlich sozial besonders kompetent und multitaskingfähig, schmeißen den Haushalt ganz allein – neben dem Führungsjob versteht sich –, erziehen Mann, Kind und Hund, engagieren sich zum Wohle der Gesellschaft, singen in Chören, fahren Autorennen und... und... und… Und dann ist da noch die mediale Weiberbeweihräucherung, die uns – nicht nur von Xavier Naidoo oder Max Raabe – entgegenschlägt. Sie nimmt orgiastische Formen an, mit der Menge an Räucherwerk könnte man den Kölner Dom ein Jahr lang in heilige Dunstschwaden hüllen.
So, jetzt bin ich mal eine böse Verräterin und petze Euch Kerlen was: Wir sind auch zickig und dominant, intrigant und unentschlossen, jammern gern rum, sind gut darin die Family zu manipulieren und genauso unheilig wie ein gewisser Graf. Wir führen Männer an der Nase herum, verwirren sie mit scheinbarer Schwäche, wollen immer nur das eine… Was war das noch mal? Huschhusch ins Körbchen?