Ron Sexsmith: "She Does My Heart Good"
enthalten auf der CD "Forever Endeavour" (Cooking Vinyl/Indigo)
Ach, das Leben kann so schön sein - sagte einmal ein weiser Mann und verstarb kurz darauf. Beim Kanadier Sexsmith lief es andersrum: Er war "lebensbedrohlich krank" und bringt uns nun nachdenkliche, aber grundsätzlich positive Lieder. Manfred Prescher stellt seine Diagnose. 11.03.2013
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Irgendwie komisch: Nächste Woche feiere ich mit euch wieder einmal ein "Miststück"-Jubiläum. Es wird die Nr. 225, wenn man die Vorabausgabe zu dieser Staffel wegläßt. Ist das nicht supi? Irgendwie schon. Aber irgendwie auch wieder nicht, denn es zeigt doch den schleichenden Verfall, das unweigerliche Immer-Älterwerden. Getreu dem Motto: Ach herrje, schon wieder ein neues "Miststück", die Haare werden grau, das nächste Fahrzeug wird bestimmt ein Rollator! Ich gebe euch daher einen guten Rat: Genießt das Leben, laßt es euch gut gehen und verharrt nicht in irgendwelchen Schwebezuständen. Außer natürlich, ihr habt da so richtig Böcke drauf.
Genau das dürfte sich Ron Sexsmith auch gesagt haben. Der Mann aus Ontario, den viele für den bekanntesten aller unbekannten Songwriter halten, ist ja auch schon eine alte Socke. Er wurde gerade 49 Jahre alt, hat also praktisch schon die Völkerwanderung miterlebt und ist gemeinsam mit mir und Mammut Manfred aus "Ice Age" seinerzeit über Kontinentalplatten gedriftet. Und er war so krank, daß die Presse keine Worte fand oder finden durfte. Ich kann euch aber verraten, daß ihn ein ominöser Knoten an der Zunge in eine persönliche Krise stürzte.
Im Alter von Ron Sexsmith und mir sterben die Menschen häufiger als sonst und sind dann meistens irgendwie mausetot, wenn sie wie die Primelchen eingehen. Wenn man aber entgegen anderslautender Prognosen so einen Gesamtkollaps gerade noch mal übersteht und Gevatter Hein im letzten Moment von der Schippe springt, dann kehrt man geläutert und voller Elan zurück ins volle Leben. Man weiß dann plötzlich, daß man nicht viel weiß, vor allem nicht, wie viel Zeit eigentlich bleibt für das eigene Leben, für das Schreiben von guten "Miststücken" oder noch besseren Liedern.
Wenn ich euch kurz einen Einblick in eures Kolumnisten Innenleben geben darf? Ich weiß natürlich nicht, ob ich noch bis zur Nummer 300 durchhalte - und erst recht läßt sich nicht sagen, ob ich danach noch Power und Leidenschaft für eine weitere Staffel haben werde. Aber ich werde es versuchen, wenn die Kraft reicht. Das Sexleben ließe sich ja mit Viagra auffrischen, für das Verfassen von Kolumnen aber gibt es kein probates Mittel (sagt zumindest meine Krankenkasse). Vielleicht ziehe ich mich nach dem 300. "Miststück" aber auch auf mein Castel Manfredo zurück, begleitet von meinen Haushältern, meiner Sekretärin, ein paar Fässern Landwein und den CDs von Ron Sexsmith.
Besonders die aktuelle, meiner Zählung nach 13. Platte "Forever Endeavour" würde ich dann auf meinem Altersruhesitz genießen, dabei an vergangene Zeiten denken und die Verletzungen von vorgestern - genau - im Vorgestern ruhen lassen. Dabei schau´ ich aus dem Fenster, wo ich meine 100 Enkel bei ihrem bunten Treiben inmitten der Orangenbaumblätter beobachten kann, und fühle mich wie neugeboren. Wenn nur das Aufstehen nicht so schwer fiele - ach, es ist ein Kreuz mit dem Kreuz!
Dann geht die Tür auf, sie kommt herein, sieht auch im hohen Alter von 50+ noch echt klasse aus und erwärmt mir das Herz, so wie es Sexsmith mit zarter, aber kraftvoller Stimme in "She Does My Heart Good" beschreibt: "Die Welt auf meiner Schulter ist nicht so schwer, wenn sie lacht." Und: "Sie tut meinem Herzen gut/Es tut gut zu wissen, daß sie mich braucht/Ich sende Truppen über feindliche Linien/Und niemand kann mich besiegen/Mit ihrer Liebe an meiner Seite ..." Wie es aussieht, hat Sexsmith die Krankheit auch mit Hilfe eines tiefen Gefühls besiegt. Der Gedanke, daß es so sein könnte und dabei ein solch schönes Lied rauskommt, berührt und beruhigt zugleich. Es ist schon irgendwie gut, den Löffel nicht zu früh abzugeben und stattdessen die Kartoffelcremesuppe selber auszulöffeln.
Gegen einen Nachschlag ist dann nix einzuwenden - und den gibt es nächste Woche in Form des Jubiläums-"Miststücks": In Nr. 225 geht es um Kerle, Weicheier und andere Typen - ich werde die besten und coolsten Songs von Männern über Männer vorstellen. Denn wie sang schon Herbert G. aus Bochum: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Diese Frage lasse ich für euch musikalisch beantworten.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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