Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 23

Sam Sparro: "Black And Gold"

Vielleicht wird das Ding ja der Sommerhit des Jahres. Logisch wäre es, weil der Song alles hat, was man seit jeher dazu braucht - findet jedenfalls Manfred Prescher.    28.04.2008

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

So schmeckt der Sommer: In England ist "Black And Gold" jetzt schon ganz oben in den Hitparaden. Aber erstens findet durch die Klimaveränderung alles zeitversetzt statt, und zweitens wird es wie bei Mika, Amy und den anderen bei uns sowieso noch ein wenig dauern, bis sich diese Nummer in den kollektiven Gehörgängen festsetzt. Daß es soweit kommen wird, steht schon mal fest wie das Amen bei einem italienischen Begräbnis.

Woran es liegt? An den bewährten Zutaten, die der Australier Sam Folson alias Captain Jack Sparro zusammenmixt. Der Hit fängt mit gleichmäßigen Schlägen auf die Bassdrum an und geht dann in 80er-Jahre-Synthie-Sprengsel über, die verdammt an "Magic Fly" erinnern. Kennt das noch wer? Bewußt sicher nicht, aber wenn´s im Radio dudelt, meldet sich das Unterbewußtsein und schickt Ströme des Erinnerns an die Oberfläche - gerade so viel, daß man sich im Bewährten wohl fühlt und nicht das Gefühl hat, das Lied sei sattsam bekannt. Dazu gibt´s ein wenig Reggae-Rhythmus, leichte Ska-Trompete und eine Stimme, die klingt, als sei sie eine Züchtung aus Mika und Billy "Red Light Spells Danger" Ocean.

Die Zutatenliste von "Black And Gold" liest sich vielleicht irgendwie beliebig, ist aber doch bis ins kleinste Detail ausgeklügelt. Alle Elemente sind millionenfach bewährt, haben ihre Hitqualitäten teilweise auch schon in ähnlichen Verbindungen bewiesen. Wer da an "Barbados" von Typically Tropical oder auch an "Dreadlock Holiday" von 10cc denkt, liegt nicht so falsch, ist aber auf jeden Fall wohlmeinender als der, der sich an "Sunshine Reggae" und "Bacardi Feeling" erinnert fühlt. Jede Beigabe zu der netten Komposition wird so unaufdringlich wie möglich in die Melange gerührt. Schließlich soll der Trompetenhasser gar nicht mitbekommen, daß das Instrument im Lied überhaupt vorkommt. Am auffälligsten ist noch das Intro mit seinem tiefen Rumms. Bevor aber jemand auf die Idee kommt, das Donnern als Schläge in die Magengrube zu empfinden, ist das Gewitter auch schon vorbei. Und die magische Fliege surrt mit elektronischer Leichtigkeit durch die restlichen dreieinhalb Minuten.

 

Wir werden von Sam Sparro hören, ob wir wollen oder nicht. Wahrscheinlich wird der den zu erwartenden Rummel auch schadlos überstehen und ein Album voller Sommerhits unter die medial vorbereiteten Massen werfen. Via Wikipedia ist nämlich zu erfahren, daß der Sänger auf dem fünften Kontinent schon ein echter Kinderstar war. Und was ihm mit zehn, zwölf Jahren nicht geschadet hat, wird ihn jetzt auch nicht umbringen. Wo der spacige Sound herkommt, verrät die Sparro-Biographie auch: Sein Vater hat Musik für "Star Trek" geschrieben. Und in den unendlichen Weiten des Alls, wo sich nicht mal Ferengi und Klingonen gute Nacht sagen, wurde schließlich vor Jahr und Tag versehentlich das elektronische Insekt aus den Überresten einer defekten Warp-Spule herausgebeamt.

Ein echter Medienhype wird ganz sicher auch das neue Projekt des Arctic-Monkeys-Sängers Alex Turner. Mehr Sixties- und Seventies-Flair auf einer CD gab es nicht mal bei den Originalen. Aber davon erzähle ich beim nächsten Mal ...


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Sam Sparro - Sam Sparro

(Photo © Adrian Gilliand)

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Universal (GB 2008)

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