Kolumnen_Schlechtes Karma #3

Four-Letter-Word

... warum manches in ein Tagebuch nur deshalb Eingang finden darf, weil man es sich partout nicht merken kann. Manchmal ist das Leben halt wie eine Fernsehserie.    21.07.2004

Nach einem überaus angenehmen Abend im Theater spaziere ich noch durch die Stadt, um das Wetter und die Stimmung einer sommerlich anmutenden Samstagnacht zu genießen. Ich lande in einer meiner Lieblings-Bars, setze mich an die Theke und verfluche mich innerlich, daß ich mein Notizbuch nicht mitgenommen habe. Während ich auf meinen Cocktail warte, lasse ich mich von den sicheren und exakten Bewegungen des Barkeepers ablenken, doch dann berührt mich jemand an der Schulter. Es ist eine gute Bekannte, die sich mit ihren Freundinnen hier verabredet hat. Sie überredet mich, doch von der Theke an ihren Tisch zu wechseln. Ich komme mir ein wenig eigenartig vor, als sie mich etwas umständlich vorstellt, und ich versuche, zu lächeln und mir alle Namen der anwesenden Frauen zu merken (die auf mich wie eine zahlenmäßig größere, etwas jüngere Variante der "Sex and the City"-Truppe wirken). Das höfliche Geplauder erstirbt sehr schnell, ich bin unabsichtlich in einen Damenabend geplatzt, und das Mißfallen einiger der Damen macht sich rasch bemerkbar. Eine etwas übereilt ausgesprochene Einladung, mich der fidelen Truppe anzuschließen, wird - untermalt mit peinlichen Gesten - zurückgenommen. Beigeben oder mich zufällig dann doch im anderen Lokal einfinden, das ist jetzt die Frage. Die junge Frau zu meiner Rechten bemüht sich sichtlich um ein gutes Gespräch, aber irgendwie ist alles verpatzt, und ich wirke wahrscheinlich wie der letzte Idiot.

Bei der Verabschiedung nur wenig später fällt mir ihr Name dann nicht mehr ein. Ihr tadelnder Blick trifft mich ein wenig, dann wiederholt sie ihren Namen. "Vier Buchstaben", sagt sie, "das kann doch nicht so schwer sein." Vier Buchstaben, nein, das geht gerade eben noch. Ich flüchte mich dann auf die Toilette, um die Situation nicht noch unnötig zu verlängern, wo mich ein betrunkener Mann auf die vielen gutaussehenden Frauen anspricht (wie nett man über einen betrunkenen Kerl schreiben kann, der die Worte "geile Weiber" kaum noch ordentlich über die Lippen bringt, herrje ...), mit denen er mich beobachtet hatte.

Später laufe ich noch an dem Lokal vorbei, in das die Damenrunde weiterziehen sollte. Die Security-Wächter vor dem Eingang sehen mich lächelnd an, doch heute entschließe ich mich, weiterzugehen. Pausenstand: unentschieden.

Thomas Ballhausen

Sachdienliche Hinweise:


Hör Dir zum Ausklang des Abends Stücke von Jordi Savall an und bewundere John Malkovich in "Ripley´s Game" (Warner). Danke, Over & Out.

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