Sharon Jones & The Dap-Kings: "Making Up And Breaking Up (And Making Up And Breaking Up Over Again)"
Enthalten auf der CD "Give the People What They Want" (Daptone Records/Groove Attack)
Eigentlich wollte Manfred Prescher über die Lieder schreiben, die vielleicht demnächst eine Chance auf den Oscar haben … Aber wieder einmal "hadd die Wolln ned greichd", wie der Franke sagt. Er holt das - hoch und heilig versprochen - nach und streicht einstweilen etwas Balsam auf eure feiermüden Seelen. 13.01.2014
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Kennt ihr das Gefühl, daß das Hirnkasterl zu platzen droht? Und man glaubt, ebenso unweigerlich wie jämmerlich zugrundegehen zu müssen? In der Realität passiert sowas selten; auch die schlimmste Migräne läßt sich überleben. Überhaupt geht der Mensch praktisch an sehr wenig so kaputt, daß er den Löffel an die Nachkommen abgeben müßte. Wahrscheinlich würden wir es sogar überstehen, wenn uns der Himmel auf den Kopf fiele. Beim Teutates. Zumindest, solange noch Zähne da sind, mit denen man ins Gras beißen und an den Halmen Halt suchen kann, versteht sich.
Dazwischen lebt man sein Leben und hofft auf die Zuteilung eines Quantums an Erfolg bzw. Trost, wenn es denn nicht so supertoll klappt mit der Karriere. So ging es Sharon Jones, einer kleinen, süß-moppeligen Powerfrau aus Augusta/Georgia. Ihr wißt, das liegt so tief im Süden, daß es dort praktisch immer nur Sumpf, Staub und Sonne gibt. In diesem jungen Jahr war es dort aber bereits kälter als in meinem Gefrierschrank - und das führt mich zurück zu Sharon Jones: Die Lady bringt mit ihrer Stimme praktisch den größtmöglichen Eisklotz zum Schmelzen. Daß wir davon Wind bekamen und den speziellen Seelenbalsam genießen können, liegt wiederum an Amy Winehouse selig. Erst in deren Schlepptau wurde Sharon Jones erfolgreich. Vorher arbeitete sie unter anderem als Gefängnisaufseherin, was sicher ein guter und segensreicher Job war. Man stelle sich vor, sie gäbe "Get Up And Get Out" für die Insassen zum Besten - der Begriff "Sing-Sing" bekäme glatt eine neue Bedeutung.
Ja, Sharon Jones bringt Licht ins Dunkel. Ihre Stimme ist filigran und kraftvoll wie die von Ella Fitzgerald, elegant wie die von Roberta Flack und funky wie die der jungen Tina Turner. Und so veredelt sie das neue, sechste Werk ihrer Formation The Dap-Kings, das übrigens "Give The People What They Want" heißt. Der naseweise Schlauberger in mir verrät euch, daß der Titel keine Replik auf einen Kinks-Song, sondern von einem 1975er-Phillysound-Klassiker der O´Jays ist. Spielt aber keine Rolle. Höhepunkt des Albums ist das famos groovende "Making Up And Breaking Up (And Making Up And Breaking Up Over Again)", das so tief daherkommt, daß es fast ein Hit auf einem Soul-Allnighter sein könnte, wenn es alt und nicht "vintage designed" wäre. Ach, schön: Sharon Jones erzählt davon, daß wir immer wieder neu aufbrechen, um Liebe zu finden, und uns ihr möglichst so nähern sollen, daß der andere nicht das Hasenpanier ergreifen oder einen in den Harz bzw. die Hintere Schwärze im Ötztal kicken muß. Frei nach Heinz Erhardt, dem großen deutschen Soul-Mann, eben: "Verschwinde bitte rasch aus meinem Dunstkreis."
Glück hat man als Mann zum Beispiel nicht nur, wenn einem Sharon Jones nachts ein ehrlich gemeintes "Long Time, Wrong Time" in die Zelle singt, sondern man mit liebevollen Sätzen bedacht wird. Wer zum Beispiel als "knubbeliger geiler Königshengst" oder so bezeichnet wird, bei dem reimen sich Liebe und Triebe recht ordentlich. Wir anderen brauchen Sharon Jones, um aus unserer emotionalen Isolation herauszukommen, wenn wir denn Herz, Seele und Unterleib unserer/unseres Liebsten berühren wollen. Daß das durchaus etwas Zeit in Anspruch nehmen kann, wußten schon AC/DC: Eben "It´s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock´n´Roll)".
Nächste Woche präsentiere ich euch hier nicht nur meine Tips für die Oscars, sondern auch ein paar Ausblicke auf das Musikjahr 2014. Bis dahin bleibt ihr am besten, wie ihr seid, und laßt euch höchstens auf einer weichen Unterlage verbiegen. Ansonsten bekommt ihr nämlich noch Migräne ...
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
Sharon Jones & The Dap-Kings: "Making Up And Breaking Up (And Making Up And Breaking Up Over Again)"
Enthalten auf der CD "Give the People What They Want" (Daptone Records/Groove Attack)
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 17. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ina Müller.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 16. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Deine Freunde.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 15. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ava Vegas.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die sechste Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Elvis Costello.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die fünfte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Lana Del Rey.
Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die vierte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Charlotte Brandi & Dirk von Lowtzow.
Kommentare_