Kolumnen_Miststück der Woche III/20

Solange: "Losing You"

Bilden Sie einmal einen Satz mit "solange" ... Der von Manfred Prescher geht so: "Solange Knowles hat einen echten Hit im Gepäck, und hierzulande merkt das keiner". Aber das ändern wir ja nun.    11.02.2013

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch daran, wie das damals im Mittelalter war. Schweren Herzens verabschiedete sich Ritter Hadubrand von seiner schönen Kunigunde, zog ins Heilige Land und ward darob sehr verzweifelt. Denn obwohl er sich schon als junger Mann aufmachte, durfte er nicht erwarten, zurückzukehren, bevor ihn Gicht und Impotenz einholten. Die blaue Pille aus den Laboren von Pfizer gab es ja damals noch nicht. Oder man denke an den edlen Recken Widukind, der sich mutig und tapfer auf den langen Weg machte, die Angebetete zu retten. Die war am höchsten Berg angekettet, ein Höllenfeuer umgab das Mädel, und ein fieser Drache bewachte sie. Wen das an "Django Unchained" und Dr. Schultz´ ebenso schräge wie falsche Zusammenfassung von "Siegfried und Brunhilde" respektive des Nibelungenliedes erinnert, der hat recht. Genau hier habe ich geklaut, so wie es Quentin Tarantino ja auch tut. Am Ende des Films hat Django jedenfalls alle dahingemetzelt, um seine Herzensdame zurückzuholen, und hält schließlich seinen "kleinen Troublemaker" im Arm.

Wer mit wachen Augen über Deich oder Hochebene schlendert, hat natürlich mitbekommen, daß es heutzutage keine Ritter mehr gibt, daß Männer eher selten um die Gunst irgendwelcher Herzensdamen kämpfen und Django logischerweise auch nur von einem recht guten Hollywood-Schauspieler dargestellt wird. Man kauft ihm zumindest ab, daß er schneller zieht als alle Schatten der Vergangenheit. Und während Hadubrand und die anderen edlen Rüstungsträger vor grauer Vorzeit auf dem Weg in die weite Welt traurige Minnelieder sangen, können Abschieds-Songs heute durchaus auch fröhlich sein. So hüpft zum Beispiel Solange Knowles, die Schwester von Beyoncé, bekannt aus Film, Funk und von Destiny´s Child, durch "Losing You". Das hübsche Lied geht eher ins Ohr als ins Herz und ist so schwungvoll, daß man beim Anhören unweigerlich denkt, wie schön es doch sein kann, jemanden zu verlieren. Wenn die Ritter das nur damals schon gewußt hätten, hätten sie wohl weniger traurig den Holzweg beschritten und sich auf den Kreuzzug gemacht. Leider hätte Django seine "Broomhilda" dann auch nicht zu retten brauchen, denn wozu der Aufwand, wenn man doch froh ist, den Troublemaker los zu sein ... Und wir? Wir hätten auf das Comeback des Italowestern verzichten müssen.

 

"Losing You" erschien übrigens bei Chris Taylors feinem New Yorker Label Terrible Records und ist ein geschmackvoller kleiner Energiestoß, der Django eher zu neuen Ufern aufbrechen hätte lassen. Getreu dem Motto "Man muß auch vergessen können - und zwar sofort" tobt Solange Knowles durch die Kulisse ihres Videos. Der Filmclip dazu wurde in den Townships von Kapstadt/Südafrika aufgenommen, die nicht gerade eine "Location" für zukünftige Urlaube sind. Was die Texanerin Solange Knowles uns mit dieser Ortswahl sagen will, bleibt ihr Geheimnis, wahrscheinlich sind die Hotels da besonders preiswert. Auch der Stapel an alten Matratzen, den sie extra für YouTube und uns auftürmt, verströmt als Botschaft höchstens die, daß man darauf weder schlafen noch "kuschelmuscheln" möchte - aus Angst vor Sackratten und noch schlimmerem Getier, das einen dann anknabbern könnte.

Bevor es zu eklig wird, gebe ich kurz den Seelendoktor von Beyoncés jüngerer Schwester (oder auch für die Hot-Pants-Lady im Video): Vielleicht steht der Matratzenhügel für deren "abgelegte" Männer? Dann sehen die echt ziemlich alt aus. Vielleicht ist alles aber ganz anders, und man sollte einfach nicht so viel in einen Popsong hineininterpretieren. Die Sammlung alter Kofferradios stellt aber hoffentlich nicht die Stimmen in Solanges Denkmurmel dar - weil dann könnte es im Lockenkopf der begabten Sängerin recht unruhig zugehen. Was allerdings erklären würde, warum auch die Männer im Video drei Kreuze machen und zu "Losing You" tanzen wie seinerzeit die Apachen um das goldene Kalb. Schön ist der Song trotzdem. Ach, man kriegt ihn einfach nicht mehr raus, bei mir geistert das Ding schon "Solange" im Hirnkasterl rum, daß mir echt ganz schwummerlich wird davon! Wenn es gerecht zuginge in dieser unserer Musikwelt, dann würde es das Lied via YouTube doch noch in die Charts schaffen. Dort gehört es nämlich hin. Habt Ihr das begriffen, meine lieben Troublemaker zwischen Klagenfurt-Annabichl und Flensburg-Jürgensby?

Nächste Woche werde ich hier über "Heaven" von Depeche Mode schreiben. Wie himmlisch der Song ist, verrate ich euch dann. Also gehet hin und tut, was immer ihr tun müßt. Und wenn ihr unterwegs auf Django trefft, dann merkt euch, daß das "D" am Anfang nicht mitgesprochen wird. Sonst wird der große Troublemaker böse. Was ihr aber tun müßt, wenn ihr dereinst mir begegnet, ist eine andere Geschichte. Die erzähle ich dann im nächsten "Miststück" - großes Kolumnisten-Ehrenwort.

 


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER


Manfred Prescher

Solange: "Losing You"

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Enthalten auf der CD "True"

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