The Priscillas - Superhero
(ein Album ist noch nicht erhältlich)
Dirty Water/Import (GB 2007)
Gegen diese rüden Mädels wirken die Pipettes wie brave und züchtige Teenager. Doch in Sachen Charme sind beide Girl-Groups einander absolut ebenbürtig - findet zumindest Manfred Prescher. 10.09.2007
Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.
Manchmal passieren Sachen, die sich niemand erklären kann. Es ist wie verhext. Das muß auch die Londoner Band The Klaxons gedacht haben, als sie erfuhr, daß auf der B-Seite der ersten 500 Exemplare ihrer Seven-Inch-Single "It´s Not Over Yet" ein unbekanntes Lied einer anderen Gruppe zu finden war. Im Zuge der Recherche stellte sich heraus, daß es sich um den Song "Y.O.Y" der Priscillas handelte - was natürlich immer noch nicht erklärt, wie das passieren konnte. Wahrscheinlich waren doch Hexen am Werke, vielleicht sogar die britischen Trash-Ladies selbst. Zuzutrauen wäre es ihnen. Die Klaxons trugen es mit Fassung, da der falsche Song richtig gut ist: Power-Gitarre und ein Sound, der wie ein Klon aus Pipettes und den längst verblichenen Runaways um Lita Ford und Joan Jett klingt.
Die Ladys sehen auch so aus, als seien sie die Straßenköterversion der Genannten. Und dann die Namen: Jenny Drag, Guri Go-Go, Kate Kannibal und Hege Hotpants - das klingt doch förmlich danach, als würden die vier auf dem Besen über das britische Äquivalent des Blocksbergs fliegen. Ein Faible für düstere Gegenden und finstere Gestalten haben die vier auf jeden Fall. Schließlich hieß ihr erster kleiner Hit "All My Friends Are Zombies". Und mit dem Namen Priscilla wird man entweder Familienmitglied bei den Munsters oder Ehefrau von Elvis Presley, was in etwa auf dasselbe hinauslaufen dürfte.
Auf der aktuellen Single der Priscillas ist natürlich kein Klaxon-Song zu finden, sondern das bereits bewährte Untergrund-Kampfmittel "Y.O.Y." - ein starker Track, aber nicht so catchy wie "Superhero", das mit seinem simplen New-York-Dolls-Riff und einer perfekten Melodie sofort kraftvoll zubeißt. Nebenbei: Sollten sich die Priscillas wirklich nach der Exgattin des King benannt haben, paßt der Song-Titel perfekt. Denn Elvis war ein ausgesprochener Fan aller Marvel-Helden. Ob er allerdings die schmutzigste Variante des Girl-Group-Schemas lieben würde, wage ich zu bezweifeln.
Aber das ist auch eine ziemlich hypothetisch-wurschtige Frage. Hauptsache ist doch, daß mir diese Pop-Perle aus rosa Plastik gefällt - und das tut sie, obwohl mir natürlich klar ist, daß die Priscillas weder das Rad, geschweige denn die Rock-Mülltonne erfunden haben. Die Gitarren-Breitseite ist nicht erst seit den Ramones bewährt, und die Melodie von "Superhero" animiert hauptsächlich deshalb sofort zum Mitsingen, weil man meint, daß man sie mindestens schon bei den wesensverwandten Pipettes oder gar in den weit entfernten Sixties gehört hat.
Gut vorstellbar ist, daß Peter Parker mit diesem musikalischen Energiestoß durch die Häuserzeilen von New York schwingt. Andererseits paßt der Song besser zu Bösewichten wie Dr. Doom - denn er tönt so unverschämt böse, daß man als ehrbare Tante May oder als braver Familienvater den männlichen Nachwuchs davor warnen muß. Die unausgesprochene Botschaft von "Superhero": "Bei uns kommst du garantiert unter die Räder, aber immerhin wirst du Spaß dabei haben". Überstehen können das wahrscheinlich nur Helden mit Superkräften. Für den Otto Normalschwächling bleibt das Lied - und die Hoffnung auf ein Album mit weiteren Gute-Laune-Hits aus der Hexenküche. Wie wäre es mit einem Song auf der B-Seite der nächsten Oasis-Single? Der würde garantiert einschlagen wie eine "Champagne Supernova".
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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