The Beasts Of Bourbon - Little Animals
Albert Music/Rough Trade (Australien 2007)
Eine tiefe, mit allen hochprozentigen Wässerchen gewaschene Stimme - so dankt Tex Perkins für ein Leben voller Exzesse. Manfred Prescher findet diese 3:15 Minuten "wild life" richtig gut. 27.08.2007
Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.
Was für ein Glück, daß mich die katholische Kirche doch nicht zum Führer der Anti-Drogen-Kongregation gekürt hat und ich auch nicht zum Bundesjugendminister gewählt wurde. Dann nämlich hätte ich ein ernsthaftes Problem mit dem Australier Tex Perkins. Der hat zwar in seinen bisherigen knapp 43 Lebensjahren jede Menge wunderbarer Musik an der Nahtstelle von Blues, Country und Rock gemacht, sich gleichzeitig aber auch in Wort, Schrift, Bild, Ton und Realität allen nur erdenklichen Drogen hingegeben. Der Mann dürfte schon aus medizinischen Gründen nicht mehr unter uns weilen. Er hat mehr Giftzeug in sich aufgenommen als so mancher Jimmy vor ihm. Das hört man ihm natürlich auch an: Seine Stimme klingt nach verdammt viel Leben, schwächelt aber nicht.
Menschen wie Tex Perkins taugen nicht zum Vorbild für eine Jugend, die möglichst fit und ohne Exzesse aufwachsen soll. Wäre ich in einer verantwortlich fürsorgenden Position, dann müßte ich etwas geißeln, was mir ausgezeichnet gefällt: "Thanks" von den Beasts Of Bourbon. Und weil es nicht das einzige Stück in der langen Karriere von Perkins ist, das sich mit Drogen beschäftigt, müßte ich wahrscheinlich das Gesamtwerk der Beasts, von Cruel Sea oder auch von Tex, Don & Charlie wegsperren. Das hätte freilich was, weil ich dann nicht umhin käme, mich nächtens mit meinen Geheimbundfreunden in meine Gemächer im Apostolischen Palast zurückzuziehen, um dort die sinistren, nicht eben lebensbejahenden Lieder aus Skippy-Land anzuhören. So ungefähr muß es Josef Ratzinger mit dem fünften bis hundertsten Evangelium gemacht haben.
Für die paar dürren Zeilen von "Thanks" und das dahinterstehende gelebte Leben müßte Tex, so er denn gläubiger Katholik wäre, nach der Beichte so lange und intensiv Buße tun, bis sich ein Dutzend Rosenkränze in ihre Bestandteile auflösen und die Perlen über den Boden kullern. Aber wahrscheinlich ist er nicht einmal Christ - und wenn er sich einer Glaubensgemeinschaft anschließen müßte, dann am ehesten dem Orden der Trinkwüdigen Radaubrüder des Heiligen George Dickel. Sein Dank gilt indes keinem uns bekannten Oberhirten oder gar der Mutter Gottes, sondern einer nicht näher genannten Frau, die höchstens wie ein Engel aussieht, aber keiner ist. Mit der hatte er auf jeden Fall eine schöne Phase. Daß sie ihn auf den Pfad der Untugend geführt hat, steht fest: "Thanks for showin´ me a real cool time. Thanks, thanks, thanks", raunzt er ins Mikrofon, daß selbst der längst über den Regenbogen gestolperte Country Dick Montana vor Neid erblassen würde.
Dabei beginnt alles ganz harmlos: Perkins bedankt sich für "das Wasser". Schließlich weiß der Wüstenfuchs, wie trocken es in der Gibson-Sandhölle zugeht und was Durst bedeutet. Aber schon im zweiten Halbsatz geht er zu Wein über, wechselt dann zu Whiskey und Bier. Dazwischen hat es ohrenscheinlich ein paar Probleme in der Beziehung des bacchanalisch-lüsternen Paares gegeben, denn er bedankt sich für das gebrochene Herz und die Tränen, die er zwischen zwei Shots und einigen Bierchen in die Gläser vergossen hat. Aber die beiden reißen sich am Riemen, bestellen noch einige Drinks und gehen dann zu Marihuana und Haschisch über. Brav bedankt er sich also auch für das gemeinsame Wegrauchen des halluzinogenen Grün- und Braunzeugs und anderem, was sich bewußtseinserweiternd in Rauch auflösen läßt.
Allgemein gelten ja Cannabisprodukte als Einstiegsdrogen. Wenn wir Tex Perkins glauben, ist das - zumindest in seinem Fall - auch wirklich so. Irgendwann bringen es die Joints nicht mehr, und so wird munter alles ausprobiert: Acid, Ecstasy, Methamphetamin ("howee!"), Heroin und Kokain sowie alles, was die Pharmaindustrie zum Betäuben anbietet. Er betont die Worte nicht zynisch oder verletzt, nicht rückblickend bereuend, sondern eher so, als ob ihm die Zeiten durchaus gefallen hätten. Natürlich sind sie vorbei, die Lebensphase ist abgeschlossen - das will uns das Beast im Songwriter zumindest weismachen. Aber wir glauben es ihm nicht. "Thanks" ist das finale Stück der aktuellen Beasts-Of-Bourbon-CD "Little Animals", womit wahrscheinlich weiße Mäuse gemeint sind. Und es erinnert von der Instrumentierung wie auch vom Text her an einen anderen Abschluß-Track, nämlich an "Good-bye Friends" vom 91er-Meisterwerk "The Low Road". Dieser Grabgesang richtete sich direkt an die Hinterbliebenen - mit Zeilen wie "Goodbye my friends, you disappoint me/You´ve all grown old and become junkies".
Und was ist passiert? 16 Jahre später lebt Tex Perkins immer noch und ist einer von denen geworden, von denen er sich einst verabschiedet hat ... Ein Vorbild für die Jugend ist er nicht, aber ich bedanke mich trotzdem für sein Lied: "Thanks for givin´ me a real cool song. Thanks, thanks, thanks."
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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