Musik_CD-Tips der Woche

Zurück in der Gegenwart

Bestialische Buben, funkige Damen und depressive Workaholics wechseln sich diesmal auf den Plattentellern und in den CD-Laufwerken ab: alles unbedingt hörenswert.    29.06.2007

Manfred Prescher

Marva Whitney - I Am What I Am

ØØØØ

Groove Attack (USA 2007)


Funk-Ladys hatten es früher richtig schwer - vor allem, wenn sie im mächtigen Schatten von Godfather Brown agierten. So erging es zum Beispiel Lynn Collins, Vicki Anderson, Yvonne Fair oder eben auch Marva Whitney. An Talent und Gespür für den perfekten Groove mangelte es "JB´s Funky Divas" nie, aber das Ruhm-Einstreichen war definitiv Männersache.

Darunter litt auch Betty Davis, die Gattin von Miles Davis. Deren mit Musikern unter anderem von Sly & The Family Stone aufgenommene erste Alben "Betty Davis" und "They Say I´m Different" waren textlich und musikalisch auf höchstem Niveau mutig - und floppten. Nun aber sind sie endlich als CD erschienen und warten auf ihre verdiente Entdeckung. Warum das hier erwähnt wird? Weil Marva Whitneys "Karriere" ebenso auf steinigem Boden verlief und daher weitgehend fruchtlos blieb. Und weil die mittlerweile 63jährige, wie Betty D., zu Unrecht nur einem echten Hardcore-Fan-Zirkel bekannt ist. Schön wäre es, wenn sich das mit der neuen CD ändern würde. Die Platte ist natürlich herrlich altmodisch, der Baß slapt und die Rhythmusabteilung groovt wie damals in den frühen 70er Jahren. Daß das nicht altbacken, sondern taufrisch klingt, liegt an der punktgenauen Produktion und Marvas immer noch dynamischem Gänsehaut-Organ. Inhaltlich sind die Songs typisch für einen weiblichen Funkateer: In "It´s Her Thing" betrachtet sie einen Text von 1969 ("It´s My Thing") erneut. Am Thema "Soulsisters (Of The World Unite)" haben sich schon Bernadette Cooper oder Aretha Franklin versucht; "Every Little Bit Hurts" ist ein Stück Lebensweisheit; und das in gewohnter JB-Manier zweiteilige Titelstück ist so trotzig-selbstbewußt wie Gloria Gaynors "I Will Survive". Den Übervater hat Marva ja ohnehin schon erlebt ...

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The Beastie Boys - The Mix-Up

ØØØ

EMI (USA 2007)


Mit den Herren Yauch, Diamond und Horovitz verhält es sich wie mit Charlie Brown: Kommt ein neues Album, möchte man "Ach, die guten, alten Beastie Boys!" rufen - und sich an einer weiteren komplexen Sound-Mixtur erfreuen. Die gibt´s auf der ersten CD seit der 2004er-Wundertüte "To The 5 Boroughs" natürlich auch. Ein Wermutstropfen ist jedoch, daß die Beasties völlig darauf verzichten, mit Raps für zusätzliche Dynamik zu sorgen. Insofern erinnert "The Mix-Up" an "The In Sound From Way Out!" von 1996; allerdings besteht das neue Instrumentalwerk komplett aus neuen Tracks - und die sind relativ chillig geworden.

"Electric Worm", "The Gala Event" oder "The Cousin Of Death" kann man also wirklich prima als musikalische Absacker nach durchzechter oder -tanzter Nacht verwenden. Die Vielfalt der Sound-Ideen erschließt sich freilich erst bei genauerer Beschäftigung. Und genau dafür hätten wir den hektisch-aufgewühlten Sprechgesang des New Yorker Trios gebraucht: als Konzentrationsstütze sozusagen. So schafft es wahrscheinlich niemand, das Album komplett und auf gleichbleibendem Aufmerksamkeitsniveau zu hören. Trotzdem schön, daß die guten, alten Beasties wieder da sind!

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Ryan Adams - Easy Tiger

ØØØ

Universal Music (USA 2007)


Ryan Adams ist ein manischer Workaholic mit Hang zu depressiven Texten. Über seine Überflutung der Welt mit einer unüberschaubaren Zahl an Veröffentlichungen und traurig-verhangenen Songs war bereits im "Miststück" Nr. 11 zu lesen. Diese doch eher liebevolle Kritik aus dem Jahre 2005 hat sich der Mann aus Jacksonville/North Carolina scheinbar zu Herzen genommen und seit damals eigentlich nur die - gelungene - CD "Songbird" für Willie Nelson produziert und mit den Cardinals eingespielt. Allmählich wird es also Zeit für ein neues Adams-Werk - und dem Vernehmen nach soll die vorliegende CD binnen kürzester Frist einen oder mehrere Nachfolger erhalten.

Bleiben wir aber bei "Easy Tiger": Auf der Platte wird er ebenfalls von den Cardinals begleitet und bietet Lieder im Spannungsfeld von Buffalo Springfield, Willie Nelson oder Gram Parsons, mit Rock- und Pedal-Steel-Guitar. Nichts Neues also - und auch nicht in jedem der 13 Songs wirklich zündend. Oft aber eben doch. So zum Beispiel in "Oh My God, Whatever Etc." oder dem von den Konzerten her bekannten "Off Broadway". Absoluter Höhepunkt ist dann das Finale "I Taught Myself How To Grow Old", das beste Stück "Harvest", das auf Neil Youngs LP seinerzeit nicht zu finden war.

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