Musik_CD-Tips KW 14/08

Klänge für die Konsole

Drei mal echte Superstars und keine Bohlen-Kasperln: Zweimal ist der Sound auf alt getrimmt, einmal gibt´s eine Frischzellenkur für einen rüstigen Opa.    04.04.2008

Manfred Prescher

The Raconteurs - Consolers Of The Lonely

ØØØØ

XL Recordings/Beggars Group (USA 2008)

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Da hockt man spätabends vor dem Bildschirm und spielt "Halo". Man ist allein zwischen virtuellen Bösewichtern und Aliens. Der einzige Bezugspunkt ist der Sound, den man aufgelegt hat, weil der Daddel-Score langweilig geworden ist: "Consolers Of The Lonely", die zweite CD von Jack Whites Zusatzprojekt The Raconteurs - und genauso bluesig wie seine White Stripes. Ein wenig rockiger vielleicht, auch straighter als der Vorgänger "Broken Boy Soldiers". Daher ist sie genau der richtige Adrenalinschub für nächtliche Soloaktivitäten. Wären "Salute Your Solution", "Hold Up" oder das Titelstück langsamer, käme wahrscheinlich Verzweiflung zum Vorschein, so aber klingen die meisten Songs trotzig und kräftig. Selbst im Midtempo-Bereich, also bei "Switch And The Spur" oder "Top Yourself", sind White und seine Mitstreiter Brendan Benson, Patrick Keeler und Jack Lawrence mit Schmackes bei der Sache. Das zweite Bluesrock-Gewitter der Raconteurs kann mit dem guten Debüt locker mithalten und bietet sogar rund 20 Minuten mehr Musik auf gleich hohem Niveau.

Links:

Udo Lindenberg - Stark wie zwei

ØØØ 1/2

Warner (D 2008)

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Eines schon mal vorweg: Daß ich die Jahre der Adoleszenz überstanden habe, liegt zum Großteil an Udo Lindenberg. Dafür bin ich ihm auf ewig und drei Tage dankbar, muß aber trotzdem nicht zwanghaft in die derzeitige Lobhudelei um das neue Album einfallen. Sicher ist aber, daß es Udos bestes Werk seit Jahrzehnten ist - und daß er es damit geschafft hat, sich im Greisenalter von knapp 62 Jahren vor Grönemeyer und Co. zu positionieren, ist irgendwie schön.

Aber gehen wir ins Detail: Udo singt über die alten Themen, über Freundschaft ("Wenn du durchhängst"), sein Leben als ewiger Detektiv ("Chubby Checker"), über Alkohol ("Woddy Woddy Wodka") und das mit einer gut abgehangenen Lindenberg-Stimme. Was schon verwundert, denn zuletzt klang er wie ein mittelmäßiger Udo-Imitator - da war Helge Schneider der deutlich bessere. Übrigens: Der Mülheimer tobt gemeinsam mit Lindenberg durch "Chubby Checker", weil auch "00 Schneider" ein Detektiv von altem Schrot und Korn ist.

"Stark wie zwei" ist von Andreas Herbig unspektakulär und richtigerweise völlig ohne 80er-Jahre-Stadionrock-Brimborium umgesetzt worden, sodaß die Platte nicht altbacken wirkt. Richtig schlecht ist nur "Der Deal", was aber nicht an der Beteiligung von Silbermond liegt. Bleibt das Fazit: Die späte Ernte sei Udo von Herzen gegönnt, aber als Lebensretter für Jugendliche eignet er sich nicht mehr.

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R.E.M. - Accelerate

ØØØ

Warner (USA 2008)

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Beim ersten Hören verwundert "Accelerate": Man glaubt, in Zeiten zurückgebeamt zu werden, in denen das SST-Label und Bands wie Hüsker Dü oder Firehose noch als Hoffnungsbringer gehandelt wurden. Aus dieser Ära stammen auch R.E.M., und ihr neues Werk ist eindeutig als Rückbesinnung auf weniger weichgespülte Phasen zu erkennen. Es klingt garagig und verhältnismäßig Lo-Fi, aber doch gut konsumierbar. Möglicherweise setzen sich Stipe, Buck und Mills damit zwischen alle Stühle? Man wird sehen, wie noisig verzerrte Gitarren bei der breiten Masse ankommen, da R.E.M. genau die erreichen muß.

Nachdem das aber mit dem eher unspektakulären Vorgänger "Around The Sun", dem in den USA am schlechtesten verkauften Album seit dem 88er-Werk "Green", nicht gelungen ist, versucht es das Trio nun deutlich heftiger. Innerhalb des Gesamtwerks ist "Accelerate" trotzdem nur Mittelmaß, doch es enthält ein paar Stücke, die zeigen, wozu die Band aus Athens fähig ist: "Sing For The Submarine", eine schöne Komposition, die auch zu "Automatic For The People" gepaßt hätte, die Ballade "Hollow Man" oder das rhythmisch vertrackte "Horse To Water" stehen allerdings auch einigen sehr beliebigen Stücken ("Until The Day Is Done", "Supernatural Superserious") gegenüber.

Links:

Kommentare_

Johnny - 04.04.2008 : 17.34
nur leider hat 'Consolers' mit Konsolen nix zu tun. (to) console, trösten ;)
cp - 06.04.2008 : 11.57
vielleicht einfach den ersten text noch mal genau lesen ... hilft bestimmt.
Georg - 09.04.2008 : 20.11
Das Beispiel mit dem nächtlichen Daddeln passt doch wie der Arsch auf den Deckel zur wörtlichen Bedeutuung von Consolers. Ich hätte allerdings die Platte besser bewertet, aber die Geschmäcker sind verschieden.

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