David Foster Wallace: Unendlicher Spaß
ØØØØØ
Infinite Jest
Kiepenheuer & Witsch (D 2009)
auch als Hörbuch erhältlich
Haben Sie wirklich gedacht, daß ihr bisheriges Leben Sie ausgefüllt und befriedigt hat? Dann haben Sie diesen legendären Roman noch nicht gelesen. Bereits 1996 erschienen und von der Kritik gefeiert, dauerte es - nicht zuletzt wegen des komplexen Satzbaus - zwölf Jahre, bis er auf deutsch herauskam. Es war höchste Zeit. 25.11.2010
Wir befinden uns im Nordamerika der Zukunft: Die USA sind mit Kanada und Mexiko zur O.N.A.N.T.A. fusioniert (ja, das ist eine ordinäre Anspielung).
Aber keine Angst, von Science Fiction keine Spur: Tennis ist nach wie vor ein beliebter Volkssport, das Leben wird noch immer durch Drogen erträglicher gemacht, und auch Filme sieht man sich immer noch an. Jedoch nicht mehr auf DVD oder Blue Ray, sondern auf Patronen.
Inmitten der drei Handlungsstränge, die sich um die junge Nachwuchs-Tennishoffnung Hal, den Ex-Alkoholiker Don Gately und einen ziemlich gefährlichen Separatisten im Rollstuhl drehen, taucht plötzlich eine Filmpatrone auf, deren Inhalt einen so glücklich und zufrieden macht, daß man ihn bis an sein Lebensende sehen will, unfähig, sich vom Bildschirm abzuwenden. Nach einigen Minuten geifert man vor Lust, nach einigen Stunden hat man sich bereits in die Hose gepinkelt, und nach ein paar Tagen ist man verdurstet. Klingt traurig? Ist es aber nicht, da man beim Ansehen dieses Films eine solche Zufriedenheit spürt, daß ein Leben nach diesem Film gar nicht mehr möglich wäre.
Im wesentlichen dreht sich das Buch also um Sucht: Der junge Hal kifft, als gäbe es kein Morgen, und Don Gately versucht, sich mit den täglichen Leidensgeschichten ehemals Süchtiger bei den Treffen der Anonymen Alkoholiker zu identifizieren, um irgendwie einen weiteren Tag nüchtern schaffen zu können.
Über den Gestalten schwebt ständig das Damoklesschwert in Form der gefährlichen Filmpatrone, die - da sie vervielfältigt wurde - in ihrem Umfeld Opfer fordert.
Wer David Foster Wallaces 1500-Seiten-Schinken"Unendlicher Spass" (der schon am Cover mit einem Rechtschreibfehler auffällt, weil es immer noch "Spaß" heißt, auch in Neuer Blödschreibung; Anm. des Teilzeit-Textchefs) jetzt für harte, tiefenpsychologisch und politisch gewürzte Kost hält, liegt falsch: Teilweise sind die Schicksale der Personen so tragisch und komisch zugleich, daß man den Brocken von einem Buch vor Lachen kaum mehr halten kann; großteils staunt man über das schier unbegrenzte Wissen des Autors, dem man zutraut, sich sein ganzes (und durch Selbstmord viel zu kurzes) Leben lang mit Fachzeitschriften und Enzyklopädien eingesperrt zu haben.
Ich würde gerne eine uneingeschränkte Leseempfehlung für "Unendlicher Spaß" (das heißt ab jetzt so) abgeben. Aber es gibt da ein Problem: Das Buch hat, wie die beschriebene Filmpatrone, einen gefährlichen Suchtfaktor.
Ich habe es etwa zur Hälfte in der U-Bahn gelesen. Es zog mich derart in seinen Bann, daß ich die Mitfahrenden (ja, das sind die in ihre Handys plärrenden, rülpsenden und furzenden Menschen, die mittlerweile in Wien wohnen ...) nicht mehr mitbekam. Stellen Sie sich vor: Ich fuhr gerne U-Bahn! Zur Stoßzeit! Ich wollte gar nicht mehr aussteigen, solange ich bloß weiterlesen konnte; ich kenne mittlerweile alle Endstationen. Ich habe mir Nächte mit dem Buch um die Ohren geschlagen, um zu erfahren, wie es mit den Figuren weiterging; sogar meine Arbeit habe ich dadurch vernachlässigt.
Und als es zu Ende war, fühlte ich eine selten dagewesene Leere.
Was tun? Ich habe das Zusatzmaterial gekauft und in einer Nacht verschlungen, mir auf YouTube David Foster Wallaces Videos angeschaut ... aber zu Ende ist zu Ende. Also ein neues Buch anfangen. Ich habe es mit Franzen probiert, mit Rilke, habe versucht, mich wirklich darauf einzulassen. Es hilft nichts.
Um es in der Wortwahl der Anonymen Alkoholiker auszudrücken: "Mein Name ist Ildiko, und ich bin süchtig."
Genießen sie das Buch also bitte mit Vorsicht.
David Foster Wallace: Unendlicher Spaß
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Kommentare_
Hallo!
Nur als kleine Ergänzung: Auf dem Cover findet sich kein Rechtschreibfehler. Der Titel steht dort in Großbuchstaben, und in solchen heißt es tatsächlich "SPASS" und nicht "SPAß".
Gruß, Daniel
@ Daniel: Ja, da haben Sie allerdings recht, das muß ich zugeben. Zu meiner Rechtfertigung darf ich allerdings sagen, daß ich traumatisiert bin, weil in meiner Stadt und vor allem auch in meinem Bezirk (aber eigentlich im ganzen Land) im Zuge des neuen Anschlusses so viele Piefke wohnen, daß ich das Wort "SPASSSSS" - und sie sprechen es wirklich mit ganz vielen "s" aus - nicht mehr hören und sehen kann. Aber trotzdem haben Sie recht.