Kriminelles Wien
Gerhard Loibelsberger - Mord und Brand
Gmeiner Tb. 2011
Hermann Bauer - Philosophenpunsch
Gmeiner Tb. 2011
Pierre Emme - Zwanzig/11
Gmeiner Tb. 2011
Andreas Pittler - Mischpoche
Gmeiner Tb. 2011
Auch dem Krimirezensenten passiert oft Unerwartetes - zum Beispiel die neue Lieferung des auf Regionalkrimis spezialisierten Gmeiner-Verlags, der in seinem aktuellen Programm gleich vier Genrevertreter aus Wien vorstellt. Da will der Autor dieser Zeilen seine Herkunft nicht verleugnen und stürzt sich ins Leseabenteuer ...
Gerhard Loibelsberger setzt seine Serie um den ebenso dicken wie findigen Inspektor Nechyba, der in den letzten Jahren der Monarchie ermittelt, mit dem Roman "Mord und Brand" äußerst erfolgreich fort. Diesmal jedoch stehen nicht Nechyba und sein Journalistenfreund Goldblatt im Mittelpunkt, sondern ein Duo infernal, das sich fast moritatenmäßig durchs alte Wien mordet wie das gutgelaunte Pärchen in "Natural Born Killers": Frantisek Oprschalek - ein ehemaliger Arbeiter, der in seinem privaten Kampf gegen den Kapitalismus die Besitzenden massakriert und ihre Häuser abfackelt - und sein Freund, der Berufvserbrecher Nepomuk Budka. Wie sich die beiden durch Hotels und Kaffeehäuser, Zimmermädchen und Vermieterinnen, Fabriken und Holzlagerplätze morden und brennen, das ist einfach wunderbar erzählt und beweist A., daß wir keine kindheitsgeschädigten Serienkiller aus den USA brauchen, weil wir selber bessere haben, und B., daß Gerhard Loibelsberger mit diesem Roman nicht nur den Regional-, sondern auch den historischen Krimi eigenhändig aus der Krise reißt, sodaß wir C. bitte mehr von ihm lesen wollen.
Hermann Bauer läßt in "Philosophenpunsch" wieder seinen Kaffeehauskellner Leopold aus Floridsdorf in Sachen Mord und Totschlag ermitteln; diesmal um die Weihnachtszeit, mit Liebesg´schichten und Familiensachen. Man merkt, daß Bauer von Buch zu Buch besser wird, stringenter erzählt und mehr Atmosphäre aufbauen kann - insofern ist seine Story um schlamperte Studentinnen und gescheiterte Häfenphilosophen wirklich liebens- und lesenswert, obwohl sie halt eher auf Stimmung setzt als auf Spannung.
Vom 2008 verstorbenen Pierre Emme erscheinen weiterhin regelmäßig Bücher, als würde er posthum eifrig weiterschreiben. Obwohl: Bei "Zwanzig/11", seinem Versuch eines in Österreich angesiedelten Polit-Thrillers, hat er sich eventuell etwas zu sehr von den Versuchungen im Jenseits ablenken lassen. Die Geschichte, wie sein Protagonist Max Petrark nach dem Autounfall des Bruders in ein globales Terrorkomplott à la 9/11 verstrickt wird, liest sich viel zu langatmig, hält sich ewig mit familiären und weltpolitischen Betrachtungen auf und hätte noch stark überarbeitet werden müssen.
Andreas Pittler liefert in "Mischpoche" 14 zum Teil durchaus witzige Stories um seinen Ermittler David Bronstein aus der Zwischenkriegszeit ab. Nur: Die versprochenen "Wiener Kriminalgeschichten" findet man hier leider nicht, sondern eher Vignetten um historische Ereignisse, bei denen der Polizist oft nur eine Statistenrolle spielt und kaum ermitteln darf. Man merkt, daß der Autor Politikwissenschaftler ist und sich in der Landesgeschichte auskennt - aber das Ergebnis ist dann doch mehr Schulfernsehen als Straßenfeger-Krimiserie.
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