Stories_EVOLVER-Literaturwettbewerb 2009/Die Nr. 1

Frederika und der kleine Zombie

Es kann nur einen geben. Der EVOLVER freut sich, die Kurzgeschichte zu präsentieren, die beim Zombie-Literaturwettbewerb am besten abgeschnitten hat. Im Anschluß daran finden Sie ein Porträt des Autors und Gewinners Sören Steding. So, aber jetzt - genießen Sie die Lektüre von "Frederika und der kleine Zombie".    14.06.2010

In einem tiefen Wald lebte ein kleiner Zombie auf einem alten, lange vergessenen Friedhof. Die Mauern waren schon vor Jahren eingestürzt, die meisten Gräber waren abgesackt, Wind und Zeit hatten viele der überwachsenen und verwitterten Grabsteine umfallen lassen. Der kleine Zombie war so groß wie ein Kind von vielleicht vier oder fünf Jahren, doch natürlich war er viel, viel älter. Weil Zombies aber nur bis drei zählen können, wußte er nicht, wie alt er wirklich war - was nicht weiter schlimm ist, weil Zombies ohnehin nie Geburtstag feiern.

Am Tag saß der Zombie in einem gemütlichen Grab, dessen halbe Grabplatte ihm wie ein Dach Schutz vor Sonne und Regen bot. Zombies mögen die Sonne nicht, weil sie sehr wenig und sehr empfindliche Haut haben und schnell einen Sonnenbrand bekom­men. In der Nacht fing der Zombie kleine Tiere, die sich zu nah an ihn herangewagt hatten. Obwohl Zombies nur sehr langsam gehen können, weil sie lange überlegen müssen, ob sie das linke oder das rechte Bein bewegen sollen, so können sie doch sehr, sehr schnell zupacken. 

Eine dicke, schwarze Fliege war der einzige Freund, den der kleine Zombie hatte. Doch der kleine Zombie war nicht traurig, da ein guter Freund tatsächlich mehr als genug ist für einen Zombie. Die Fliege hieß Frederika, doch für den kleinen Zombie war der Name viel zu lang. Deshalb nannte er sie nur Kaaaaah. Ab und zu legte Frederika ihre Eier in das faulige Fleisch des kleinen Zombies. Wenn dann die winzigen, weißen Maden aus den Eiern schlüpften und sich durch das Fleisch des kleinen Zombies bohrten und fraßen, dann kitzelte das den kleinen Zombie, und er mußte fast lachen.

Frederika war natürlich auch einmal eine Made gewesen, und weil sie viel vom Gehirn des kleinen Zombies gefressen hatte, konnte sie mit ihm sprechen und ihn verstehen. Wenn sie nicht durch den Wald flog, saß sie im linken Ohr des kleinen Zombies und erzählte ihm Geschichten. Und der kleine Zombie gab ihr immer etwas von seinem Essen ab. "Wir haben es sehr gut", sagte Frederika, "du bist stark und ich bin klug. Zusammen brauchen wir nie Angst zu haben." "Jaaaaah", sagte der kleine Zombie. Er hatte allerdings vergessen, was Angst ist.

An einem Tag im August, als die Sonne hoch am Himmel stand und die Schatten unter den großen Bäumen und den Grabsteinen kurz waren, hörte der kleine Zombie seltsame Geräusche im Wald. Er stand auf und blickte über den Rand des Grabes. Etwas entfernt, neben der einzigen Birke auf dem Friedhof, sah er ein paar Tiere, die er nicht kannte. Sie waren größer als er selbst und hatten kein Fell am Körper, sondern ganz glatte, glänzende Haut. Sie lagen aufeinander und bewegten sich hin und her. Dabei quiekten und stöhnten sie laut. Dem kleinen Zombie schien es fast, als wollten sie ihm etwas sagen. Doch es fiel ihm schwer zuzuhören, denn der Duft dieser Tiere war betäubend süß. So etwas Schönes hatte er noch nie gerochen. Zombies brauchen nicht zu atmen, haben aber einen sehr feinen Geruchsinn. Gierig saugte er die Luft in sich ein: frisches, bebendes Fleisch, herrlich würzige Schweißtropfen auf weicher Haut, süßes, saftiges Gehirn, dazu ein Hauch von Blut und Samen.

"Waaaaah?" fragte der keine Zombie. Frederika hatte ein kurzes Nickerchen gemacht und flog erschreckt auf. Sie drehte eine kurze Runde über den Friedhof und kehrte dann zum kleinen Zombie zurück. "Das sind Menschen", sagte sie. "Sie leben am Rand des Waldes. Sie sind groß und gefährlich. Sie fressen Fliegen." Der kleine Zombie fühlte einen großen Hunger in sich, ein Verlangen, diese Tiere ganz und gar zu verschlingen. Er konnte sich nicht daran erinnern, schon jemals so gefühlt zu haben. Er wollte aus dem Grab steigen, trotz der stechenden Sonne, doch er war so aufgeregt, daß es viel zu lange dauerte. Als er endlich oben war, waren die beiden Menschen wieder weg. Sie hatten allerdings eine Decke zurückgelassen, die wunderschön nach ihnen roch, und der kleine Zombie nahm die Decke mit zurück in sein Grab.

Die nächsten Tage konnte der kleinen Zombie nichts anderes tun als an der Decke riechen. Dabei stellte er sich vor, wie schön es wäre, das weiche, zarte Fleisch dieser Menschen zu fressen, und er biß in die Decke und kaute so lange an ihr herum, bis kaum etwas von ihr übrig war. Frederika machte sich Sorgen um ihren Freund und fühlte, daß er traurig war. Deshalb dachte sie lange nach und hatte eine tolle Idee: "Ich weiß, wo die Menschen wohnen. Wir können in zwei Nächten am Rand des Waldes sein. Und ich werde dir helfen, einen Menschen zu fangen. Denn ich bin klug und du bist stark, und zusammen brauchen wir keine Angst zu haben." "Jaaaaaaah", sagte der Zombie.

Am nächsten Abend stieg der kleine Zombie aus seinem Grab. Er nahm in eine Hand den kaputten roten Regenschirm, den der Wind vor langer Zeit während eines Sturmes auf den Friedhof geblasen hatte, und in die andere Hand seine kleine, scharfe Axt, die er in den Ruinen des Friedhofwärterhäuschens gefunden hatte. Dann ging er langsam der Fliege Frede­rika nach, die ihm voranflog und so die Richtung wies. Er ging die ganze Nacht und sogar einen Teil des Morgens, bis die Sonne zu heiß wurde. Dann suchte er sich ein schattiges Plätzchen unter einem umgestürzten Baum und verbarg sich hinter dem roten Regenschirm. Als die Dämmerung hereinbrach, machten sich die beiden wieder auf den Weg, den Frederika zuvor ausgespäht hatte. Abermals ging der kleine Zombie die ganze Nacht, doch er kam nur langsam voran, da überall auf dem Boden knorrige Wurzeln waren, an denen sich die kleine Axt verfing, die der Zombie hinter sich herschleifte. "Greif die Axt nicht am Stiel, sondern an der Klinge", sagte die Fliege, "dann kannst du sie leichter tragen." Es dauerte eine Weile, bis der Zombie verstanden hatte, was Frederika meinte, aber danach war die Reise viel einfacher.

Als der nächste Tag anbrach und die Tautropfen neckisch im Licht der frühen Sonne glänzten, erreichten sie einen geteerten Weg, der sich durch den Rand des Waldes schlän­gelte. Der kleine Zombie wurde ganz aufgeregt, weil es hier deutlich nach Menschen roch. "Verstecken wir uns hier hinter diesem Baum", sagte Frederika, "und wenn ein Mensch vorbeikommt, greifst du ihn dir." "Jaaaaaahaha", sagte der kleine Zombie.

Doch es war nicht so einfach, wie sie gedacht hatten. Die Menschen waren schnell. Die meisten liefen flink an ihnen vorbei, bevor der Zombie überhaupt den Weg betreten hatte. Einige waren so geschwind auf ihren Fahrrädern unterwegs, daß der kleine Zombie sie erst sah, wenn sie vorbeigefahren waren. Einmal stellte er sich sogar mitten auf den Weg, aber eine Gruppe von Fahrradfahrern klingelte nur aufgeregt und fuhr um ihn herum, nicht ohne ihm dabei viele Wörter zuzurufen, die selbst Frederika nicht kannte. Frustriert setzte sich der kleine Zombie auf einen großen Stein. "Keine Angst", beruhigte ihn Frederika. "Ich werde ein paar Menschen finden, die leichter zu fangen sind." Und flugs erhob sie sich in die Lüfte und verschwand zwischen den Bäumen.

Zombies haben kein gutes Gefühl für Zeit, deshalb merkte der kleine Zombie nicht, daß Frederika schon nach wenigen Minuten wieder zurückkam. Für ihn hätten es auch fünf Stunden sein können. "Komm mit, komm mit", rief sie nur ganz aufgeregt, und der kleine Zombie folgte ihr, wobei er sich bemühen mußte, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Sie führte ihn an einen Zaun, der an den Wandrand grenzte. Ein kleiner Mensch, ein Junge, spielte auf der anderen Seite des Zauns im Sand. Es gab zwar ein Tor im Zaun, aber es war verschlossen, und der Zaun war viel zu hoch, als daß der kleine Zombie mit seiner Axt und seinem Regenschirm hätte darüber steigen können. So stand er nur am Zaun und blickte den kleinen Menschen an. Als dieser ihn bemerkte, hörte er zu spielen auf und kam an den kleinen Zombie heran.

"Bist du auch in der Eichhörnchengruppe?" fragte der Junge. "Waaaaaa", sagte der kleine Zombie. Der Junge deutete auf das Haus an der anderen Seite des Gartens. "Die Tante hat gesagt, daß wir schlafen sollen. Aber ich bin nicht müde. Immer sollen wir schlafen, und dann geht sie raus und raucht und redet mit der Tante von der Froschgruppe. Ich mag die Froschgruppe nicht. Und ich mag nicht immer schlafen. Die anderen Kinder sind langweilig." Der Junge blickte den kleinen Zombie neugierig an. "Hast du Hautkrebs?" fragte er. "Ullis Bruder hatte Hautkrebs und er war lange im Krankenhaus und sah ganz komisch aus." Der kleine Zombie schlug mit der Axt gegen den Zaun. "Willst du mit mir spielen?" "Waaaaa", sagte der kleine Zombie. Der Junge lachte. "Du bist komisch", sagte er und schob den Riegel des Gartentors beiseite. Der kleine Zombie drückte es auf und trat in den Garten. Der Junge streckte seine Hand aus. "Ich bin Dominik", stellte er sich vor. Der kleine Zombie ließ den Regenschirm fallen, griff die dargebotene Hand und biß herzhaft in Dominiks Arm. Oh, wie herrlich schmeckte das! Nicht so bitter wie Hasenfleisch oder der faulende Kadaver eines verendeten Rehs, nein, frisch und würzig und zart. So berauscht war der kleine Zombie von dem Geschmack, daß er nicht genügend achtgab und der Junge sich ihm entwand. Schreiend ließ Dominik durch das Gartentor und ließ den kleinen Zombie im Garten allein. Da flog Frederika herbei. "Da in dem Haus sind noch viele andere Men­schen. Wenn wir leise sind, kannst du sie alle haben!"

Die Tür zum Haus stand offen. Lautlos trat der kleine Zombie ein und quiekte leise vor Freude: Drei und drei und wieder drei und mehr Kinder lagen im Raum verteilt auf kleinen Decken, sanft schlafend, wie ein Picknick für ihn angerichtet. Er ging leise, sehr leise zum ersten Kind, einem kleinen Mädchen mit einem blau-karierten Kleid und langen, blonden Zöpfen. Sie schien einen schönen Traum zu haben, da ein Lächeln auf ihren Lippen lag. Es fiel lautlos in sich zusammen, als die Axt ihr Rückgrat durchtrennte. Der kleine Zombie nahm ein paar kräftige Bisse aus ihrem Oberschenkel und wollte sie am liebsten gleich ganz auffressen, doch Frederika trieb ihn weiter. "Wenn du sie alle fangen kannst, werden wir nie mehr Hunger haben!" Er ging zu einem anderen Mädchen, das eine große Puppe im Arm hielt, und spaltete mit einem kraftvollen Schlag seinen Schädel. Gierig leckte er an der grau-roten Masse, die daraus hervortrat. "Weiter, weiter", rief Frederika. Doch der kleine Zombie war verwirrt. Er konnte sich nicht entscheiden, welches Kind er als nächstes fangen sollte. Er ging auf einen Jungen zu, dessen Haare strahlend blond waren, fast weiß. Dabei achtete er jedoch nicht auf seine Füße und stolperte über einen großen, grünen Spiel­zeug­traktor. Er verlor das Gleichgewicht und versuchte, sich an einem Regal festzuhalten. Doch er riß nur eine Kiste mit Legosteinen herunter, die krachend und prasselnd zu Boden fielen.

Innerhalb von Sekunden verwandelte sich der Raum in ein Tollhaus. Kinder schrieen, weinten und liefen herum, eine Tür flog auf, und zwei Erwachsene stürzten herein. Als sie die beiden toten Kinder in den Lachen langsam fließenden Blutes liegen sahen, fingen auch sie zu schreien an, und das Chaos war perfekt. Der kleine Zombie rappelte sich auf, konnte noch schnell ein Mädchen an sich reißen und ihr in den Hals beißen, doch dann schubste ihn jemand von hinten, und er fiel wieder zu Boden. "Wir müssen jetzt hier raus", rief Frederika. Obwohl es dem kleinen Zombie komisch vorkam, das gute Essen zurückzulassen, folgte er den Kindern, die von den Erwachsenen aus dem Zimmer getrieben wurden.

Draußen vor der Tür, inmitten der schreienden und weinenden Kinder, fühlte sich der Zombie seltsam wohl. Die warmen Körper rieben gegen seine Haut. Er roch ihre Angst und ihre Verwirrung. Sie waren fremde Tiere, und doch waren sie ihm ähnlich. Noch während er langsam diese Gedanken wachsen ließ, schüttelte ihn auf einmal jemand an der Schulter. "Du bist nicht aus der Froschgruppe", sagte eine Frau mit schriller Stimme. "Wer bist du? Woher kommst du? Was ist mit deinem Gesicht?" Sie kniete sich neben ihn und tupfte mit einem Taschentuch Blut von seinem Mund. Sie roch gut nach frischen Blumen. "Geht es dir gut? Tut das weh?" fragte sie. "Jaaaaaaaah", sagte der kleine Zombie und biß ihr die Nase ab. Sie schrie und stieß ihn von sich, auf die Straße.

Mühsam stand der kleine Zombie auf. Er haßte es, auf dem Boden zu liegen, weil es immer so anstrengend und kompliziert war, aufzustehen. Er mußte sich erst auf die Seite drehen, dann auf den Bauch, sich mit den Armen abstützen, hinknien, schließlich ein Bein wählen, mit dem er zuerst aufstehen würde. Er dachte noch nach, ob er das linke oder das rechte Bein nehmen sollte und wo links und rechts eigentlich waren, da hörte er ein schrilles, lautes Geräusch näherkommen. Im nächsten Augenblick zerplatzte sein Schädel, als das Auto ihn überfuhr.

 

Es war ein langer Tag gewesen, mit vielen Tränen, langen Reden und trauriger Musik. Die Stadt und das ganze Land befanden sich noch immer in einem Schockzustand. Niemand wußte genau, was eigentlich passiert war, niemand konnte verstehen, warum an einem so wunderschönen Sommermorgen fünf Menschen so brutal aus dem Leben gerissen worden waren. Und die Ärzte hatten keine Antwort darauf, warum Dominik, Jessica und die Erzieherin, obwohl nur leicht verletzt, doch innerhalb weniger Stunden hatten sterben müssen.

Frederika aber saß auf einem Grabstein und wartete. In wenigen Stunden würde der Junge vom Garten erwachen, dann das Mädchen mit den blonden Zöpfen, dann nach und nach die anderen, erst verwirrt, dann mit neuem Bewußtsein. Sie würden sich aus ihren Särgen befreien und sich an die Oberfläche graben, wie Zikaden, die viele Jahre in der Erde verbracht hatten und endlich der Sehnsucht nach dem Himmel folgten. In ihrem Blut trugen sie alle die Saat des untoten Lebens und das Verlangen, es unter die Menschen zu bringen. Und Frederika würde ihnen den Weg weisen.

Sören Steding

Sören Steding im EVOLVER-Porträt


"Meinen ersten Zombie habe ich in München getroffen, an einem Oktoberfestwochenende, U-Bahnhof Odeonsplatz. Er war mal ein australischer Tourist gewesen, aber weder sein Blick noch seine Bewegungen hatten noch etwas Menschliches an sich."

Und da soll noch jemand behaupten, der bundesdeutsche Ballermann böte keine intellektuelle Herausforderung - quasi als Kollateralnutzen. Auch wenn der, um den es hier geht, mit Suff eigentlich wenig am Hut hat: Sören Steding, der glückliche Gewinner des ersten EVOLVER-Literaturwettbewerbs, verfolgt ganz andere Interessen.

 

Geboren wurde Steding 1969 in München, aufgewachsen ist er in Bayern, „wo man", laut Eigenaussage, „zum Glück auch ORF empfangen konnte und am Sonntag den Axel Corti mit dem Schalldämpfer".

Zum Glück ORF?!? Na ja, das waren halt noch andere Zeiten - gute, alte, wenn man so will. Zeiten, als der Staatsfunk tatsächlich noch anhörbares Programm sendete und keine ausschließlich quoten- und parteibuchgetränkte Dauerberieselung für funktionale Analphabeten. Neben Corti lieferte das österreichische Fernsehen nämlich auch noch ein weiteres Highlight zur kulturellen Sozialisation von Steding: „Meine ersten Kontakte mit Horrorfilmen hatte ich mit The Munsters, die immer im ORF liefen. Ich hatte damals noch überhaupt keine Ahnung, warum der große lustige Typ diese seltsamen Schrauben im Kopf hatte und der Opa diesen komischen Umhang. Alles war nur komisch. Und das hat dann wohl auch meinen Geschmack für Horror geprägt: Gruslig darf es schon sein, aber lachen muß man auch können."

Und das ist eine Grundhaltung, die man seinem Siegertext durchaus anmerkt.

 

Nach dem Studium ging es jedenfalls in die USA. Seit 2004 unterrichtet Steding deutsche Sprache und Literatur am Luther College in Decorah, Iowa, wo er derzeit auch einen Kurs mit dem Titel "CyberEthics" abhält. Doch verbleibt Stedings Beschäftigung mit Literatur nicht nur auf der Ebene grauer Theorie: "Geschrieben habe ich seit der vierten Klasse. Richtig 'literarische' Texte, G´schichten halt, schreibe ich allerdings erst seit ein paar Jahren, hauptsächlich als sprachliche 'Fingerübungen'. Ich lasse mich meist von Literaturwettbewerben inspirieren und bin dann immer selbst neugierig, was ich aus einem Thema rausholen kann. Die Begrenzung auf 10 bis 15 Seiten ist da auch sehr günstig, weil ich für das Schreiben leider nur sehr wenig Zeit habe. So würde ich mich auch sicher nicht als 'seriösen' Schreiber bezeichnen. Meist versuche ich einem Thema eine unerwartete Wendung abzuringen oder eine seltsame Perspektive darin zu finden." Womit wir uns jetzt langsam seiner Zombiegeschichte nähern: "Bei der habe ich beispielsweise an ein Märchen oder ein Bilderbuch gedacht. Ich habe mir vorgestellt, welche Zeichnungen man für die Geschichte machen könnte. Und da ist dann eins zum anderen gekommen. Gleichzeitig wollte ich mich an die Vorgaben des Wettbewerbes halten, was nicht zu schwer war, weil die Beschreibung auch ziemlich genau meiner Vorstellung eines Zombies entsprach."

Von der kanonisierten Hochkultur also zur Pulp Fiction? Für Steding ist dieser Schritt kein Problem: "Ich glaube, es gibt nur gute und schlechte Literatur, wobei das Genre keine Rolle spielt." Und: "Es muß nicht immer Goethe sein - der hat ja auch nicht nur kulturelle Perlen produziert."

Solche Sätze dürften der Oberlehrerschaft verbeamteter Literaturkritiker deutscher Zunge wahrscheinlich immer noch als Blasphemie erscheinen.

 

Wie Steding seine literarische Zukunft sieht?

"Mehr Zeit zum Schreiben wäre nett. Ein erster Fantasy-Roman liegt seit drei Jahren in der Schublade und müßte dringend überarbeitet werden. Ein weiterer ist in Strukturen fertig. Ein Krimi ist auch in Arbeit. Aber die Zeit, die Zeit ..." In Richtung EVOLVER-Jury ergänzt Sören Steding: "Deshalb verstehe ich auch nur zu gut, daß man nicht so auf die Schnelle fast 300 Geschichten liest! Hut ab - ihr habt es geschafft!"

Danke. Und: Ja, stimmt. In jeder Hinsicht. Und sei somit den gesamten Hudlern und "Ihr-seid-aber-echt-langsam"-Kommentar-Terroristen ins Stammbuch geschrieben.

 

Bleibt noch eine Frage offen: Was ist eigentlich mit dem Oktoberfest-Zombie geschehen?

"Der Zombie wollte zurück zur Theresienwiesen, ganz sicher, um sich am Hirn der Betrunkenen zu laben. Ich habe ihn dann Richtung Olympiagelände geschickt. Ob er jemals dort angekommen ist, kann man nicht sicher sagen. Ich habe einmal geglaubt, ihn dort während eines Fußballspiels in der Menge gesehen zu haben, aber sicher bin ich mir nicht."

Fußball. Eh klar.

Aber daß die wahren Zombies schon längst unter uns sind, haben wir ohnehin schon gewußt - auch ohne Public Viewing.

 

In diesem Sinne: Unsere herzlichste Gratulation, Sören Steding! Und mögest Du uns und der Welt noch viele Geschichten schenken! (Der eine oder andere Zombie darf übrigens ruhig auch wieder dabei sein ...)

Bisherige Veröffentlichungen von Sören Steding


"Schicksalsgebäck" in: Cordelia Borchardt u. a. (Hrsg.): "Die Uhr läuft ab" (Frankfurt a. M.: Fischer, 2009)

 

"Geldgespräche" in: Susanne Schubarsky u. a. (Hrsg.): "Money. Geschichten von schönen Scheinen" (Klagenfurt: Heyn, 2008) Gewinner des Kärntner Krimipreises 2008.

 

"Dorfverbesserung" in: Stadt Mannheim u. a. (Hrsg.): "Grenzen.überschreiten. Ein Europalesebuch" (Mannheim: Andiamo, 2008)

 

"Die Apotheke in Hinterwaldsried" in: Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände (Hrsg.): "Geschichten rund um die Apotheke" (Berlin: ABDV, 2003)

 

"Unter Palmen" in: H. Braun u. a. (Hrsg.): "Das Meerprinzip" (München: Droemer-Knaur 2002)

Kommentare_

Katharina Boehme - 14.06.2010 : 15.24
Ein Kind als Zombie mit einer Fliege als bestem Freund - vor so viel Kreativität neige ich mein Haupt! Eine schöne Geschichte, die schleichend und seicht daherkommt und anschließend unfassbares Grauen birgt - und dann doch im Abgang wieder die Kurve bekommt! Ich bin begeistert! Gratulation zum 1. Platz!
Sigrid - 16.06.2010 : 00.07
Uh, gruselig. Wenns um Kinder geht versteh ich ja eigentlich keinen Spaß... aber trotzdem ziehe ich den Hut vor dieser Idee. Die ganze Story wie ein Kinderbuch klingen lassen und dann typisch Zombiemäßig zu werden ist schon sehr überraschend.
T. - 16.06.2010 : 14.03
Jetzt wünsche ich mir Kinderbuch-Illustrationen für die Anthologie...
Gegen einen solchen Text "verliert" man doch gerne. Hut ab vor dieser kreativen Leistung!
DOA - 17.06.2010 : 11.02
Herzliche Gratulation!
Für den Märchenstil noch ganz schön blutig (gefällt mir).
;-)
Witzige, ungewöhnliche Idee, gut geschrieben--und macht Lust auf die Anthologie.

Aber ich muss doch sagen, dass ich generell lieber Geschichten ohne diese gewisse ironische Distanz mag. Ist so echt mal schön zu lesen, aber ich mag es, wenn mir der Schweiß ausbricht und ich nachts nicht schlafen kann.
Dabei fällt mir ein:Irgendwie absurd, wenn man sich Realismus bei Geschichten wünscht, in denen es um herumlaufende Leichen geht, oder?
Nebenbei:Die Präsentation ist auch gut,über den "echten" Zombie musste ich sehr lachen.
Corey Landis - 01.07.2010 : 10.59
Na da will ich dem Sieger auch mal gratulieren. Hatte was Ähnliches eingereicht (Struwwelpeter als Zombie-Version) aber wie heisst es bei Highlander so schön? Es kann nur einen geben!
Schöne Gruße
Corey Landis
DOA - 20.08.2010 : 11.17
Werden eigentlich noch die Plätze 2 und 3 hier veröffentlicht oder kommt jetzt nüscht mehr bis zum Buch?Das soll ja irgendwann Ende Herbst kommen, oder?
Peter Hiess - 20.08.2010 : 17.07
Haben wir das mit den Plätzen zwei und drei etwa angekündigt? Nein, haben wir nicht. Bitte auf das Buch warten - erscheint Ende November. Und das werden wir garantiert noch ausführlicher ankündigen.
Alles Liebe, Peter Hiess
DOA - 20.08.2010 : 20.33
Ähem, nein, hatte niemand angekündigt.Da war wohl der Wunsch Vater des Gedanken. Aber bis Herbst ist es ja auch nicht mehr so lange hin... ;-) Dann gedulde ich mich -ab jetzt still-noch bis Ende November. Grüße und danke für die Antwort!

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