Stories_The Prisoner/Part III

Der neue Heiland

Unsere erste Kooperation mit der hochgeschätzten Zeitschrift DIE SPRECHBLASE - über Comics und artverwandte Themen der Popkultur - zahlt sich gleich richtig aus. Im dritten Teil seines ausführlichen Artikels über die Serie "Nummer 6" geht Gerhard Förster unter anderem auf das Remake mit Jim "Jesus" Caviezel ein.    06.03.2015

Mehr als eine Nummer ... Lesen Sie in Teil 1 und Teil 2 dieses Artikels alles, was Sie über die Entstehungsgeschichte von "The Prisoner" wissen sollten.

 

 

 

 

Als Schurke vom Dienst

 

Auch wenn die Serie später sicher noch ordentlich Kasse machte, war sie zunächst ein finanzielles Desaster. Dabei ging es nicht nur um das Geld von Lew Grandes ITC, sondern auch um das von McGoohan. Seine Firma Everyman Films mußte 1974 Konkurs anmelden, und die Karriere des nun als schwierig und launenhaft verschrienen McGoohan litt im Zuge von "Nummer 6" nachhaltig. Doch auch wenn er nun kaum mehr für leitende Funktionen bei einer Produktion engagiert wurde (und sie nach den schlechten Erfahrungen vermutlich auch nicht mehr anstrebte), wurde er als Schauspieler immer wieder engagiert - meist in der Rolle des Übeltäters.

In der Kriminalserie "Columbo" spielte er viermal den Mörder (und wurde dafür mit zwei Emmys prämiert). Bei diesen Folgen hatte er sich an der Seite seines Freundes Peter Falk sehr engagiert, auch als Regisseur und Mitproduzent. Zu den Nach-"Prisoner"-Kinofilmen von McGoohan gehören unter anderem "Flucht von Alcatraz" (1979), wo er als Gefängnisdirektor den Helden Clint Eastwood schikaniert, "Scanners" (1981) von David Cronenberg (der nach den Dreharbeiten schlecht auf den launischen Briten zu sprechen war), "Braveheart" (1995) mit seinem Freund Mel Gibson, in dem er König Edward I. mimte, und "The Phantom" (1996) als Vater des legendären Comic-Heroen. Im Jahr 2000 machte McGoohan bei einer Folge der "Simpsons" mit: "Mr. X und der Website-Schund". Homer wird hier auf eine Insel entführt, die verdächtig dem "Village" ähnelt. Dort trifft er auf eine gealterte Nummer 6, die im Original von McGoohan gesprochen wird, der noch immer an seiner Flucht arbeitet, während Homer einem Rover-ähnlichem weißen Hüpfball erfolgreich mit der Picknickgabel zu Leibe rückt.

McGoohan starb im Januar 2009 nach kurzer Krankheit im Alter von mit 80 Jahren. Seit den Siebzigern hatte er mit seiner Frau, der Schauspielerin Joan Drummond, in Kalifornien gelebt. Er hinterließ drei Töchter.

 

 

Das Remake, das kein Remake ist

 

Es gab mehrere vergebliche Versuche, "Nummer 6" als Kinofilm wiederzubeleben. 2002 nahm Regisseur Simon West ("Tomb Raider") einen Anlauf. McGoohan hätte der ausführende Produzent sein sollen, doch der Film kam nie zustande. In jüngerer Zeit gab es eine Initiative von Regisseur Christopher "Dark Knight" Nolan, doch das Ausgangsmaterial soll für eine Filmfassung ungeeignet gewesen sein.

Erst 2008 kam eine Neubearbeitung von "The Prisoner" zustande, diesmal als Miniserie für das AMC Network - allerdings ohne Einbindung von Patrick McGoohan; sie wurde in seinem Todesjahr ausgestrahlt. In der neuen Serie wacht ein Mann in der Wüste auf, wo er auf einen sterbenden Greis trifft, der ihm zuflüstert: "Sagt ihnen, ich kam frei." (Man hatte McGoohan angeboten, diese Rolle zu spielen, doch er hatte leider abgelehnt.) Kurz darauf erreicht der Mann das "Village", wo er zur Nummer 6 erklärt wird. Er selbst leidet unter Gedächtnisverlust und kann sich weder an seinen Namen noch an sein bisheriges Leben erinnern. Nichtsdestotrotz versucht er zu fliehen und das Rätsel des Ortes zu lösen.

Eine TV-Serie, die so sehr durch ihren Hauptdarsteller, den Drehort und den Zeitgeist der 1960er Jahre geprägt wurde wie "Nummer 6", hat es als Remake nicht leicht, zumal das Original kultisch verehrt wird. Daher war es zweifellos das einzig Richtige, von der ursprünglichen Idee nur noch einzelne Begrifflichkeiten und Symbole zu übernehmen und - darauf aufbauend - eine völlig eigenständige Geschichte zu erzählen. Die eher unaufdringlichen Anspielungen auf das Original, die von typischen Kamerapositionen bis hin zu dezent im Bild plazierten "Nummer 6"-Symbolen wie dem berühmten Hochrad reichen, sind durchaus gelungen. Nicht unerwähnt darf das sehr fremdartig anmutende Swakopmund - ein Hoteldorf in Namibia - bleiben, das als Drehort für das neue Village diente. Es hat (offenbar bewußt) keinerlei Ähnlichkeit mit dem alten Schauplatz, ist aber nicht minder faszinierend. Durch die Einheitlichkeit der Häuser eignet es sich sogar besser als konformistisches "Paradies" als Portmeirion.

Doch das Ausschlaggebende ist natürlich die Geschichte - und die ist sehr spannend und voller Mysterien; sie wird atmosphärisch dicht und mit viel Liebe zum Detail erzählt. Bei aller Faszination für das Sixties-Original: Die neue Story ist noch tiefsinniger, da nicht so eindimensional. Es gibt mehr Kontinuität von Folge zu Folge, und die Charaktere sind vielschichtiger als im Original. Sogar bei der Menge an ungewöhnlichen Ideen übertrifft das Remake das Original, was doch erstaunlich ist. Ob Hauptdarsteller James Caviezel ("Die Passion Christi") so charismatisch ist wie Patrick McGoohan, ist Ansichtssache. Uns gefiel sein Auftreten, das weit weniger aufgeregt ist als das von McGoohan. Ian McKellen ("Herr der Ringe") spielt den großen Gegenspieler von Nummer 6, eine völlig undurchsichtige Nummer 2, die stets für Überraschungen gut ist.

Ganz wesentlich ist natürlich die Frage, ob die Auflösung diesmal besser gelungen ist. Durchaus! Sie enttäuscht keineswegs, auch wenn nicht alle Rätsel geklärt werden, aber das war wohl auch beabsichtigt. Einzig und allein der "Rover", den es auch im Remake gibt, ist in der alten Serie besser rübergekommen - und das ist wirklich merkwürdig, da solche Special Effects im Computerzeitalter viel leichter zu erzeugen sind als zur Zeit der alten Serie. Etwas traurig ist, daß der Miniserie kein allzugroßer Erfolg beschieden war, auch nicht bei den Kritikern (vor allem wurde bemängelt, das Remake habe nicht den typischen "Prisoner-Humor", ohne dabei in Betracht zu ziehen, daß es teilweise von seiner melancholischen Atmosphäre lebt). Was war das Problem? War die Neuverfilmung zu anspruchsvoll für ein Massenpublikum? Gaben aufgrund der "Überdimensionalität" des Originals nicht einmal die Kritiker dem Remake eine Chance? (Auch wir waren voller Vorurteile und haben uns eigentlich kaum etwas von dem Remake erwartet ...) Oder wurde die Serie bloß zu wenig oder falsch vermarktet?

Aus unserer Sicht handelt es sich jedenfalls um die "Prisoner"-Version für das neue Jahrtausend - und uns würde interessieren, wie zeitgemäße Fassungen für die Jahrzehnte davor ausgesehen hätten.

 

 

Fortsetzung folgt ... Lesen Sie im vierten und letzten Teil, was George Markstein und Patrick McGoohan über die Serie und sich selbst zu sagen hatten.

Gerhard Förster

The Prisoner

Leserbewertung: (bewerten)

Sowohl die alte Serie als auch das Remake sind bei Koch Media in exzellent ausgestatteten DVD- und Blu-ray-Boxen erschienen. Die alte Serie bietet sechs DVDs mit allen 17 Folgen, eine weitere DVD mit Doku-Material und ein Booklet, das wohl eines der informativsten ist, das je zu einer TV-Reihe erschienen ist (Achtung! Nur in der DVD-Box mit dem oben abgebildeten Cover sind die vier erst 2010 von arte auf deutsch synchronisierten Folgen vorhanden). Die neue Serie bietet auf drei DVDs alle sechs Episoden sowie viele interessante Extras, die ein zusätzliches Verständnis der Miniserie liefern.

Links:

Quellen


www.match-cut.de, eine sehr gehaltvolle "Nummer 6"-Fanpage, die noch viele Beiträge enthält (z. T. allerdings ziemlich versteckt), die hier gar nicht berücksichtigt werden konnten.

• das Booklet zur "Nummer 6"-DVD-Box von Koch Media, verfaßt von Uwe Huber. Es enthält auch zu jeder einzelnen Episode ausführliche Informationen.

•  deutsche und englische Wikipedia-Einträge zu Patrick McGoohan und der Serie sowie diverse andere Internet-Beiträge.

 

Weitere englische Homepages zum Thema:

 

http://www.sixofone.co

http://www.leprisonnier.net/

http://www.patrickmcgoohan.org.uk/

http://www.portmeirion-village.com/

http://www.retroweb.com/portmeirion.html

 

Es existieren auch zwei einschlägige Bücher, beide stammen von Roger Langley: "Patrick McGoohan - Danger Man or Prisoner" (Tomahawk Press, 2007) und "The Making of The Prisoner".

Die Sprechblase


Dieser Artikel ist der Zeitschrift DIE SPRECHBLASE Nr. 229 entnommen. Weitere Informationen zu dieser wunderbaren Fachpublikation finden Sie auf der SPRECHBLASE-Website, wo Sie das Heft auch gleich abonnieren und/oder ältere Ausgaben bestellen können. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

Links:

Kommentare_

nr6de - 09.03.2015 : 10.00
"Ziemlich versteckt" - knirsch. Zugegeben, ja. Meine Website ist über 12 Jahre alt und komplett von Hand gestrickt, daher möge man eine gewisse Unübersichtlichkeit nachsehen. Man muss sich drauf einlassen und stöbern oder die Volltextsuche (courtesy Google) bemühen. Oder unter "Speedlearn" nachsehen. Oder mal fragen. Danke für den Artikel. Wir sehen uns!

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