Print_Ben Schott - Schotts Sammelsurium

Was man nicht wissen muß

Wissen ist Macht. Doch auch mit diesem edlen Gut kann man es übertreiben, wie ein britischer Autor in seinem Buch zu beweisen weiß.    19.10.2004

Wissensbücher sind seit einigen Jahren en vogue: Nachdem Dietrich Schwanitz in seinem so schlicht wie selbstbewußt "Bildung" betitelten Wälzer bestimmt hatte, was "man wissen muß", ließ die Reaktion nicht lange auf sich warten. Ernst Peter Fischer, der bei Schwanitz die Naturwissenschaften vermißte, ergänzte seinerseits um "alles, was man von den Naturwissenschaften wissen sollte". Der 30jährige Brite Ben Schott mag von alldem völlig unbeleckt sein; dennoch drängt sich bei der Lektüre seines "Sammelsuriums" ein fast schon naheliegender Untertitel auf: "Alles, was man garantiert nicht wissen muß". Denn während andere Publikationen kanonisiertes Wissen versammeln, interessiert sich der Autor mehr für das Schwemmgut der Informationsgesellschaft.

Konkret finden sich in Schotts edel aufgemachtem Büchlein, das immer wieder auch mit netten graphischen Einfällen aufzuwarten hat, entlegene Trouvaillen von den Trauervorschriften der viktorianischen Epoche bis hin zur Anleitung, wie man ohne Zeitverlust durch den Irrgarten von Hampton Court gelangt. Schott schöpft dabei zum Teil aus traditionellem Bildungsgut der bürgerlichen Epoche (siehe: die Aufgaben des Herkules oder die großen Schlachten der älteren Geschichte), zum Teil schafft er sich seinen Bildungskanon selbst (so beispielsweise im Fall der "unzeitigen Tode von Popstars"). Dem Spaß, den der Autor bei der Erstellung der oft kuriosen bis absurden Listen empfunden haben muß, kann sich auch der Leser nur schwer entziehen. Wobei sich Schott über besagte Listen und über die allenthalben verbreiteten Rankings auch lustig macht: Aufgrund des Vorherrschens von Top-Ten-Listen widmet er sich so den "vergessenen Elften".

Begonnen hatte alles mit einem Heftchen von 15 Seiten, das der Fotograf Schott als Weihnachtsgruß an seine Kunden verschickt hatte. Bald interessierten sich Penguin und Bloomsbury für das Konzept, Schott entschied sich für letztere; womit der Harry-Potter-Verlag abermals ein goldenes Händchen für Bestseller-trächtige Buchideen gezeigt hätte. "Schotts Sammelsurium" ist ein empfehlenswertes Buch, das Spaß macht. Die Freude ist dabei übrigens ungetrübt - weil man niemals das Gefühl haben muß, gerade etwas Nützliches gelernt zu haben ...

Reinhard Ebner

Ben Schott - Schotts Sammelsurium

ØØØØØ


Bloomsbury Berlin (Berlin 2004)

 

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