Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 50/Pt. 2

It ain´t over till it´s over

Manfred Prescher suhlt sich für uns im Trennungsschmerz. Die Jubiläumsausgabe seiner Kolumne präsentiert die 75 besten Songs über das Ende von Beziehungen. In dieser Episode: Platz zehn bis eins der großen Liebe-ist-vorbei-Charts.    19.01.2009

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Schon wieder ein Jubiläum: Das 150. "Miststück" zeigt nicht nur, wie unglaublich schnell Wochen, Monate und Jahre ins Land gehen, sondern auch, daß es bei Beziehungen kaum anders ist. Das Ende einer großen (oder nicht ganz so großen) Liebe gehört ebenso zwangsläufig zu Pop wie der Beginn und der berühmte erste Blick. Welche Songs es auf die Plätze 75 bis 11 geschafft haben, können Sie hier nachlesen.

Jetzt aber zu den absoluten Top ten des Trennungsschmerzes - weinen, trauern und wüten Sie mit uns!


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

10. Nine Inch Nails/Johnny Cash: Hurt

("The Downward Spiral", 1994/"American Recordings", 1994)

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Beide Versionen stehen gleichberechtigt nebeneinander, sind Monolithen der Selbstanklage. Sowohl Reznor als auch Cash bringen rüber, daß man am Scheitern einer Beziehung selbst die größte Schuld trägt und sich folglich auch die tiefsten Wunden zufügt. Die Pein kann man in beiden Versionen so erschütternd nah spüren, daß das Hören von "Hurt" zur körperlichen Qual wird - was natürlich daran liegt, daß der Song die schmerzhafte Wahrheit sagt.

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9. David Allen Coe: Cum Stains On The Pillow

("Nothing Sacred", 1979)

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Jetzt ist sie weg, und es bleibt nur ein Fleck - nämlich dort, wo bis vor kurzem noch ihr Kopf lag. Schweinerüde Coe beschreibt auf seiner regulär nicht mehr erhältlichen Triple-X­-Scheibe, wie unromantisch eine Nacht oder gar eine Beziehung enden kann. Das Elaborat (sowohl Song als auch Album) ist in jeder Hinsicht unkorrekt und brachte nicht nur Coes Ehefrau auf die Palme.

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8. Kris Kristofferson: Me And Bobby McGee

("Kristofferson", 1970)

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Roger Miller sang ihn zuerst, dann kam Gordon Lightfoot, und schließlich wurde er für Janis Joplin zum posthumen Megahit. Doch die beste, weil niederschmetterndste Version stammt vom Autor und Komponisten des Songs: Kris Kristofferson. Der beschreibt die Einsamkeit einer Entscheidung - nämlich die, Bobby ziehen zu lassen - in bitterer Konsequenz. Und die heißt ebenfalls Einsamkeit. "Freedom is just another word for nothing left to lose." Bleibt die Frage, ob das Intermezzo mit Bobby überhaupt als Beziehung gewertet werden kann ...

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7. The Rolling Stones: Dear Doctor

("Beggars Banquet", 1968)

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Die Stones und eines ihrer Country-Lieder, die Stones und eines ihrer Statements zum Beziehungsende. Hier soll einer heiraten, der das nicht will. Er fordert den Doktor auf, sein Herz herauszunehmen und es für bessere Zeiten aufzubewahren. Der Anzugkragen fühlt sich am Hals an wie ein scharfes Messer, und alles läuft auf eine Tragödie zu, denn wer will schon gern eine "bow-legged sow" heiraten ... Doch dann findet er einen Zettel seiner Beinahegattin, auf dem sie beichtet, daß sie mit seinem Cousin Lou durchgebrannt ist. Und plötzlich ist alles wieder gut.

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6. Tom Jones: Delilah

("Delilah", 1968)

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Der Waliser Jones nimmt sich des klassischen Delia-Themas an, das schon die Beach Boys oder das Kingston Trio umsetzten. Später sollte mit Cashs "Delia´s Gone" eine sehr blutrünstige Version entstehen. Aber auch bei Tom Jones endet Delilahs Untreue explizit mit einem Gewaltverbrechen. Es ist schon gut, wenn man immer ein Messer parat hat.

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5. Marvin Gaye: Here, My Dear

("Here, My Dear", 1978)

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"Here, My Dear" ist sowohl ein Song als auch Teil eines Doppelalbums. Auf vier Seiten kämpft Gaye eine Schlammschlacht gegen seine Exfrau Anna Gordy, die Tochter von Motown-Tycoon Barry Gordy. Die Tantiemen dieses hochdramatischen Meisterwerks gehen direkt an die Ex, was auch den Titel erklärt.

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4. Oasis: Don´t Look Back In Anger

("(What´s The Story) Morning Glory?", 1995)

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Noel Gallaghers Meisterwerk, ein perfekter Popsong: "So Sally can wait, she knows it´s too late as we´re walking on by." Fast schon zu schön, gegossen in eine locker-luftige Melodie, wird die Hoffnung auf einen Blick zurück ohne Zorn manifestiert. Und dann ist da noch die Zeile: "So I start a revolution from my bed." Paßt zwar nicht direkt zum Thema, ist aber dennoch groß.

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3. Ween: Piss Up A Rope

("12 Golden Country Greats", 1996)

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Die nicht miteinander verwandten Gebrüder Ween haben auf ihrer in Nashville zusammen mit alten Recken eingespielten Platte "12 Golden Country Greats" das vielleicht lustigste Lied zum Thema aufgenommen. In "Piss Up A Rope" (zu deutsch, aber nicht ganz treffend, "Zieh Leine") wird der Ehemaligen nicht nur die schmutzige Wäsche, sondern auch gleich noch das Waschpulver hinterhergeworfen. Genial der Refrain: "You can piss up a rope/And you can put on your shoes, hit the road get truckin´/Pack your bag, I don´t need the ag/On your knees you big, booty bitch start suckin´/You ride my ass like a horse in a saddle/Now you´re up shit creek with a turd for a paddle/And I can´t cope/Piss up a rope." Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

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2. Leonard Cohen: So Long Marianne

("Songs Of Leonard Cohen", 1968)

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Der Kanadier Cohen ist ein Beobachter des Zwischenmenschlichen, also hat er immer wieder große Songs über das Scheitern von Beziehungen geschrieben, so zum Beispiel "I Can´t Forget". Platz 2 gibt´s daher für seine gesamten Verdienste auf diesem Gebiet. Sein musikalischer Abschiedsbrief an Marianne Ihlen, mit der Cohen in den 60er Jahren liiert war und "herrliche Zeiten auf der griechischen Insel Hydra" verbrachte, stellt das Loslassen und Neudefinieren in den Vordergrund.

Links:

1. Bob Dylan: Don´t Think Twice, It´s Alright

("The Freewheelin´ Bob Dylan", 1963)

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Man mag von Robert Zimmerman halten, was man will, und ihm verschwurbelte Texte vorwerfen. Wenn es aber um das Ende einer Beziehung geht, sind seine Worte von schlichter Prägnanz, wie etwa auch "It Ain´t Me Babe" belegt. "Don´t Think Twice" ist so klar und wahr, daß es auch die Ambros´sche Transkription ohne Verlust an Klarheit überstanden hat. Hier ein Vers des besten aller Schlußmach-Songs, zum Genießen und Weiterverwenden: "It ain´t no use in turnin´ on your light, babe/That light I never knowed/An´ it ain´t no use in turnin´ on your light, babe/I´m on the dark side of the road/But I wish there was somethin´ you would do or say/To try and make me change my mind and stay/But we never did too much talkin´ anyway/So don´t think twice, it´s alright."

 

 

Und damit ihr, liebe Leser, Zeit zum Genießen habt und auf die Suche nach den erwähnten 25 Songs gehen könnt, macht das "Miststück" nächste Woche Pause. Danach geht es munter weiter.

Links:

Kommentare_

mimo - 19.01.2009 : 13.18
Also mir geht ein Song sehr ab in eurer Liste.
Nämlich "you're gonna miss me" von den 13th Floor Elevators.
Manfred Prescher - 19.01.2009 : 14.56
Hallo mimo,

das ist in der Tat ein genialer Song. Ich hoffe, Du kannst damit leben, dass das Ding aus meinem musikalischen Gedächtnis verschwunden ist...

Manfred

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