Kolumnen_Rez gscheid!

Vom Winde verweht

Das Jahr 2008 wurde von der UNESCO zum "International Year of Languages" erklärt. In der Liste gefährdeter Sprachen und Dialekte fehlt allerdings eine Idiomgruppe: das Österreichische. Wir erklären, was daran schützenswert ist - und leisten ab sofort alle 14 Tage einen weiteren Beitrag zur Bewahrung des Weltkulturerbes.    30.10.2008

"Languages matter!" weiß die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, kurz: UNESCO. Deshalb hat sie das Jahr 2008 zum internationalen Jahr der Sprachen erklärt.
Unser Sprachexperte Dr. Seicherl erklärt mit und widmet sich dem Österreichischen, genauer gesagt: der proletarisch korrekten Sprache im Alltag. Warum? Das erfahren Sie hier.

 

Diesmal dreht sich alles um die Probleme einer (hoffentlich) jungen Dame ...

 

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Lieber Herr Doktor,

 

immer, wenn mein Mann mit mir, also abends im Bett, meine ich, Sie verstehen schon - dann sagt er Sachen wie "So, du Zuckerschnalle, jetzt f... ich dich in den A..."

Mir ist das sehr unangenehm. Was soll ich tun?

Bitte helfen Sie mir.

 

Herzlichen Dank,

Ihre Jennifer Pospisil

 

 

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Dr. Seicherl antwortet:

 

Liebe Jennifer!

 

Für Dein Problem gibt es eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Replik. Sobald Dein Mann das nächste Mal wieder diesen Satz ausspricht, antwortest Du:

 

Ii loß an schas daß da de eia aufblosd.

 

Du wirst sehen, das hilft.

 

Mit besten Grüßen,

Dein

Dr. S

 

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Translation/Gebrauchshinweise:

 

schas = Unbrauchbares; Flatulenz

an schas lossn = flatulieren

 

Das hochdeutsche Wort Ei existiert bei uns ausschließlich im Plural. Wünscht man also nur ein Stück dieses Hühnerproduktes zu erwerben - wo das denn noch möglich ist -, so formuliert man: "Ii kriagat an eia". (Im Oberösterreichischen ist es übrigens genau umgekehrt; eine Rückfrage des Verkäufers könnte dort somit lauten: "Oa oa oda zwoa oa?")

In der o.g. Replik bezieht sich "Ei" in seiner Doppelbedeutung auf die männlichen Testikel. (Im Bundesdeutschen hingegen werden dafür als Gleichnis Nüsse bzw. Datteln herangezogen; ob diesbezügliche Rückschlüsse auf länderspezifisch unterschiedliche Dimensionierungen zulässig sind, harrt noch wissenschaftlicher Untersuchungen.)

Dr. Seicherl

Rez gscheid!

Proletarisch korrekte Sprache im Alltag


Sie haben spezielle Fragen? Sie interessieren sich für die Herkunft einer Phrase? Sie haben keine Ahnung, was Ihnen Ihr unhöflicher Nachbar zu den unmöglichsten Tageszeiten zuruft? Zögern Sie nicht - schreiben Sie Dr. Seicherl unter Dr.Seicherl@gmx.net.

Links:

Kommentare_

Benjamin Denes - 03.11.2008 : 22.52
Lieber Herr Dr. Seicherl,

vielen Dank für Ihre Sprachkritik, die ich grandios finde. Unaufgefordert schicke ich Ihnen eine Frage, die sich bei meinem letzten Wien-Besuch im Juni ergeben hat: Als Deutscher stehe ich ja ohnehin oft da wie der Ochs vorm Berge, wenn die Eingeborenen mit mir reden. "Ciao baba", "Gestern hab i mi wieder abghaut" und "goschert" kennt man ja. Aber als mich an jenem Abend auf der Mariahilfer Straße ein Penner angerempelt hat und als Sausack und als fetten Senkschädel (?) beschimpft hat, konnte ich nichts entgegnen. Wie sage ich formvollendet auf Österreichisch/Wienerisch:

"Sie flegelhafter Rüpel. Ihre Eltern haben wohl an der Vermittlung der Manieren gespart? Unerhört!"

Danke für die Mithilfe,

B. Denes (Berlin)

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