Akzente_Narrenturm

Ein Sommer im Narrenturm

Es muß nicht immer die Karibik sein. Urlaub in Wien ist auch schön - vor allem, wenn das Pathologisch-anatomische Museum mit einem speziellen Veranstaltungsprogramm lockt.    19.06.2006

"Narrenturm" - das klingt nach finsterem Mittelalter. Tatsächlich aber gehörte das Gebäude zum Zeitpunkt seiner Errichtung unter Kaiser Joseph II. zu den modernsten Einrichtungen Europas. War der trutzig wirkende Rundbau, der sich auf dem Gelände des alten AKH in Wien findet, doch immerhin die erste Anstalt für Geisteskranke, womit dieses Krankheitsbild auch medizinische Anerkennung erfuhr.

Schon damals hatte der Bau in gewisser Weise auch musealen Charakter: Die Zellen der hier Untergebrachten konnten vom Gang aus eingesehen werden. Dem Vernehmen nach machte davon nicht nur das Personal der psychiatrischen Anstalt, sondern auch die Wiener Gesellschaft Gebrauch. Da scheint es nur konsequent, wenn der "Narrenturm" alias "Guglhupf" (wegen seiner architektonischen Form), der bei den Wienern immer noch diese Namen trägt, auch wenn der Betrieb bereits 1866 eingestellt wurde, heute tatsächlich ein Museum beherbergt.

Seit 1971 ist das Pathologisch-anatomische Bundesmuseum hier untergebracht, und - um der Wahrheit die Ehre zu geben - der Schauwert ist heute vermutlich sogar höher als noch zu Kaisers Zeiten. Die Exponate: Mazerationspräparate (krankheitsbedingt veränderte und deformierte Knochen- und Trockenpräparate), Feuchtpräparate (pathologisch veränderte Leichenteile, in Formaldehyd konserviert), Moulagen (Wachs/Paraffin-Abdrücke von kranken und deformierten Körperteilen) sowie alte und neue medizinische Geräte, die zur Veranschaulichung von Behandlungsmethoden dienen.

Kurz - man sieht hier alles vom hydrocephalitischen Kleinkind (Wasserkopf) bis zu den Verheerungen, die die Syphilis in Zeiten vor Antibiotikia und Co. am menschlichen Körper anrichteten. Zwar ist nur ein kleiner Teil der Sammlung öffentlich zugänglich, aber auch der ist selbst für einen starken Magen genug. Wer mehr erfahren und das Museum, dem notorisch die Mittel für eine dringend nötige Renovierung fehlen, unterstützen will - hingehen und ansehen!

Hingehen sollte man aber vor allem auch zu den Sommerveranstaltungen im Narrenturm, die vom 22. Juni bis zum 7. September über die Bühne gehen. Ein rundes Programm von Vorträgen und Kunstinstallationen bis zu Kabarett und Konzert macht Gusto auf mehr. Nicht verschwiegen werden soll die EVOLVER-Beteiligung am 20. Juli und 17. August: Herausgeber Peter Hiess ist (mit seiner werten Frau Gemahlin Heidelinde Moser) nicht nur einer der Organisatoren des diesjährigen Programms, sondern wird als Dr. Trash gemeinsam mit Willi Resetarits in Erscheinung treten. Und einen Monat später die "Freakshow" von El Mutante moderieren ...

Reinhard Ebner