Print_Juli Zeh - Alles auf dem Rasen

So sieht´s die Zeh

Warum langweilt die Pornographie? Und warum braucht man eine Portion angeborener Hinterhältigkeit, wenn man erfolgreich schreiben will? Dieses Buch hat alle Antworten.    13.02.2007

Die Deutschen sind immer - nun: so deutsch, wenn es darum geht, ihren Autoren Engagement und gesellschaftspolitische Stellungnahmen abzufordern. Dabei ist nicht einzusehen, weshalb jeder, der sich einen Spaß draus macht, Bücher zu schreiben, sich gleich ein Parteibuch auf die Stirn nageln oder wie die Made im Speck im Brennpunkt jeder Debatte wälzen sollte (Günter Grass läßt grüßen). Politisch sein ist also kein Muß, sondern ein Kann und vor allem ein Will.

Autoren wie die 1974 geborene Juli Zeh ("Adler und Engel", "Spieltrieb"), die sich gut und gerne zu aktuellen und allgemeinen Fragen äußern, sind herzlich willkommen. Vor allem, wenn sie die Gabe besitzen, die Dinge auf den Punkt zu bringen und auch zu wenig originellen Themen - etwa dem Stellenwert von Heimat – nicht nur Salbungs-, sondern auch Gehaltvolles zu sagen.

Eigentlich handelt es sich bei den in Zehs neuen Band "Alles auf dem Rasen" versammelten Essays ja um Auftragswerke. "Spiegel", "Zeit", "Welt", "FAZ", "SZ" und andere nach eigenem Dafürhalten und Umfang gewichtige Blätter zahlen gutes Geld für die Gedanken darbender Literaten - wobei in der linken "tageszeitung" zu publizieren dem Vernehmen nach eher einem Akt der Barmherzigkeit seitens des Autors gleichkommt.

Oft ist es von Vorteil, wenn Schriftsteller nicht nur aus ihrem Elfenbeintürmchen agieren, sondern auch die "Niederungen" des Alltags kennen, ja vielleicht sogar "etwas Vernünftiges" gelernt haben. Die Juristin Juli Zeh ist das beste Beispiel für diese These. Und sie ist auch ein Exempel für die Erlernbarkeit von Literatur, gehört sie doch zu den Absolventinnen des Deutschen Literaturinstituts Leipzig, das sich bislang als recht erfolgreich in der Hervorbringung literarischen Nachwuchses erwies.

"Schreiben kann man lernen", meint denn auch Zeh in einem der Essays, die sich der Themen Politik, Gesellschaft, Recht, Schreiben und Reisen annehmen und zum Teil klassisch, zum Teil ironisch daherkommen. Wenn´s gar nicht anders geht, muß "Freund F." im Dialog als Gegenüber herhalten, sozusagen das G´scheiterl einer fiktiven Doppelconference.

Es zeigt sich, daß das Jus-Studium nicht nur staubtrockene Aktenfresser hervorbringt, wie man sie in Wien im Umfeld des Juridicums antrifft, sondern auch eine Schule des Sprechens sein kann. Auffällig ist die klare Sprache Zehs; hier wird nicht versucht, mit gestelzten Wendungen Gedankenschwere vorzutäuschen, gleich ob es um die Nebenwirkungen der Demokratie, die Langeweile in der Pornographie oder "Justitia in Schlaghosen" geht.

Was aber hat es nun mit dem Titel "Alles auf dem Rasen" auf sich? Es handelt sich um den zweiten Vers eines (Kinder?)-Reims, der so beginnt: "Ficken, Bumsen, Blasen".

Reinhard Ebner

Juli Zeh - Alles auf dem Rasen

ØØØØ


Schöffling & Co. (Frankfurt a. M. 2006)

 

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