Kino_Film-Tips Juli & August 2020

Rückwärts in der Zeit

Die österreichischen Lichtspieltheater öffnen langsam und zaghaft wieder ihre Tore. In Hollywood läuft die Produktionsmaschine - unter veränderten Vorzeichen - neuerlich an. Ob es sich auszahlt, noch ins Kino zu gehen, verraten Ihnen Peter Hiess und Hans Langsteiner.    15.08.2020

EVOLVER-Redaktion

Der Fall Richard Jewell

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In Amerika kennt die Causa jedes Kind, bei uns liefert sie immerhin Stoff für spannende zwei Kinostunden: Bei den Olympischen Spielen von Atlanta 1996 explodierte im dortigen Centennial Park eine in einem Rucksack versteckte Bombe. Daß dabei "nur" zwei Menschenleben zu beklagen waren, ging auf das Konto des ansonsten eher simpel gestrickten Security-Manns Richard Jewell. Erst als Held gefeiert, geriet er bald ins Visier mißtrauischer FBI-Beamter: Einzelgänger, Kontrollfreak, Wichtigtuer ... könnte er die Bombe nicht selbst gelegt haben, um sich hinterher als Retter zu präsentieren? "Richard Jewell" - so der lakonische Originaltitel - ist ein Musterbeispiel mehr dafür, wie es dem stockkonservativen Clint Eastwood immer wieder gelingt, amerikanische Institutionen, hier das FBI, gleichsam von rechts zu kritisieren. Ruhig und ohne allzu aufgesetzte Effekte (OK, Kathy Bates sondert als Jewells Mutter etwas viel Tränenflüssigkeit ab) zeichnet Eastwoods Inszenierung ein wenig schmeichelhaftes Bild von Sicherheitsbehörden und Massenmedien. Daß sich zuletzt (ist kein Spoiler, weil ja bekannt) Jewells Unschuld herausstellt, hilft da nicht viel: Der Mann ist ebenso fürs Leben gezeichnet wie das Image der USA. Sehenswert!  (HL)

 

Guns Akimbo

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Wenn Globalisierung so aussieht, könnte man fast dafür sein: Neuseeländischer Filmemacher dreht seine Action-Komödie in Bayern, mit Geld aus aller Welt und dem englischen Schauspieler Daniel Radcliffe, der - übrigens sehr erfolgreich - alles tut, um von seinem Harry-Potter-Image wegzukommen. Diesmal spielt er einen Internet-Troll. Wenn Sie nicht wissen (und nicht wissen wollen), was Internet-Trolle sind, ist dieser Film wahrscheinlich nicht das Richtige für Sie.

Jason Lei Howden, der Regisseur von "Guns Akimbo" und zuvor vom vielversprechenden "Deathgasm", soll selbst sowas wie einer dieser Trolle sein, die häufig nichts Besseres zu tun haben, als online (am liebsten in den "sozialen" Blödmedien) zu schimpfen, zu streiten und ihre meist uninteressanten Meinungen zu äußern. Aber das ist uns wurscht, wir stehen über diesen Dingen, wir wollen bitte nur Trash im Kino und auf dem Bildschirm sehen!

Und Trash ist "Guns Akimbo" mit Sicherheit. Held Miles Lee Harris (Radcliffe) macht nämlich den Fehler, sich im sagenumwobenen Darknet mit einer Organisation namens Skizm anzulegen, die Streaming-Schaukämpfe zwischen Psychopathen und Kriminellen veranstaltet. Und zack, haben die Bösen ihn schon gekidnappt, halten seine Freundin als Geisel, schrauben ihm Pistolen an die Hände und zwingen ihn, die modernen Gladiatorenspiele mitzumachen. Muß man wirklich noch mehr über diesen Film wissen? Nein. Es genügt, Freude an grellbunter cineastischer Gewalt zu haben und die paar mißlungenen Gags zu ignorieren. Pseudointellektuelle, die sich ernsthaft mit dem Streifen auseinandersetzen, haben - wie immer, wenn studierte Geisteswissenschaftler sich zu popkulturellen Themen äußern - nichts verstanden. Feuer frei!  (ph)

 

 

Berlin Alexanderplatz

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Alfred Döblins wegweisenden Großstadtroman in die Gegenwart zu übertragen und die Hauptfigur in einen afroamerikanischen Flüchtling zu verwandeln, hört sich zunächst nach anstrengender poltical correctness an. Umso überraschender dann das Ergebnis: Drei (!) wirklich packende Kinostunden, die sich mühelos neben Rainer Werner Fassbinders so ganz anders gearteter 14stündiger TV-Verfilmung behaupten. Franz Biberkopf, der fatalerweise an den Zuhälter Reinhold gerät und von ihm erst um seinen rechten Arm, dann um sein Liebstes gebracht wird, ist jetzt der 30jährige Francis B. aus Guinea-Bissau, der es im Zentrum von Berlin vom Kleindealer zur Halbweltgröße bringt, bevor das Schicksal in Gestalt des hier als unberechenbaren Psychopathen gezeichneten Reinhold zuschlägt. Toll gemacht, brechtisch in fünf Teile und einen Epilog strukturiert und dennoch voller Leben und praller Authentizität. Wie in Parks Drogen an den Mann gebracht werden ("Hipster zahlen doppelt!"), hat man vermutlich noch nie so detailliert erklärt bekommen, und daß just der treuherzige Joachim Król hier einen Unterweltkönig der alten Schule verkörpert, setzt dem auch sonst brillanten Cast das Besetzungskrönchen auf. Nur die (wenigen) symbolistischen Einsprengsel (der Stier des Schicksals ...) hätte man sich sparen können, aber irgendwo mußte wohl dem spätexpressionistischen Stil der Döblinschen Romanvorlage Tribut gezollt werden.  (HL)     

 

Tenet

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Um auf die Frage aus dem Vorspann einzugehen: Es zahlt sich aus. Noch. Ein bissl. Aber nicht mehr lange. Früher oder später - nach der zweiten oder achten Welle, nach der endgültigen LGT-BBQ- und Dummfeminismus-Übernahme, nach dem nächsten hochgekochten und gar nicht mehr so kryptokommunistischen BLM-Skandal - wird es kein Kino mehr geben. Zumindest nicht in der Form, wie wir es kennen - und die unterscheidet sich mit ihren öden Kinocentern und den schmuddelig-verhipsterten Cineastenkinos ohnehin schon stark von der, die wir einst kannten. Weil Filme und Serien, heute mehr denn je und sogar noch stärker als in der Propaganda-Ära des 2. Weltkriegs, ebenso wie alle Massenmedien nur noch der plumpen Ideologievermittlung und Gehirnwäsche dienen. Und das ist halt, wenn man es einmal durchschaut hat (und es wird immer schwerer, es nicht zu sehen, selbst in reinen Unterhaltungsfilmen), alles andere als unterhaltsam ...

Nutzen wir also das bißchen Zeit, das uns als Kinofreunden noch bleibt, für die Werke der Regisseure, denen es noch wirklich ums Filmemachen und um das Kinoerlebnis geht (auch wenn sie sich mehr und mehr politisch korrekte Details hineindrücken lassen müssen, um die woke-Mafia zufriedenzustellen). Christopher Nolan ist einer von den Filmemachern, die seit seinem Beinahe-Debüt "Memento" so gut wie nichts falsch machen - angefangen von seiner "Batman"-Trilogie (nur das mit der Death-Metal-Stimme war ein wenig seltsam ...) über visionäre Werke wie "Inception" und "interstellar" bis hin zum Weltkriegs-Drama "Dunkirk", das wenigstens optisch interessant war. Mit seinem neuen Film "Tenet", von dem die Welt bisher nur Trailer kennt, betritt er wieder die Welt der Science Fiction, gemischt mit Thriller-Elementen und viel Philosophie. Sein "Protagonist" genannter Protagonist (John David Washington) soll die Welt vor einer Katastrophe retten, wird von einer Geheimorganisation namens "Tenet" angeworben und bekommt es mit einer Manipulation der Zeit in Form der "Inversion" zu tun. Die hat laut Nolan nichts mit Zeitreisen zu tun, sondern mit Dingen, die - gegen die Entropie - rückwärts durch die Zeit reisen.

Klingt kompliziert, doch es wird Christopher Nolan zweifelsohne wieder gelingen, das Thema zu einem in jeder Hinsicht sehenswerten Film mit innovativen Spezialeffekten zu machen. Die Frage ist nur, ob und wann wir "Tenet" zu sehen bekommen werden. Derzeit steht der Starttermin wieder einmal in Frage, weil Kinoschließungen in Kalifornien/Schandmasken-Pflicht/Coronoa-blabla ohne Ende. Lassen wir uns also überraschen, wann uns "Tenet" wirklich überraschen wird ...  (ph)

 

 

Il Traditore (Der Verräter)

Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra

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Ich sag´s ja ungern, aber: Mafia-Filme haben schon was! Diesem hier gelingt der Spagat, die klassische Monumentalität von Coppolas legendärem Paten mit der fiebrigen Hysterie von Scorseses Goodfellas zu verbinden. Es geht, wieder einmal, um eine "wahre Geschichte": um jenen 2000 friedlich verstorbenen Mafioso Tommaso Buscetta, der sich aus nie ganz geklärten Gründen Mitte der 1980er Jahre dazu entschloß, auszusteigen und - siehe deutscher Zusatztitel - als Kronzeuge gegen seine einstigen Mit-Mafiosi auszusagen. Der inzwischen 80jährige Marco Bellocchio (Die Faust in der Tasche, 1965!) hat diese düstere Biographie mit einer einfallsreichen Verve verfilmt, die man manch jüngerem Kollegen wünschen würde - mit drastischer Gewalt, wo es nötig ist, aber auch mit grimmigem Witz und subtiler Nuancierung. Da geraten mafiose Bandenkriege schon einmal außer Kontrolle (beim Leichen-Countdown läuft ein eingeblendeter Zähler mit!), da erweist sich die brasilianische Polizei als ebenso skrupellos wie die Verbrecher, und da kippen (historische) Gerichtsverfahren mitunter beinahe ins Groteske. Dazu ein herrlich beschwingter Soundtrack von Nicola Piovani, der fast an Arbeiten von Nino Rota denken läßt, und ein typengerecht präziser Cast, aus dem der bullige Pierfrancesco Favina in der Titelrolle noch herausragt. Die zweieinhalb erhellenden Kinostunden vergehen wie im Flug!  (HL)

 

 

Unhinged - Außer Kontrolle

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Das soll er also sein, der erste US-Blockbuster, der die Massen nach Corona wieder in die Mainstream-Kinos locken soll. Nun, Blocks wird der kleine Thriller keine busten, aber als kompakte sommerliche Spannungsware geht das mit 90 Minuten angenehm kurze Filmchen durchaus durch. Der dünne Plot hat sich längst herumgesprochen: Russell Crowe spielt einen durchgeknallten Truck-Fahrer, der sich nach einem unbedeutenden Zwischenfall an die Rücklichter eines von einer gestreßten jungen Mutter gelenkten PKWs heftet - Gewalteskalation inklusive. Natürlich lassen da Vorbilder von Duell über Hitcher, der Highway-Killer bis Falling Down grüßen, doch Regie-Routinier Derrick Borte (American Dreamer) steigert die Action immerhin so effektiv, daß man über die klaftertiefen Logiklöcher gnädig hinwegsieht. Speziell eine Szene in einem Café geht in ihrem abrupten Stimmungswechsel schon unter die Haut. Dennoch und den durchwegs guten Darstellerleistungen zum Trotz: Das wirklich Beängstigende an diesem Film bleibt der unkontrollierte Körperumfang, den sich Russell Crowe inzwischen angefressen hat.  (HL) 

 

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