Kolumnen_Miststück der Woche II, Pt. 80

Falco: "The Spirit Never Dies (Jeanny Final)"

Wie nennt man Tote, die auch nach dem Ableben noch über die Erde wanken? Richtig, die heißen Zombies oder eben Falco. Und der kann natürlich überhaupt nichts für das, was nun mit ihm passiert - meint Manfred Prescher.    14.12.2009

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Wenn ich Wolf Haas wäre, würde ich diese Kolumne in etwa so beginnen: "Jetzt ist schon wieder was passiert. Direkt aus einem feuchten, muffigen Keller heraus im deutschen Frankfurt hat der Gunter Mende über das Stiegenhaus hoch ein paar Tonbänder getragen. Direkt in eine nur spärlich beleuchtete Wohnung, in der ein paar Männer um ein Abspielgerät herum saßen und warteten. Aber nicht, daß du jetzt denkst, die hätten sich das Band jetzt sofort angehört. Nein, sie zündeten sich dicke Zigarren an, die auf den Schenkeln kubanischer Jungfrauen gerollt wurden und zählten imaginäres Geld. Du mußt wissen, daß das Geld, das man morgen kassieren kann, immer noch das beste ist. Und irgendwie waren sie alle schon ein wenig Ding an diesem Abend ..."

Ganz so trug es sich natürlich nicht zu. Die Bänder mit dem bis jetzt unveröffentlichten Material hatte der Gunter Mende einfach in einen Karton gelegt und diesen in den Keller geschleppt. Ein Wasserrohrbruch brachte die Aufnahmen aus dem Jahr 1987 jetzt ans Licht; angeblich sollen selbst große Werke des Johann Rockmeamadeus Hölzel von der Feuchtigkeit verwässert worden sein. Welch ein Elend! Aber "Junge Römer" oder "Einzelhaft" oder "Falco 3" hat man doch längst digitalisiert, um sie nachwachsenden Fans via Amazonien anbieten zu können.

 

"The Spirit Never Dies", jenes posthum und wohl an den Wünschen Falcos vorbeiveröffentlichte Album, hat sicher zu Recht im Keller gelagert. Zu Mozarts Zeiten hätte man damit ein veritables Feuer geschürt und so eine Zeitlang der winterlichen Kälte in Wien getrotzt. Oder man hätte es in der Donau versenkt - sollen sich doch die Piranhas im Schwarzen Meer drum raufen. Aber heute, heute macht man aus jedem Müll Geld, ganz egal, ob einer wie Falco das verdient hat. Der war zwar zu Lebzeiten auch nicht davor gefeit, Mist zu veröffentlichen, aber das Zeug hätte er sicher nicht herausgebracht. Nur über seine Leiche, sozusagen. Aber das hat er jetzt davon: Er ist tot und kann sich nicht wehren.

Im Zentrum des Albums steht die "Jeanny"-Trilogie, und man gaukelt uns vor, daß Falco unbedingt den dritten Teil des Lustmorddramas machen wollte. Dabei ist ihm schon die Fortsetzung der wirklich großen Schmonzette - "Wo ist dein Schuh/du hast ihn verloren" - nicht wirklich geglückt. Dementsprechend war "Coming Home" nur in Deutschland Nummer 1 in den Charts, während es in Österreich bis auf Platz 4 kam. Das Lied war ein fader Aufguß, der nicht besonders schmeckte.

Und jetzt das. Wenn man der Presse glauben darf, herrschte bereits 1987 blankes Entsetzen über die Aufnahmen. Nur vier Stücke der Session wurden für das Album "Wiener Blut" verwendet, das 1988 herauskam und auch schon nicht als Falcos Meisterwerk bezeichnet werden kann. Die damalige Plattenfirma hatte es halt mit einem Lebenden zu tun, der vielleicht noch mal was Gscheites zuwegebringen könnte. Bei dem Talent ja leicht möglich. Aber nu isser mausetot, und es ist nicht zu erwarten, daß noch was nachkommt. Deshalb muß man die Abfalltonne der Geschichte durchwühlen oder auf einen Wasserrohrbruch hoffen. Oder nachhelfen ...

 

Der dritte Teil von "Jeanny" ist noch unnötiger als ein Kropf und noch schlimmer als es Pest, Cholera, das BZÖ und die Schweinegrippe in Personalunion sein könnten. Wer Böses denkt, könnte leicht auf die Idee kommen, die Verantwortlichen hätten noch private Rechnungen mit Falco offen und wollten daher ein letztes Mal richtig auf seine Kosten lachen. Vielleicht haben sie diese unterirdische Nummer aus den Tiefen, die nicht einmal ein Dieter Bohlen je zuvor betreten hat, auch einfach und hinterfotzig von jemand anders einsingen lassen. Falco klingt nämlich so heiser wie ein Tom Waits aus irgendeinem Wiener Randbezirk. Oder wie ein total unmusikalischer Mensch nach durchgemachter Donauinsel-Orgie. Irgendwie hat das was von "Die weißen Tauben sind müde" oder dem Lied aus der Becks-Werbung. Sail away, Segelohr. Am besten nimmst du dieses Miststück mit, und wir rocken wieder den Amadeus, bis der Mann mit dem Koks aus den Federn muß. Halleluja.

Nächste Woche geht es hier übrigens wieder um echte Musik, nämlich um die der Vienna Scientists. Deren Sounds sind garantiert zu gut für den Keller. Es sei denn, dort findet eine Party statt.


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Falco - The Spirit Never Dies

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Warner

 

(Photo © starsandpicture)

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Kommentare_

EmotionalMan - 15.12.2009 : 20.02
Über diesen fast schon manisch agressiven Bericht kann ein Falco Fan nur den Kopf schütteln... Aber egal... kein einziger Schmierfink auf dieser Welt wird es schaffen dem Hans zu schaden... Platz 3 in den Singlecharts - obwohl gar keine Single erschienen ist - und Platz eins in den Albumcharts...spricht für sich! The Sprit never dies... WILL LAST FOREVER!
kerni - 16.12.2009 : 18.49
Oh Gott ist das schlecht geschrieben. Wird auch nicht in den journalistischen Schreiberlinge-Himmel eingehen, dieser Erguß - das sag ich euch.
WerOhrenHatDerHöre - 16.12.2009 : 18.53
"Manfred Prescher, geboren 1961 in Nürnberg. Schreibt, seit er denken kann."

Seit ihr euch da sicher? Ich bezweifle beides ...
Dr. Trash - 16.12.2009 : 23.13
Na, da hat sich wohl der Fan-Club der einsamen Herzen zu einem letzten Hallo aufgerafft ... gratuliere. Demnächst werden die Herren Manager im Zuge der nicht endenwollenden Leichenfledderei wahrscheinlich Hansis Knochen anbieten, exklusiv und in beschränkter Auflage. Spart ihr schon?
Guido Rohm - 18.12.2009 : 12.32
EmotionalMan, kerni und WerOhrenHatDerHöre!

Drei Namen, wie für die Ewigkeit geschaffen. Die Heiligen Drei Könige der emotional-kernigen JetztGibtEsWasAufDieOhrenFraktion.

EmotionalMan klingt nach dem Nickname in einem Forum für einsame Herzen (aber nur für die reiferen Jahrgänge). Er mag Seidentücher, Vollmondnächte und Sprit. (Warum auch immer?)

kerni klingt nach Sesamstraße, Massen an Chipstüten und hin und wieder (der Gesundheit wegen) mal ein paar Erdnüssen. Außerdem mag er keine Großbuchstaben in seinem Namen, dafür aber den lieben Gott.

Und WerOhrenHatDerHöre hat einen Namen, der ihn als Angehörigen der (zum Glück) aussterbenden DerIchErfindeKomischeNamenOhneLeerzeichen-Spezies ausweist. Er mag Großbuchstaben in seinem Namen. Leerzeichen hasst er dafür umso mehr.

Weil die Herren zu ihrer Meinung stehen, haben sie ihre bürgerlichen Namen benutzt. Den Mut haben Sie bewiesen, und lassen ihn sich auch nicht absprechen.

kerni schrieb: „Wird auch nicht in den journalistischen Schreiberlinge-Himmel eingehen, dieser Erguß - das sag ich euch.“
Dieser Satz leider auch nicht.

Ansonsten: Manfred Preschers Text rockt. Ihr nicht. Mehr gibt es nicht zu schreiben.
Manfred Prescher - 18.12.2009 : 16.51
... und das mir, der ich Falco nun wirklich schätze. Man weiß ja nicht, was er zu der gequrlten Grütze sagen würde. Schließlich gibt's von jedem Künstler Dinge, die besser im feuchten Keller verblieben. Aber das Volk (in Österreich wohlgemerkt, in Deutschland wird die Platte überall abgewatscht und auch nicht so oft verkauft) kauft das Ding wie blöd. ;Wie war das gleich? Millionen Fliegen können nicht irren, drum fresst Sch... : Aber damit täte man dem Mann, dem wir "Junge Römer", "Amadeus" oder das famose "Einzelhaft"-Album sauunrecht. Das müssen die Herrschaften vom Fanclub nicht kapieren, so lange sie so putzige Kommentare absondern. Was will man mehr? Allein dafür hat es sich gelohnt, die Aufnahmen zu bergen.
Manfred Prescher
EmotionalMan - 18.12.2009 : 20.17
Lieber putzige Kommenare abliefern als so einen Bullshit-Kommentar zu verfassen... ;-)
...und Guido Rohm klingt nach pseudointellektuell...und unfreiwillig witzig... gepaart mit shütternem Haar... eben so wie der Guido Horn etwa...ggg... wenn wir schon beim Austeilen von Nettigkeiten sind *smile*...
...was der Hans noch immer für Diskussionen auslösen kann...wie zu Lebzeiten ;-))
U
Manfred Prescher - 21.12.2009 : 09.51
Lieber EmotionalMan,
Wir verstehen uns ja doch: Lieber putzige Kommentare - und Eure bereiten mir zum Fest eine große Freude. Genau deshalb gibt's die putzige Kolumne, immer Montags und immer mit Liebe gemacht. Bleibt nur eine Frage: Wie schreibt sich der Vorname des Herrn Horn? Bei mir war schließlich auch nicht von Falko die Rede. Ich wünsche dem Fanclub ein frohes Fest und eine besinnliche Wartezeit auf die Auferstehung des Herrn H.
EmotionalMan - 23.12.2009 : 20.42
Achja... hat sich doch ein l beim Herrn Horn verflüchtigt...ggg...lieber Guildo Horn...Sorry...aber du warst ein Opfer auf Grund der ganzen Aufregung um den Herrn H.
Weihnachten kommt... also lasst uns doch Frieden schließen...jedem seine für ihn sicherlich berechtigte Meinung...
Und es ist doch gut so... 12 jahre nach Falcos Tod gibts noch immer zahlreiche kontroversielle Berichte über ihn... und wie hat er schon selbst mal gesagt... egal was sie schreiben... hauptsache man is in der Zeitung...;-) Besser a schlechte Publicity als gar keine...
Und... je öfter ich die Aya-Session Lieder höre... desto genialer erscheinen sie...;-) Aber... das ist halt wieder mal nur eine ganz subjektive Fan-Meinun...ggg

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