Kolumnen_Miststück der Woche, Pt. 50/Teil 5

Die größten Miststücke aller Zeiten (41-50)

Den Abschluß von Manfred Preschers Jubiläums-Miststück macht die Dekade vor der Jahrtausendwende: Rock trifft HipHop, sich selbst und irgendwann sogar Johnny Cash.
   20.10.2006

Man kennt das ja: Langsam quält man sich aus dem Bett - und noch ehe man sich damit beschäftigen kann, mit Schwung und Elan in den Tag einzugreifen, wird man schon überrollt. Unter der Dusche, beim Rasieren, beim Frühstücken, im Auto: Immer hat man dieses eine Lied auf den Lippen, summt es vor sich hin, nervt damit die Umgebung. Dabei weiß man nicht mal, wie es dieses Miststück von Song überhaupt geschafft hat, die Geschmackskontrollen zu überwinden. In dieser Kolumne geht es um solch perfide Lieder.

 

Eine musikalische Autobiographie zum Jubiläum: Manfred Prescher präsentiert 50 Songs, die er nie aus den Ohren verloren hat. Den Anfang macht die Ära vor den Sixties - von den Marx Brothers bis Dean Martin. Lesen Sie mehr ...

 

Teil 2: Die Sechziger - ein Jahrzehnt, in dem für kurze Zeit wirklich alles möglich war. Lesen Sie mehr ...

 

Teil 3: Auch die Siebziger hatten einige Miststücke zu bieten: Rock war zwar tot, doch auch Disco und Punk tanzten nur kurze Zeit. Lesen Sie mehr ...

 

Teil 4: Das waren die Achtziger - erst wurden Hits auf der Spülmaschine gespielt, dann zerredete man das Wort "Pop".

Lesen Sie mehr ...

 

Und zum Schluß geht´s Miststück-mäßig weiter in die Nineties. Die stehen schließlich auch bald für die große Retro-Vermarktungswelle bereit. Informieren Sie sich also hier darüber, was Sie demnächst aufgewärmt wieder zu hören kriegen werden.


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

41. Oasis - Champagne Supernova


Der Schluß des besten Oasis-Albums "(What´s The Story) Morning Glory?" bringt Gegensatzpaare ("Slowly walking down the hall/faster than a cannon ball") zueinander und beschwört damit die zerstörerische Kraft, die - "Star Trek"-Fans wisssen das - entsteht, wenn beispielsweise Materie und Antimaterie oder Noel und Liam Gallagher aufeinander treffen.

 

Links:

42. Soundgarden - Spoonman


Den Löffel raus aus dem Obstgarten und damit ein rockig Lied getrommelt: "Spoonman" ist garantiert der einzige Song mit eingebauter Löffelchenstellung: Hier klingt das Frühstücksbesteck so grungig, daß die Zerealien in der Snaredrum umherspringen. Michael Beinhorn produzierte ein überschweres, aber eingängiges Stück Hardrock-Jazz, das einem Soundgardens dunkle Weltsicht mit dem Löffel einbleut.

 

Links:

43. De La Soul - Me, Myself & I


Dieser Groove macht wirklich gute Laune und vertreibt auch heute noch den inneren Gangsta-Rapper. Als De La Soul das Gänseblümchenzeitalter ausriefen, folgten unter anderem die Jungle Brothers, A Tribe Called Quest und die genialen Digital Underground - doch das nach einem Johnny-Cash-Klassiker (!) benannte De-La-Album "3 Feet High And Rising" bleibt das Genre-Meisterwerk. Und das enthält den Song über die unheilige Dreieinigkeit aus "Me, Myself & I". Nebenbei gelang es Posdnuos, Trugoy und Pasemaster Mase, einen HipHop-Song zum Mitsingen zu kreieren. Verrückter die Zeiten nie waren ...

 

Links:

44. Public Enemy - Fight The Power


Der Soundtrack-Beitrag zu "Do The Right Thing" ist nicht der beste Song der Hardcore-Truppe um Chuck D. und Flavor Flav, auch nicht der kompromißloseste, wohl aber der mächtigste Rundumschlag. Ein Adrenalinstoß, der auch dann wirkt, wenn man gerade mal nicht die Interessen der Black-Muslim-Bruderschaften vertritt, ein Kick, der ungeahnte Kräfte freisetzt.

 

Links:

45. Faith No More - Kindergarten


Bevor Mike Patton die Leine zog und die Band in Richtung des trashigen Kunst-Schmock-Projekts Mr. Bungle verließ, erstellte er mit Faith No More noch das Album "Angel Dust", das auch schon zu gut für diese Welt war. Der Crossover-Rock, der die Band berühmt machte, wich düsteren Kaskaden, die so eingängig waren, daß sie Schmerzen verursachten. Dieser "Kindergarten" wäre also genau der Ort, an dem man seinen Nachwuchs nur abgibt, wenn man ihn auf Lebzeiten zerstören will.

 

Links:

46. Depeche Mode - Enjoy The Silence


In der Ruhe liegt nicht nur die Kraft, in der Ruhe liegt auch wahre Schönheit. Damit wir uns diese Weisheit einprägen, hat Martin Gore dieses Lied geschrieben: "Words like violence break the silence" - und genau das ist der Grund, warum viele Streitigkeiten eskalieren. Oder anders: "Ein 'Halt´s Maul' zur rechten Zeit hat noch niemals gereut."

 

Links:

47. Euromasters - Alles naar de Kl--e


Wenn dieses frühe Hochgeschwindigkeits-Techno-Miststück ein Auto wäre, es wäre garantiert nicht bei 250 km/h abgeregelt. Es würde den Fahrer binnen weniger Sekunden auf 400 Kilometer beschleunigen und ihm mit einem gewaltigen Drehmoment die Hoden auf den Sitz tackern. Genau das bedeutet "Alles naar de Kl--te": immer alles auf die Klöten.

 

Links:

48. Nine Inch Nails - Hurt


Eigentlich wird Trent Reznor überschätzt, doch das Album "The Downward Spiral" ist ein bitterböses Meisterwerk, die beste Platte seiner Karriere. Neben einer Reihe erstklassiger Songs sind darauf die giftige Tanznummer "Closer" und das Selbstzerstörungs-Manifest "Hurt" zu finden. Dieses Lied bekam in der Version von Johnny Cash noch eine zusätzliche altersbedingte Spur Tiefgang.

 

Links:

49. Guru - Loungin´


Jazz und HipHop - das ist es, was Guru bei Gang Starr interessierte. Zusammen mit seinem Partner DJ Premier entwickelte er tiefe Sounds, die er bei seinem Soloprojekt Jazzmatazz durch Beimengung von Blue-Note-Klassik verfeinern wollte, was zum Großteil in Beliebigkeiten gipfelte. Das unter anderem mit dem Trompeter Donald Byrd eingespielte "Loungin´" ist da anders: Es funkelt wie eine Sternennacht, die man zu zweit in einer Cocktailbar auf der Terrasse eines Hochhauses verbringt. Während die Musik groovt, verspricht ein Guru in laszivem Ton, daß der Rest der Nacht wunderschön und "mellow" werden wird.

 

Links:

50. Johnny Cash - The Man Who Couldn´t Cry


Einen echten Unglückswurm besingt, besser bespricht Johnny Cash im letzten Stück des ersten von Rick Rubin produzierten "American Recordings"-Album: Sein Hund starb, seine Frau betrog ihn und ging schließlich auch noch, die Berufslaufbahn als Broadway-Autor war eine einzige Katastrophe, im Krieg verlor er einen Arm, danach wanderte er ins Zuchthaus. All das brachte ihn nicht mehr zum Weinen. Doch dann: "He was removed from jail and placed in a place/For the insensitive and the insane/He played lots of chess and made lots of friends/And he wept every time it would rain/Once it rained fourty days and it rained fourty nights/And he cried and he cried and he cried and he cried/On the fourty-first day, he passed away/He just dehydrated and died." Im Himmel brachte er dann alles mit der nötigen Härte in Ordnung ("Cancer robbed the whore of her charm") - und fand sogar seinen Hund wieder ...

 

Links:

Kommentare_

Kolumnen
Fundamentalteilchen 17/417

Alte Freunde, neue Zeiten

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 17. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ina Müller.
 

Kolumnen
Fundamentalteilchen 16/416: Der Winter steht vor der Tür

Wolle mer ihn reinlasse?

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 16. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Deine Freunde.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 15/415: Der vermaledeite Brummschädel

Das ewige Kommen und Gehen

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die 15. Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Ava Vegas.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 6/406: Haruki, Elvis und ich

Literatur ist es, wenn man trotzdem lacht

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die sechste Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Elvis Costello.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 5/405: Seit sieben Wochen keine komischen Streifen am Himmel und jeder dreht durch

Angriff der Kichererbsen

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die fünfte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Lana Del Rey.  

Kolumnen
Fundamentalteilchen 4/404: Mach nicht so viel Wind, mein Kind

Wenn es draußen stürmen tut, ist das Wetter gar nicht gut

Nach dem "Miststück der Woche" kommen die "Fundamentalteilchen". Lesen Sie jetzt die vierte Ausgabe von Manfred Preschers musikalischem Walkürenritt für die Ewigkeit - feat. Charlotte Brandi & Dirk von Lowtzow.