Kolumnen_Miststück der Woche III/61

Willie Nelson & Roseanne Cash: "Please Don’t Tell Me How The Story Ends"

80 Jahre alt ist der texanische Haudegen mittlerweile, aber wenn es um Liebe und Triebe geht, gurrt und singt er - frei nach Dion - wie ein "Teenager In Love". Für Manfred Prescher der Grund, mit Nelson einmal auf den Pfaden von Rosamunde Pilcher zu wandeln. Here we go.    25.11.2013

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Ich heiße Willie Nelson. Das mal zuerst. Und ich will euch heute nicht damit langweilen, daß ich geschätzte 500 Millionen goldene Schallplatten an die Wände meines Tourbusses hängen müßte. Die Teile habe ich allerdings längst für gute Zwecke gestiftet, ist eh alles nutzloser Ballast. Was ich brauche, sind ab und an ein paar gute Joints, eine Gitarre, Musiker, die ihren Spaß an der Sache ernst nehmen, und mein Herz. Damit schreibe ich Songs. Manchmal setz´ ich dazu auch "My Ding-A-Ling" ein, aber das nur am Rande. Ja, und irgendwas fehlt da noch. Gebt mir einen Moment Zeit, mein Arbeitsspeicher stammt noch aus einer Zeit, in der Apple was zum Essen war und bei uns in Texas an den Bäumen wuchs. Ach, piss doch das Gürteltier auf die guten alten Zeiten ...

 

Es war dieser magische Abend da am See. Die Tochter vom alten Cash und ich fuhren mit einem klapprigen Toyota Hybris oder so von Burnet zum Inks Lake. Wir stiegen aus, und uns fröstelte. Der Herbst neigte sich halt schon in Richtung Winter und wurde von dessen eisiger Zunge geküßt. Roseanne steckte ihre kalte Hand in meine Manteltasche und zerkrümelte nervös meinen allerletzten Ganjastengel. Wir schwiegen, obwohl wir ununterbrochen redeten. Von vor zehn Jahren, als es zwischen uns so knisterte, daß man uns hätte löschen müssen, wenn uns nicht die verdammte Pflicht gerufen hätte. Damals wollte ich unbedingt ein Album mit Roseanne aufnehmen. Und jetzt? Ich wollte einfach nur hier mit ihr stehenbleiben und aufs reglose Wasser schauen.

Ein paar Enten versteckten die Köpfe unter dem Gefieder. Die Vögel schwammen immer noch paarweise nebeneinander, obwohl sie sicher keinerlei Nachwuchs zeugen wollten. Bei uns in Abbott gibt es ein praktisch geflügeltes Wort: "Kalbt die Ente noch im Winter, wird´s zu kalt für ihre Kinder." Johnnys Tochter lehnte sich an mich, und ich spürte ihren schlanken Körper. In dem Moment wußte ich, daß ich überhaupt nicht wissen wollte, wie diese Geschichte enden würde. Ob wir uns auf dem nebligen Steg da draußen küssen würden? Stiefeltief im Dung stehend? Oder später im Motel eine Nacht miteinander verbringen wollten? Vielleicht würden wir für den Rest unseres Lebens ein Paar bleiben? Keinen Schimmer. Ich ahnte nur, daß es sich dann lohnen würde, 150 Jahre alt zu werden.

Wie sang ich schließlich mit Waylon, Kris und Roseannes Altem vor Urzeiten? "The road goes on forever and the party never ends". Aber eines war auch klar: Ich würde sie nicht von der Kante schubsen. Mußte nur schauen, ob ich noch ein paar von den kleinen blauen Pfizer-Bonbons in meinem Beischlafutensilienkoffer hatte. Hier draußen hat der Drugstore nämlich schon bei Einbruch der Nacht geschlossen.

Wir hielten uns an den Händen, und uns wurde tatsächlich warm. Ich hatte dieses Lied auf den Lippen, das Kris irgendwann in den siebziger Jahren selig für Ronnie Milsap geschrieben hat. Ich fragte Roseanne, ob sie es kennt. Und so sangen wir gemeinsam die unsterblichen Zeilen in das nächtliche Dunkel draußen am Inks Lake: "Just let me enjoy it ´til it´s over, or forever/Please don´t tell me how the story ends". Und wir dachten beide, daß diese Geschichte nicht gleich auf der ersten Seite zum Schluß kommen sollte.

Nächste Woche übergebe ich die Kolumne wieder an den fränkischen Highwayman Manfred Prescher. Der wird euch, behauptet er zumindest, dann etwas über Jake Bugg erzählen. Dieser Musiker ist zwar noch grün hinter den Löffeln, aber doch recht begabt. Könnte fast ein Kind von Roseanne und mir sein - aber er behauptet, von Dylan abzustammen. In diesem Sinne: Haltet die Ohren und meinetwegen auch etwas anderes steif,


euer Willie

 


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Willie Nelson & Roseanne Cash: "Please Don´t Tell Me How The Story Ends"

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Enthalten auf der CD "To All the Girls..." (Legacy/Sony Music)

 

(Photo Roseanne Cash © Deborah Feingold)

Links:

Rosanne Cash: "I´m Movin´ On"

Miststück der Woche II, Pt. 77/ 9.11.2009


Wenn der Daddy im Country-Himmel sitzt, dann muß das Töchterchen ran. Und das erledigt die Fortsetzung der Familientradition nicht erst seit heute perfekt - findet Manfred Prescher.    

Links:

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