Kolumnen_Zapped

This is the End

Die Welt geht in ihre letzte Runde, sagen die Maya. Die Vögel und die Fische haben das erkannt und sich zum Massenselbstmord entschlossen, aber die Menschen wollen es immer noch nicht glauben. Sind Sie auch so ein Skeptiker? Ich zähle Ihnen ein paar Punkte auf, die Sie davon überzeugen, einen Bunker zu bauen.    17.01.2011

Das Jahr hat schon schlecht angefangen, geht sicher schlecht weiter und endet mit einem Knall. Dann heißt es: Baba Welt, es hat uns sehr gefreut, habe die Ehre, die letzte Kuh macht's Türl zu. Unmöglich? Sehr wohl möglich, aber für die Pedanten unter Ihnen habe ich eine Pro- und Kontra-Liste erstellt:

Pro heißt soviel wie pro Weltuntergang, pro Vorboten, pro Esoterik und pro Mayakalender. Und Kontra ist wie immer dagegen.

Warum der Aufwand? Damit Sie sehen, was ich sehe, und warum ich einsehe, daß alles einmal ein Ende hat. Meine gut recherchierten Informationen beziehe ich übrigens von dort, wo immer die Wahrheit gesagt wird und nichts als die Wahrheit: Vom Fernsehen. Meine Argumente sind also hieb- und stichfest.

 

Pro:

Die Vorboten zur Hölle winkten schon am 1. Jänner: Die Windlotterie hat entschieden, daß beim Neujahrsspringen kein (!) Österreicher auf dem Stockerl stand, sondern ein Schweizer - das ist definitiv der Anfang vom Ende.

 

Kontra:

WIR haben es trotzdem geschafft, die Vierschanzentournee zu gewinnen, das gibt Anlaß zur Hoffnung. UNSER Erfolgsgeheimnis ist klar: WIR trainieren hart für den Erfolg, WIR halten den Druck aus, WIR haben das beste Material, und die besten Leute massieren UNS die Wadln. Sind Sie auch so stolz, Österreicher zu sein?

 

Pro:

Die Sonne hat sich verfinstert. Kaum aus dem Silvester-Delirium erwacht, mußten wir die Helligkeit nicht lang ertragen, denn wieder einmal hat sich der Mond vor die Sonne gedrängelt. Na und, fragen Sie? Also bitte: Sonne weg, Götter zornig, Leben aus - das weiß doch wohl jeder.

 

Kontra:

Ein Medienereignis ist es nur dann, wenn die Medien es als Ereignis definieren. Da die Medien an diesem Ereignis kaum interessiert waren (nicht so wie bei der SOFI von 1999, bitte, da hat es sich schon Wochen vorher abgespielt wie nur was), hat sich das Ereignis vielleicht gar nicht ereignet.

Augenzeugen berichten zwar von einem sichelförmigen Einschlag in der Sonne, aber da Leute mit Verstand um diese Zeit noch schlafen und alle anderen unverständlicherweise in der Arbeit hocken, kann die Sonnenfinsternis genausogut niemals passiert sein.

 

Pro:

Medial interessanter, weil ein Mysterium (und darauf stehen die Berichterstatter): Das Massensterben der Vögel, zu denen sich auch noch zwei Millionen Fische gesellt haben. Haben Sie's gehört? Man kommt ja kaum dran vorbei: Die Bilder von Männern in Schutzanzügen, die Vögel von der Straße kratzen, sind überall, außer an den Feiertagen.

Und wenn's schon die Vögel tun, danach die Bienen und eventuell noch wohlerzogene Fliegen, dann ist es klar: Wir sind die Nächsten!

 

Kontra:

Man munkelt auf der Straße, daß sich die Vögel bloß vor den Böllern erschreckt haben. Daß die Fische am Kälteschock eines immer wieder überraschenden Winters gestorben sind. Daß Roland Emmerich sein Archivmaterial an die APA verkauft hat, weil es urplötzlich auf der Welt keine anderen Probleme mehr gibt.

Man munkelt sogar, daß der Erdkern nicht stillsteht, daß die Erde nicht aufbrechen wird und keine neue Eiszeit die Freiheitsstatue unter sich begräbt. Wie langweilig!

 

Pro:

Das Fernsehjahr 2011 wiederholt schamlos das Fernsehjahr 2010. Getreu dem Motto "never change a winning team" offerieren uns diverse Bildungssender brandneue Folgen von Altbekanntem; einzig Günther Jauch hat's kapiert und reicht den Stern weiter.

Ansonsten gibt's 2011 wieder neue Superstars, die nach einem Tag vergessen sind, neue Topmodels, die nach einem Monat verhungert sind, und Serien-Ärzte, die völlig unverständliches Zeug reden und dabei gut aussehen - allein dafür haben wir es verdient, ausgerottet zu werden. Denn wenn so gar nichts Neues mehr nachkommt, dann ist es vielleicht wirklich an der Zeit, einen Schlußstrich zu ziehen.

 

Kontra:

Alles Blödsinn, denn wir haben unsere Ressourcen noch längst nicht ausgeschöpft! Es fehlen noch so lustige Formate wie "Austrias next Kettensägenmassaker": 10 Profikiller müssen ihr Talent vor einer Jury von Fachleuten beweisen, und der Gewinner darf Dieter Bohlen eine Kugel in den Kopf schießen. Oder so witzige Shows wie "Ich bin kein Star, laßt mich hier sterben!": 10 Ex-Prominente, die keiner mehr sehen kann, werden aus dem Flugzeug über dem Dschungelcamp abgeworfen - wer überlebt, den darf die grüne Mamba fressen.

Sie sehen: Es geht noch viel tiefer, das wär' einfach nicht fair gegenüber dem Publikum, solche Schmankerl ungesendet zu lassen.

 

Pro:

Der Mayakalender hat es so gesagt: Im Oktober 2011 oder spätestens am 21. Dezember 2012 ist Schluß, Aus, denn dann kommt die große Sintflut. Und die Maya müssen es ja schließlich wissen, die haben schon die Sterne observiert, da haben wir uns in Europa noch gegenseitig gelaust. Die hatten schon weibliche Herrscherinnen, da haben wir unseren Respekt gegenüber Frauen noch mit einem Knüppelschlag zum Ausdruck gebracht. Die haben schon für die Ewigkeit gebaut, da haben wir noch gar nicht gewußt, was die Ewigkeit überhaupt ist.

Auf dem Merkzettel für dieses Jahr steht also: Bunker in den Alpen bauen, so viele Bohnen mit Speck einlagern, wie Sie vertragen, und die Schreie abwarten.

 

Kontra:

Warum sollten wir eigentlich einem Volk glauben, das sich den Tag mit Menschenopfern vertrieben hat? Das den Todestag des Herrschers mit 9.12.11.5.18 6 Edznab 11 Yax angibt? Und das sich Dornenfäden durch die Lippen gezogen hat?? Scheint mir nicht so vertrauenswürdig, die Quelle.

Merkzettel für dieses Jahr also: Keinen Bunker bauen, dafür wie gebannt die Ski-WM oder Olympiade anschauen oder was auch immer dieses Jahr dran ist. Fahnen schwenken, ein paar Tränen vergießen, auch für den Verlierer des nächsten Supertopmodeltalentsingstar-Wettbewerbes.

Und vor allem: Nicht ausschalten - es gibt sicher noch die eine oder andere Überraschung!  

Nina Munk

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