
Kolumnen_Zapped
"v.d."
Ich wage es kaum auszusprechen. Es verursacht grammatikalische Gänsehaut und sprachlichen Brechreiz. Es ist ein Wort zuviel, und trotzdem ist es überall. Es hat sich hochgearbeitet und gibt bereits Interviews, beherrscht politische Diskussionen und setzt sich dort durch, wo es mir am meisten wehtut: im Fernsehen. 31.01.2011
Nein, ich kann’s nicht sagen, tut mir leid, das ist einfach zuviel. Mag sein, daß schon alle davon reden, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Als wären wir nie ohne "v.d." ausgekommen, als hätten wir Sätze nie anders formuliert.
Ich kann mich noch an eine Zeit davor erinnern: Da kam noch das "d." ohne "v." aus. Trotzdem schien es ihm dabei gutzugehen - kein nebensätzlicher Abfall, keine Sprachtumore, kein Wort dort, wo es nichts zu suchen hat.
Doch dann lag ich eines Tages ganz friedlich vor dem Fernseher, in Walroßhaltung wie immer, und ließ die Schifahrer in Ruhe ihre Arbeit tun. Die Chips auf dem Bauch, rechte Hand frei für den Nachschub, linke Hand Daumen gedrückt, der pure Patriotismus. Ein "Gemma, gemma!" meinerseits hat sie zu Höchstleistungen angetrieben, hat sie mit Bestzeit ins Ziel gepeitscht - die Siegerinterviews haben sie also mir allein zu verdanken, aber werde ich je fürstlich dafür entlohnt? Nicht einmal ein kleines Dankeschön, nicht einmal der Schlüssel zur Stadt, diese miesen ...
Aber ich schweife ab, wo war ich? Ach ja: Siegerinterview. Ich war schon ein wenig stolz auf mein Rennpferd, gerade erzählte es, wie es sich haarscharf ausgegangen ist und wie sehr es sich auf das nächste Rennen freut. Und genau da passierte es: es schlug ein wie der Blitz, mein Atem stockte, meine Hand verharrte im Krampf über der Chipspackung.
Hatte ich mich verhört? War das wirklich ... ? Ja. War es. Und keiner schien etwas bemerkt zu haben! Der Moderator machte einfach weiter wie gehabt, verabschiedete sich von den Zusehern, Trailer zur nächsten Sendung, Werbung.
Ich war geschockt. Ich hatte keinen Hunger mehr. Die Chips bröselten durch meine Finger. Ich war wie gelähmt, schnappte entsetzt nach Luft. Aber es ließ mich nicht los, der verhunzte Satz hatte sich in mein Hirn eingebrannt und stand dort in riesiger, neonblinkender, roter Aufschrift: "Heut is echt guat g’laufen, von daher gfrei i mi aufs nächste Rennen."
Da! Da ist es!! Haben Sie das gehört?? Irgendwann habe ich mich aus meiner Lähmung befreit und das getan, was jeder guter Bürger in so einer Situation tun würde: Ich habe die Sprachpolizei angerufen.
Aber die waren so mit ihren Abkürzungen beschäftigt, mit "lg", "mfg" und "lsmf", daß meine Anzeige auf taube Ohren stieß. Sie werden das beobachten, meinten sie. Auch ich habe das beobachtet, weil vier Ohren ja bekanntlich besser hören als zwei.
Wochenlang passierte nichts. Ich gab Entwarnung, dachte an einen synaptischen Ausrutscher, an dichterische Freiheit, die nach hinten losging. Es war wohl einmal und nie wieder, Glück gehabt. Also brachte ich mich wieder in Walroßposition, Daumen gedrückt, alle übrigen Finger in die Chips vergraben.
Sie kennen das Ende vom Lied bereits: Heute ist es überall. Heute freuen sich alle Sportler "von daher" aufs nächste Rennen. Alle Fernsehköche würzen "von daher" ihr Essen mit Ingwer. Alle Politiker kürzen das Budget "von daher", ganz ungeniert, vor einem Millionenpublikum. Und viele, viele Fernsehjournalisten verabschieden sich "von daher" von ihren Zusehern, Trailer zur nächsten Sendung, Werbung.
Kein "daher" mehr ohne "von". Aber woher kommt dieses dreimal verfluchte Doppelpack, diese unmögliche Kombination? Ganz automatisch will man den Deutschen die Schuld geben, weil die sind ja immer schuld, wenn so ein Sprachzwerg von daher kommt. Ob’s stimmt, kann keiner beweisen, aber woher kommt es dann? Von vorne? Von hinten? Nein: Von daher.
Mittlerweile sind so viele Beschwerden bei der Sprachpolizei eingegangen, daß sie die Entwicklung nicht mehr aufhalten kann. Es überrennt uns. Es ist wie eine Flutwelle, die nicht mehr aufzuhalten ist.
Der Erfinder lacht sich wahrscheinlich ins Fäustchen und sieht uns hämisch dabei zu, wie wir uns einen Knoten in die Zunge machen. Vielleicht hat er sogar ein Patent drauf und verdient sich dumm und deppert an jedem "von daher". Von daher wohnt er wahrscheinlich in einer Villa auf den Malediven.
Ganz schlimm ist es, wenn das "von daher" völlig in der Luft hängt und einfach nicht beendet wird: "Oben sind mir ein paar Fehler passiert, und im Steilhang bin ich am Innenschi ausgerutscht, von daher." PUNKT! Ist das denn zu fassen? Was ist da passiert? Haben sich die Stimmbänder geweigert, die Blamage noch länger zu ertragen? Wollte der Schifahrer so nicht weitermachen und läßt es von daher einfach so stehen? Wir werden niemals erfahren, was nach dem Innenschi-Ausrutscher passiert ist. Könnte sein, daß er trotzdem noch mit Bestzeit ins Ziel gekommen ist. Oder ausgeschieden ist. Wer weiß? Und: Wen kümmert’s heutzutage noch?
Ich vermisse die Nebensätze, die gepaßt haben. Ich vermisse "deshalb", "deswegen", "ergo" - oder auch "daher", ganz ohne "von". Auch schön wäre: "Von dieser Seite betrachtet", ganz ohne "daher". Alles ausgestorben, kommt einfach nicht mehr vor im Fernsehen. Und ich fürchte mich vor dem Moment, wenn es zum ersten Mal medienübergreifend angreift. "Von daher" in Tageszeitungen. Das erste "von daher" in einem Buch. Und schließlich, Tiefstpunkt unserer Sprachkultur: das erste "von daher" im Wörterbuch.
Um mich von meinen Panikattacken zu befreien, schreibe ich es selbst nieder, bevor es ein anderer tut: "von daher". So. Da steht es nun - werdet glücklich damit! Ich habe aufgegeben. Verwendet es, gebraucht es, verbreitet die Kunde - ist mir doch egal. Ganz im Gegenteil: Mehr "von daher" braucht die Welt, starten wir doch gleich eine Kampagne!
Es macht sich sicher auch gut in Serien und Filmen, ein paar Beispiele gefällig?
"Der Patient hat ein akutes Abdomen, von daher muß er sterben." (Dr. House)
"Wir stapfen jetzt schon seit Stunden durch den Dschungel, von daher müßte das Rauchmonster bald kommen." (Lost)
"Ich stürze gleich ab, von daher: Flieht, Ihr Narren!" (Herr der Ringe)
Ich will ja nicht orakeln, aber so sieht die Zukunft aus: "Von daher" wird einmal unsere Welt beherrschen, also gewöhnt euch lieber gleich dran! Ich habe es getan und seither geht es mir viel besser, von daher.
PUNKT.
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