
Kolumnen_Zapped
Wiedergänger
Kennen Sie das auch? Sie sitzen vor dem Fernseher und können sich nicht mehr auf die Handlung konzentrieren, weil Sie irgendeinen Nebendarsteller erkannt haben und krampfhaft versuchen, seine filmischen Wurzeln zu klären.
Nun: Ich habe ihn auch gesehen. Und ich weiß, wo er sonst noch mitgespielt hat.
28.03.2011
Es ist Serienmontag, und ich stelle mich auf einen Marathon ein: Dauerschauen von 20:15 bis 0:15, also von Desperate Housewives bis hin zu Dexter. Drama, Baby! - Das macht den Serienmontag so spannend: Zuerst leiden die Hausfrauen unter Anorexie, dann leiden die Zuseher am Schmalz von Private Practice, dann leiden alle unter der Arroganz von Patrick Jane, und schließlich leiden die Verbrecher unter dem Messer von Dexter; mehr Dramaturgie kann man gar nicht in einen Montag pressen.
Und dann - um 21:55 - passiert es: Da ist dieser Typ. Er spielt einen Patienten im Sterben, tränenreicher Abschied von seinem behinderten Bruder, an seiner gelben Gesichtsfarbe erkennt der Ärzteprofi: Mit seiner Niere stimmt etwas nicht. Oder war es die Leber? Egal, jedenfalls setzt gerade die Geigenmusik ein, der Zuseher schluchzt, Werbung, Überblende auf The Mentalist.
Und wer steigt da aus seinem Sportwagen, locker und lässig, als wäre überhaupt nichts geschehen? Genau: Derselbe Schauspieler, mit pumperlgsunder Gesichtsfarbe, keine Rede von einem behinderten Bruder. Glück gehabt? Falsch: Nach fünf Minuten geht er fast bei einem Bombenanschlag drauf.
Aber das ist noch nicht das Ende vom Lied: Am nächsten Tag, dem Seriendienstag, läuft Lie to me, irgendwas mit Terroristen, Panik beim FBI, Alarm, die Gefahr ist real. Wir spulen vor: Paranoia, Paranoia, und dann die Verhörszene - schon wieder derselbe Heini! Diesmal als harter Undercover-Cop, der enttarnt wird.
Fassen wir zusammen: Zuerst ist er an Nierenversagen gestorben, dann von den Toten auferstanden, dann fast bei einer Explosion wieder getötet worden, und schließlich landet er im Häfen - selbst Jack Bauer hat weniger zu tun.
Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Sehen wir tatsächlich immer wieder dieselben Schauspieler? Oder glauben wir nur, sie zu erkennen, weil sie sich alle so ähneln? Und wer sind diese Leute, deren Namen wir schon beim Lesen vergessen, die uns aber nicht aus dem Kopf gehen, wenn wir sie woanders wieder treffen?
Ich habe investigativen Journalismus betrieben und mich auf die Spur der Nebendarsteller begeben, damit auch Sie endlich wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Vorab zwei Hinweise: Erstens, der nächste Teil der Geschichte ist nur etwas für Serienjunkies wie mich, alle anderen werden bloß gelangweilt mit den Achseln zucken. Und zweitens: Eine Serie haben alle gemeinsam.
Fangen wir dort an, wo wir den Mann mit der ungesunden Gesichtsfarbe entdeckt haben: Bei Private Practice. Können Sie sich noch an Allisons Bruder erinnern? Dr. Archer Montgomery (Grant Show) hat seine Karriere bei Melrose Place begonnen, wo er Alyssa Milano knapp verpaßte - er stieg aus, bevor die zauberhafte Hexe aus Charmed einstieg.
Frau Milano ist längst keine Unbekannte mehr, aber haben Sie gewußt, daß sie auch eine Gastrolle in der Serie Castle hatte? Dort spielte sie neben der Polizistin Kate Beckett, die wiederum eine Nebenrolle in 24 hatte. Stana Katic heißt die Schauspielerin, ihr Part in der fünften Staffel von 24 war recht einfach: Sie wurde an ein Gitter gekettet und von Jack Bauer verhört. Und ihren Freund spielte damals Henry Ian Cusick, dessen Name Ihnen wahrscheinlich nichts sagt, aber sein Gesicht schon: Er war Desmond Hume in Lost.
Holen wir tief Luft, denn Lost ist eine wahre Fundgrube, ein Rattennest an Nebendarstellern: Reiko Aylesworth spielte das Dharma-Mitglied Amy Goodspeed, die bei einem romantischen Picknick überfallen wird und ihren Verlobten bei einem Schußwechsel verliert (5. Staffel). Dieselbe Schauspielerin agierte in Law and Order, natürlich in CSI, aber auch die CTU-Mitarbeiterin Michelle Dessler in 24.
Der sagenumwobene Jacob aus Lost heißt Mark Pellegrino und hat’s ein wenig mit Mystery: Er spielte bereits in Akte X, fand auch bei Ghost Whisperer Arbeit, war aber auch bei Dexter dabei, bei Grey's Anatomy, bei Criminal Minds, bei Prison Break sowie bei The Mentalist. Und bei CSI.
Der Vater von Bösewicht Benjamin Linus, Roger Linus, war ebenfalls ein Fall für die Akte X und treibt sich auch in Cold Case herum. Und bei CSI.
Penny Widmore, die Verlobte von Desmond Hume und Tochter von Charles Widmore machte schon in Flash Forward als Ärztin eine gute Figur. Und bei CSI.
Apropos Arzt: Francois Chau (Dr. Pierre Chang) verkörperte in Lost den Moderator der Dharma-Aufklärungsvideos, dokterte aber bereits in Emergency Room und in Grey's Anatomy und war, damit sich der Kreis endlich schließt, auch in einer Folge von Melrose Place zu sehen. Seltsamerweise war er nie bei CSI.
Das nächste Mal, wenn Sie wieder vor dem Fernseher sitzen und sich fragen, woher Sie den Nebendarsteller kennen, können Sie endlich aufatmen: Der hat mit 99%iger Wahrscheinlichkeit bei CSI mitgespielt. Und wenn dort nicht, dann bei Lost. Also lehnen Sie sich zurück und konzentrieren Sie sich wieder auf die Handlung: Die ist garantiert so ausgezuzelt wie ihre Darsteller.
Übrigens: Der Mann mit dem Nierenroblem, der mich zu diesem Artikel veranlaßt hat, heißt Currie Graham. Merken Sie sich den Namen; Sie werden ihn noch öfters sehen. Neben den oben erwähnten Rollen in Private Practice, The Mentalist und Lie to me spielte er in Weeds, in Castle, in Criminal Minds, in Men in Tress, in Ghost Whisperer, in Boston Legal, in Desperate Housewives und ... ja, selbstverständlich: auch in CSI.
Kommentare_
Ich darf dir, als bekennender Serienjunkie, recht herzlich zu diesem Artikel gratulieren - großartig!
Donksche! Übrigens, kleiner Nachsatz: Ich hab Currie Graham schon wieder gesehen. In `The Closer´ spielte er am Montag den besten Freund des Opfers, der dann selbstverständlich auch der Mörder war. Der Schauspieler fängt echt an mich zu interessieren: Entweder er stirbt oder er wandert in den Häfn - was für ein Sch...Job!