Kolumnen_Zapped

Checkpoint Charlie

Sie müssen nicht in die Sonne gehen, um Ihr Gemüt zu erhitzen - es reicht ein Blick in die Fernsehzeitschrift. Dort bestimmt "Two and a Half Men" das Sommerloch, mittlerweile auch am Samstagabend im ORF. Ich habe den Mann befragt, der für diese Misere verantwortlich ist: Charlie Harper. Er redet über das Geheimnis seines Erfolgs, über sein Desinteresse am öffentlichen Fernsehen und darüber, was er der Welt hinterlassen will. Das Ergebnis ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet und wird erst im Hauptabendprogramm ausgestrahlt.    01.08.2011

ICH: Mr. Harper, schön, daß Sie vorbeigekommen sind.

CHARLIE HARPER: Schön, daß Sie mich eingeladen haben. Nennen Sie mich Charlie.

ICH: Gut, dann Charlie. Ähm … mein Gesicht ist übrigens hier oben.

CHARLIE: Tschuldigung, alte Angewohnheit. Keine Sorge, Sie sind nicht mein Typ.

ICH: Zu intelligent?

CHARLIE: Zu alt.

Pause.

CHARLIE: Wollen Sie mich weiter anstarren oder haben Sie ein paar Fragen?

ICH: Ich überlege noch. ... Also gut: Sie haben sicher schon gehört, daß Sie gehörigen

Rummel auslösen, weil Sie jetzt im Hauptabendprogramm zu sehen sind. Was

sagen Sie dazu?

CHARLIE: Viele Privatsender spielen mich im Hauptabendprogramm. Was soll daran falsch

sein?

ICH: Es geht um einen öffentlich-rechtlichen Sender.

CHARLIE: Echt jetzt? Ich dachte, die zeigen nur Nachrichten, Tiere und diese sibirischen

Kampflesben, die über das Ende des Penis diskutieren - da halt ich mir doch gleich

eine Schleifmaschine an die Eier.

ICH: Um das für unsere Leser zu übersetzen: Sie meinen Sender mit einem

Bildungsauftrag?

CHARLIE: Wenn’s kein Tittenauftrag ist, bin ich so schnell weg, wie eine Nutte "Zahlen

bitte!" schreien kann. Aber wenn die jetzt meine Sendung im Hauptabendprogramm

bringen, sollte ich vielleicht öfter vorbeischauen.

ICH: Unbedingt! Vier Sender, die Sie mehrmals täglich ausstrahlen, reichen nämlich nicht.

Aber ist Ihnen dieses Lotterleben nicht zu anstrengend?

CHARLIE: Bei mir herrscht eben viel Verkehr.

ICH: Um es mit Bertas Worten zu sagen: Wenn bei Ihnen noch mehr Verkehr herrschen

würde, bräuchten Sie eine Ampel da unten. Aber was glauben Sie: Was macht den

Erfolg Ihrer Sendung aus? Warum bekommen wir immer noch nicht genug von

Charlie Harper?

CHARLIE: Bei mir geht es eben um die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

ICH: Lassen Sie mich raten: Verkehr?

CHARLIE: Geregelt und ungeregelt.

ICH: Aber wollen Sie der Welt nicht noch etwas anderes hinterlassen, etwas außerhalb

von Malibu Beach und 30 Lachern pro Minute? Wo sehen Sie Ihren persönlichen

Bildungsauftrag?

CHARLIE: Ich möchte vermitteln, daß jeder im Paradies leben kann, wenn er sich nur an

ein paar Regeln hält.

ICH: Bitte, sagen Sie jetzt nicht Verkehrsregeln.

CHARLIE: Nein, ich meine Shorts und Single Malt: Mit beidem sieht man gleich besser aus.

ICH: Und das ist es, was Sie Ihren Zusehern beibringen wollen? Das soll einmal Ihren

Grabstein zieren?

CHARLIE: Irgendwie erinnern Sie mich verdammt an meinen Bruder.

ICH: So verantwortungsbewußt?

CHARLIE: So schwul.

Pause.

CHARLIE: Ah, die Starrnummer. Genau wie bei Alan.

ICH: Okay, Themenwechsel: Wenn Sie sich nicht aufführen wie ein kompletter Idiot und

die Frauenbewegung mit Whisky übergießen und anzünden - was tun Sie dann in

Ihrer Freizeit?

CHARLIE: Was bleibt dann noch?

ICH: Hat Sie schon jemals jemand ernstgenommen?

CHARLIE: (lacht)

ICH: Was ist so komisch?

CHARLIE: Ich weiß jetzt, was auf meinem Grabstein stehen soll.

ICH: Erleuchten Sie mich.

CHARLIE: Charlie Harper - er hatte nie einen Auftrag, aber den hat er ernstgenommen.

ICH: Danke fürs Gespräch.

Nina Munk

Kommentare_

aw - 01.08.2011 : 15.51
he he he

Kolumnen
Schein-Angriff #4

Die letzten Straßen-Mohikaner

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Party - und die ist fad. Kann passieren. Ich weiß, wie man die Feier rettet: Erzählen Sie davon, wie Sie gerade den Führerschein machen. Schon bekommen alle feuchte Augen.  

Kolumnen
Schein-Angriff #3

Außergerechnet

Im Zuge eines Projekts kommt für jeden Projektmanager der Punkt, an dem er am Projekt zu zweifeln beginnt. In der Fahrschule ist das jedes Mal der Fall, wenn ich das Wort "außer" höre.  

Kolumnen
Schein-Angriff #2

Der platonische Schein

Vor dieser ersten Woche Fahrschule bin ich gleich zwei gewaltigen Irrtümern unterlegen. Erstens dachte ich, daß mein Alter ein Vorteil wäre. Und zweitens, daß Verkehrsregeln logisch sind. Jetzt weiß ich, daß ich nichts weiß.  

Kolumnen
Schein-Angriff #1

Kommen lassen!

Viel zu lange haben uns die Beiträge unserer Lieblingskolumnistin Nina Munk im EVOLVER gefehlt - aber sie ließ uns wissen, daß sie momentan so viel anderes zu tun hat. Jetzt haben wir endlich herausbekommen, was: sie macht den Führerschein! Und natürlich haben wir sie gleich dazu vergattert, auch darüber etwas zu schreiben …  

Kolumnen
Linientreu #17

Urbi et Öffi

Jeder hat sein Packerl zu tragen - zu Weihnachten sogar zwei oder drei. Wer da öffentlich unterwegs ist, braucht starke Arme und einen ebenso starken Hang zum Phantastischen. Auch in der U-Bahn sollte eigentlich der 24. sein. Man merkt es nur nicht.  

Kolumnen
Linientreu #16

Wer hat schon die Zeit?

Gratiszeitungen in den Öffis sind die Nespresso-Kapseln der Berichterstattung: viel Müll für nix. Um sich von der Masse abzuheben, kauft man "Die Zeit" kommt sich toll vor und bereut es im U-Bahn-Gedränge gar bitterlich - Formatchaos, what else?