Akzente_Frequency Festival 2005 (III)

Stromgitarren brauchen Strom

Haufenweise Absagen, fulminante Gigs der Foo Fighters und der Queens Of The Stone Age und ein Teufel im Stromnetz: Der EVOLVER berichtet über Tag 2 und 3 des Frequency.    24.08.2005

Insgesamt neun Absagen, darunter Acts wie die Babyshambles von Ex-Libertines-Sänger Pete Doherty (aus Gründen, die man sich sehr leicht ausmalen kann), Tocotronic oder Dresden Dolls. Dazu ein verkürztes Set von The Coral am Nachmittag wegen eines akuten Blinddarmdurchbruchs des Lead-Gitarristen: Das Frequency-Festival war nicht vom Verletzungsteufel verschont geblieben. Die gemeinhin als "Hauptbands" bezeichneten Formationen des Festivals hielten aber Treue. Und die Queens Of The Stone Age sogar mehr als das: Mit brachialer Gitarrengewalt gehen Chefdenker Josh Homme und seine Mannen ans Werk, um auch nur die entferntesten Töne aus ihren Instrumenten herauszuprügeln. Egal, ob "No One Knows" oder "The Lost Art of Keeping A Secret": Homme trifft mit bemerkenswerter Sicherheit jeden Ton, auch wenn er sich schon ganz oben im Kopf befindet, dazu wummern die Bässe und brachialen Trommelfeuer sorgt für ohrenbetäubenden Lärm. Songstücke werden langsam aufgebaut, um sie wie einen Orkan gleich mit einem improvisierten Solo zerstörerisch wieder einzureißen und danach, wie kleine Mosaiksteinchen, wieder zusammen zu setzen.

Nur die offensichtlichste Überraschung des Festivals ist leider nicht eingetreten: Ober-Foo-Fighter Dave Grohl, der als Ex-Nirvana-Drummer bei seiner erklärten Lieblingsband QOTSA auch schon mehr als ein, zwei Drum-Sticks zertrümmerte und die meisten Stücke des letzten Albums "Songs For The Deaf" eintrommelte, bequemte sich leider nicht an die Drums.

Das holte er aber nach, nachdem er mit seinen eigenen Mannen den wohl besten Gig des gesamten Festivals abfeuerte. Der Geist von Grunge lag da immer wieder für Sekundenbruchteile in der Luft, wenn sich Grohl – in typischer Rockstarpose und lässigem Dreitagebart – die Seele aus dem Leib schrie. "In Your Honour", "One By One" und "Times Like These" hießen die ersten Tracks des Sets. Die meisten Bands hätten mit dieser Anhäufung von Hits wohl schon ihr gesamtes Pulver verschossen. Die Foo Fighters schafften es aber immer wieder ein Schäuferl nachzulegen, mit lustig-romantischen Ansagen und unverblümten Aufforderungen zu unverbindlichem Festival-Sex das Konzert etwas zu entschleunigen, um gleich darauf mit harten Gitarren und melodiösem Schreigesang noch mal Vollgas zu geben. Und als sich Dave Grohl dann endlich ans Schlagzeug setzte, um seinen nur in Boxershorts bekleideten Drummer das Wort zu verleihen, war der Höhepunkt erreicht.

 

Der verregnete Samstag dieses Frequency-Festivals darf dann als großer "Pleiten, Pech & Pannen"-Tag in die Annalen eingehen. Zunächst verspäten sich sowohl The Subways (Mainstage) als auch Roots Manuva auf der zweiten Open-Air-Bühne. Erstere müssen dann just ihren ganzen Gig canceln, die darauf folgenden britischen The Coral können nur ein Rumpfkonzert geben, weil der Leadgitarrist mit einem akuten Blinddarmdurchbruch außer Gefecht gesetzt wird. Dennoch zaubern die folkigen und richtig schön tanzbaren Hits wie "She Sings The Morning", "Dreaming Of You" oder "Pass It On" ein Lächeln auf die Gesichter der vom dauernden Salzburger Schnürlregen schon ziemlich verstimmten Fans.

Bei den nachfolgenden Gigs der altbekannten und festivalerprobten Beatsteaks sowie Incubus auf der Mainstage geht’s dann zwar richtig schön zur Sache. Die – wenngleich manchmal auch traurigen – Highlights des letzten Festivaltages geschehen aber auf der zweiten, kleineren Open-Air-Bühne: Die Asian Dub Foundation, ein ethnisch durchgewürfeltes, siebenköpfiges Musikerkollektiv, hiphoppt, groovt und shakt, was das Zeug hält, und verpackt dabei politisch unmissverständliche Botschaften gegen Rassisten und Globalisierer in einem souveränen Songwriting. Dazu läßt es nicht nur die Plattenteller tanzen, sondern auch rockende Gitarrensounds. Unfreiwillige Intermezzi wie einen dreiminütigen Stromausfall verwenden die Politaktivisten gleich dazu, um den hohen Ölverbrauch zu kritisieren und zum Song "Oil" überzuleiten.

Noch höheren Publikumsanspruch genießen Kosheen aus Bristol. Zwar ist der charakteristische Drum’n’Bass-Sound von einst eher einem poppigen Rock angenähert worden, der wunderbar hohen und oft mystisch verklärten Stimme von Sängerin Sian Evans sind diese Songs – vor allem live – aber auf den Leib geschneidert. Als sich dann langsam eine romantische Aura aufbauscht und man die klatschnasse Kleidung einfach nicht mehr spürt, fällt wieder der Stromschalter. Evans versucht mit ihren Mitstreitern die Stimmung zu halten, kämpft richtig darum, nimmt in diesen Pausen zum Gaudium der Fans ein Megaphon zu Hilfe und feuert danach Hits wie "Hide U" oder "Wasting My Time" ab. Hilft aber alles nichts: Peinliche vier Mal wird es finster vor der zweiten Bühne, das letzte Mal bei der Zugabe "All In My Head". Aber Kosheen erbarmen sich mit den Ausharrenden, starten den Song noch einmal und führen ihn zu einem fulminanten Ende, während schräg gegenüber die Sportfreunde Stiller und danach die Toten Hosen das Publikum am Salzburg-Ring auf ihre Textsicherheit hin überprüfen.

David Krutzler

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