Richard Horne - 101 Dinge, die man getan haben sollte, bevor das Leben vorbei ist
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Eichborn Verlag (Frankfurt 2005)
So wenig Zeit, so viel zu tun. Fast befällt einen Resignation angesichts der Dinge, die zu tun sind, bevor alles aus ist. 13.12.2005
Es gibt menschliche Konstanten, die - quasi als besonders langlebige Modetrends - immer wieder einmal in unterschiedlicher Intensität wiederkehren. Eine davon ist das Behagen, das der Mensch beim Betrachten von Listen jeglicher Art zu empfinden scheint. Warum Behagen? Vielleicht deshalb: Listen verpacken eine komplexe Welt in hübsch portionierte und ebenso überschau- wie genießbare Einheiten. Listen sind damit die Fischstäbchen in der weiten Welt schriftlicher Ausdrucksformen.
Wer Johann Fischarts von 1575 stammende Übersetzung des französischen Schelmenromans "Gargantua und Pantagruel" zur Hand nimmt, bei dem es sich - den damaligen Gepflogenheiten entsprechend - weniger um eine Übersetzung als um eine Neufassung und Erweiterung handelt, der findet dort in die Erzählung eingebettete Listen jeglicher Art: von Handwerksberufen, Tätigkeiten, Schimpfwörtern und anderem. Ohne viel Aufwand entsteht so ein Kaleidoskop des 16. Jahrhunderts, das vor allem für uns Heutige interessante Einblicke bietet.
Ein Blick in Illustrierte oder TV-Zeitschriften genügt, um sich Klarheit über die gegenwärtige Ausformung einer alten Tradition zu verschaffen. Dort finden sich Listen nämlich vor allem in Form von Rankings. Benchmarking in allen Lebensbereichen ist angesagt: die 100 einflußreichsten Österreicher, die nervigsten Deutschen, die wichtigsten Filme des 20. Jahrhunderts, die bedeutendsten Bücher aller Zeiten ...
Auch hier sagen diese Listen weniger über die Sache selbst aus als über die Zeit, in der sie entstanden. Anders läßt sich beispielsweise nicht erklären, weshalb derartige Rankings meist nicht nur sehr national, sondern auch zeitlich geprägt sind. Da findet sich dann beispielsweise Wolfgang Hohlbein vor Franz Kafka und Donna Leon vor Homer. Mittlerweile hat sich der Modetrend von den Zeitschriften- auf die Buchverlage ausgebreitet und ist in die en vogue geratene Listenliteratur gemündet. Eines der jüngsten Beispiele ist ein bei Eichborn erschienenes Büchlein mit dem ebenso barocken wie schönen Titel "101 Dinge, die man getan haben sollte, bevor das Leben vorbei ist".
Drei Dinge sollte ein Mann in seinem Leben getan haben, hieß es einst (in Zeiten, als man Frauen noch ihren Platz am heimischen Herd zuweisen wollte): ein Kind zeugen, ein Haus bauen und einen Baum pflanzen. Offen war da höchstens noch die Reihenfolge, in der dies zu erledigen war. Im Zeitalter von Fun und Freizeitstreß ziehen solche Ratschläge freilich nicht mehr, weshalb Autor Richard Horne diese drei nicht zu den genannten 101 Dingen zählt. Mit dem Tod des Lesers ist dabei zugleich auch - im wahrsten Sinne des Wortes - die "Deadline" festgelegt. Der Wettlauf mit der Zeit kann beginnen.
Unangenehm ist bloß, daß einem niemand so genau sagen kann, um wieviel Zeit es hier geht. Wer garantiert mir, daß ich nicht bereits nach der 40. Aufgabe ("Verschaff dir ein kostenloses Upgrade im Flugzeug") die Patschen aufstelle? Oder daß mich Herzkasperl und halbseitige Lähmung nach Erledigung der 90. Aufgabe ("Flieg durch die Stratosphäre") nicht daran hindern, auch noch die nächste ("Mach eine Sauftour à la Monopoly") anzugehen? Ungute Sache. Aber wer das Buch so praxisnah einsetzt, übersieht ohnehin die immer ironische, bisweilen zynische Art des Autors, mit Listen und dem Tod als dem Ende aller aufs Individuelle bezogene Listen umzugehen.
"Der Mensch lebt, als ob es den Tod nicht gäbe", meinte der französische Philosoph Albert Camus. Insofern eröffnet Horne eine aparte Art, die eigene Sterblichkeit wiederzuentdecken. Der Fokus des Werks liegt dabei freilich weniger im Philosophischen als - im Graphischen (der Autor ist im Zivilberuf Graphiker). Witzige Icons verdeutlichen die jeweilige Aufgabe, kleine Info-Bits lockern den Text auf. Für hohe Anwendbarkeit sorgen eigene Formulare, die nach Erledigung einer Aufgabe auszufüllen und mit Pickerln zu versehen sind, wie sie sich auch gleich im Anhang finden. Fazit: ein graphisch ansprechendes Buch mit einer bestechenden Grundidee und zu einem äußerst moderaten Preis (wenn man bedenkt, daß man es ein Leben lang mit sich herumträgt).
Richard Horne - 101 Dinge, die man getan haben sollte, bevor das Leben vorbei ist
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Eichborn Verlag (Frankfurt 2005)
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