Zoran Feriæ - Die Kinder von Patras
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Folio (Wien/Bozen 2006)
"Lolita auf kroatisch und mit Holzbein" - so ließe sich dieser Roman in aller Kürze charakterisieren. Sein "Held" mag die blutjungen Mädels am liebsten behindert. 24.01.2007
Der kroatische Autor und Gymnasialprofessor Zoran Feriæ hat einen Sinn für grotesken Humor, wie man ihn sonst gern bei "Altösterreichern" von Doderer bis Hermanovsky-Orlando sucht. Im Gegensatz zu diesen Autoren mischt er in seinen Geschichtenreigen meist eine Spur Bitterkeit, die sich aus den Erfahrungen der jugoslawischen Kriegswirren nährt. Deutlich wurde dies am - trotzdem rasend komischen - "Tod des Mädchens mit den Schwefelhölzern" (siehe die betreffende Besprechung im EVOLVER).
Der Neuling "Die Kinder von Patras" nun wartet mit einem "Helden" auf, mit dem man sich als Leser so richtig unwohl fühlt. Stanislav Bernstein - wie sein Schöpfer Gymnasiallehrer - ist nicht gerade unglücklich verheiratet, läßt sich aber zwischendurch gern einmal eine Prostituierte ins Haus kommen. Soll sein, wenn er seine Freude daran hat ...
Schon etwas bedenklicher ist sein erotisches Verhältnis zu minderjährigen, behinderten Mädchen - etwa zur Nachbarstocher Marta, die im Rollstuhl sitzt. Oder zu seiner frühreifen Schülerin Marina, deren Multiple Sklerose einen ebenso krankhaften Reiz auf ihn auszuüben scheint. Und weil er so ein netter, unkomplizierter Kerl ist, werden ihm die Mädels von deren nichtsahnenden Müttern geradezu zugetrieben.
Kurz: Der 44jährige Bernstein verbindet eine ausgewachsene Midlife-Crisis mit der morbiden Faszination für junges Fleisch, dessen Hinfälligkeit sich schon in frühen Jahren an körperlichen Gebrechen zeigt. Und er scheut auch vor entsprechenden Handlungen nicht zurück. Daß er davon in der ersten Person berichten darf, macht die Lektüre bei aller Situationskomik nicht gerade einfacher.
Feriæ mag hübsche erste Sätze, die im Kern viel von der Geschichte verraten, die einen erwartet. In diesem Fall lautet das so: "Der Mensch hat das Rad erfunden, um so schnell wie möglich vor sich selbst weglaufen zu können, aber dann hat ihn die Geschichte eingeholt." Auch Bernstein läuft vor einer Episode seiner persönlichen Geschichte davon, wie sich später zeigen wird. Dabei entwickelt er paranoide Züge: Während er sich mit jungen Dingern verlustiert, verdächtigt er seine Frau, sie würde fremdgehen, und observiert sie.
Einer der Gründe, weshalb er die eigene Ehe zu hinterfragen beginnt, soll die Vorliebe des Autors fürs groteske Detail zeigen: Bernstein findet heraus, daß ihre Verbindung letztlich nur einem Durchfall zu verdanken ist. Und was ihn an der Nutte, die er sich kommen läßt, eigentlich antörnt, scheint weniger das zu sein, was diese ihm zu bieten hat, als ein Tumor, den er beim Sex in ihrer Brust entdeckt. Des Ich-Erzählers Fazit: "Wie viel Tod ist manchmal nötig für einen guten Orgasmus."
Wie viel Qual manchmal nötig sein kann für einen guten Lacher, demonstriert Feriæ recht nachhaltig. Trotz des seltsamen Ausflugs in die "Behinderten-Pädophilie" gelingt es ihm, einen sympathischen, wenn auch reichlich beschädigten Charakter zu schaffen, mit dem man sich entsprechend schwertut. Auch eine Leistung. Hier ist nichts schwarz oder weiß, hier herrschen Grautöne vor. Und das konsequent: Das Buch endet ebenso unentschieden wie das Leben.
Zoran Feriæ - Die Kinder von Patras
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Folio (Wien/Bozen 2006)
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