Agatha Christie - Die Morde des Herrn ABC
ØØ 1/2
(The ABC Murders)
Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen (Marburg/Lahn, 2006)
Schafe zählen soll ja bei Einschlafschwierigkeiten manchmal helfen. Wahre Wunder wirkt jedoch das Abzählen in alphabetischer Reihenfolge verübter Morde in der Hörbuchfassung des Agatha-Christie-Krimis.
15.02.2007
Hörbücher und -spiele mögen ein Popularitätshoch erleben - von der Machart her sind sie dennoch oft genug Schlaftabletten. Im (Schlaf und Nerven kostenden) Selbstversuch macht sich Reinhard Ebner daher auf die Suche nach Hörkunstwerken, die auch zu fortgeschrittener Stunde garantiert wachhalten.
Der Abend davor: "Einzige ungekürzte Lesung" steht auf der Box in warnendem Gelb. Darunter findet sich ein schwarzer Schemen, der einen Fingerabdruck auf der Visage trägt. Keine besonders ambitionierte Coverart - sieht eher danach aus, als wär´s bei photos.com heruntergeladen worden. Drinnen finden sich sechs CDs. Macht 420 Minuten, in denen der böse Herr ABC des Agatha-Christie-Krimis seine Morde in hübsch alphabetischer Reihenfolge begehen kann.
Während ich mir niemals ein gekürztes Buch kaufen würde, halte ich "ungekürzte" Hörbücher für ein Mißverständnis: Schließlich käme auch niemand auf die Idee, einen Roman nach Punkt und Beistrich zu verfilmen. Ein anderes Medium erfordert Veränderungen. Die Zeiten, da Bücher in erster Linie zum Vortragen und Vorlesen geschrieben wurden, sind lange vorbei. Jetzt aber Zähneputzen und dann ab ins Bett!
Hörphase: Also, dieser Sprecher - wie hieß der nochmal? Martin Maria Schwarz - seltsamer Name. Wird der auch mal abgelöst zwischendurch, oder ist man dem Herrn tatsächlich sieben Stunden lang auf Gedeih und Verderb ausgeliefert? Scheint so, daß leider Letzteres der Fall ist ...
Dabei ist das Problem nicht das (Sprech-)Organ, sondern der Anspruch. Der besteht offenbar darin, jeder einzelnen der zahlreich im Roman auftretenden Figuren eine unverwechselbare Stimme zu verleihen. Das kann nicht gutgehen. Herr Schwarz "outriert" kräftig. Das läßt sich etwa erlauschen am "hochnäsigen" Inspektor, der klingt, als hätte er Korken geschnupft, und derlei Unerträglichkeiten mehr.
Am schlimmsten aber ist´s im Fall der ermittelnden Hauptfigur: Hercule Poirot, der Belgier mit dem Sinn für Pedanterie und gezwirbelten Schnurrbart, gehört zu den besten und dabei zugleich nervendsten Gestalten Agatha Christies. So ist der Privatdetektiv halt angelegt. Leider setzt der Sprecher noch eins drauf, indem er seinen Poirot so sprechen läßt, wie sich schlichte Gemüter das bei Homosexuellen vorstellen.
Ansonsten macht sich die behagliche Stimmung breit, die Christie mit ihren im Grunde harmlosen Rätselkrimis verläßlich auslöst. Hier geht es um das intellektuelle Kräftemessen zweier eitler Gecken: Auf der einen Seite ein Ermittler, der sich ebenso gut zu Hause ein Sudoku vornehmen könnte, auf der anderen ein Verbrecher, der seinem Verfolger dann und wann einen kleinen Hinweis zukommen läßt.
Eigentlich erstaunlich, wie sich das literarische Bild vom Serienmörder gewandelt hat. Bei Christie und ihren Wegbereitern wie Zeitgenossen folgten die - in der physischen Gewaltausübung selten beschriebenen - Morde oft genug einem einfachen Auszählreim-Schema (nebst den "ABC-Murders" etwa auch die "Zehn kleinen Negerlein"), heute beherrschen die Hannibal Lecters und Robert William Picktons das Genre wie auch die Wirklichkeit.
Das Behagen gewinnt die Oberhand. Nach stichprobenartigen Hören der ersten drei CDs des Hörbuchs döse ich ... bei tiefschürfenden Überlegungen ... schließlich ... ein.
REM-Phase: Traumloser, tiefer Schlaf - wenigstens in dieser Hinsicht ist das getestete Produkt wärmstens zu empfehlen. Vielleicht sollte man erwägen, Christie-Hörbücher Patienten mit Schlafstörungen auf Rezept zu verschreiben. Warum sollte nicht zu Abwechslung auch mal die Verlagsbranche vom rasant anwachsenden Defizit der Gebietskrankenkassen profitieren?
Der Morgen danach: Auf der Rückseite einer der CD-Schutzhüllen hab ich jetzt doch noch Informationen zum Sprecher entdeckt: Martin Maria Schwarz ist ständiger Mitarbeiter des Sprecherteams der Deutschen Blindenhörbücherei, die "Wurzeln für sein sprecherisches Können liegen bereits in der Zeit Anfang der 90er Jahre". Dort liegen sie bis heute. Aber lassen wir den armen Mann in Ruhe. Der kann ja nichts für ein verhunztes Konzept.
Das Original des Romans stammt übrigens von 1936 und wurde 1992 auch verfilmt - leider nicht mehr mit Peter Ustinov, sondern bereits mit David Suchet als Hercule Poirot. Poirot selbst tauchte bereits im ersten Agatha-Christie-Krimi ("The Mysterious Affair at Styles", 1921) auf und blieb - als eine Art überwuzelter Sherlock Holmes - die beste Figur der Autorin (etwa im Vergleich zur unsäglichen "Tommy und Tuppence Beresford"-Reihe).
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