Kolumnen_Miststück der Woche III/83

Jack White: "Power Of My Love"

Wieder einmal kommt Manfred Prescher etwas dazwischen. So oft er die neue CD der Klaxons anhören will, drängt die auch schon mit Schwung raus aus dem Player. Oder dem Gehörgang. Also muß wieder etwas anderes her.    30.06.2014

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

 

Wie nahe "modern" und "modern" beieinander liegen, offenbart sich beim Versuch, "Love Frequency", das aktuelle Werk der Klaxons, gut zu finden. Irgendwie klingen die elf Tracks zwar zeitgemäß, aber eben doch auch reichlich gruftig - Britrock der leicht vermodernden Sorte eben. Das kann man gut finden, muß man aber nicht. Ich persönlich blicke lieber vorwärts, Brüder und Schwestern, zur Sonne eben. Und deshalb lege ich die Klaxons erstmal wieder in die untere Schublade.

Dort ruhen schon etliche andere "Bladden", und alle sind von mir eigenhändig mit dem Sticker "Mal später nochmal anhören. Falls die Zeit dann besser reicht!" versehen. Sie werden daher rasch vergessen, setzen Staub an und zerfallen sogar in meinem ziemlich umfangreichen bzw. eigentlich optimal klimatisierten musikalischen Gedächtnis zu Staub. Modriges Zeug eben.

Momentchen bitte ... Ich öffne mal die Schublade für euch. Was für ein Duft! So müßte eine Verfilmung von Edgar Allan Poes "Lebendig begraben" riechen. Und was finde ich? Hercules & Love Affair, Coldplay, die Kaiser Chiefs ... na, das muß für den Anfang wohl reichen, ist schließlich nicht auszuhalten, dieser Mief.

Ich will es gar nicht übertreiben mit der Modernität. Manchmal ist gut abgehangen bzw. altmodisch gar nicht so schlecht. Vor allem, wenn das ganze auch noch mit aktuellen Methoden produziert wird. Da kann man sich doch gleich geborgen und sicher fühlen, praktisch wie seinerzeit in Abrahams Wurstkessel. So bezeichnete meine Großmutter selig den Ort, an dem die Menschen auf ihre spätere Zeugung warten. Meiner unmaßgeblichen Einschätzung nach laufen dort auch sehr prägende Sounds. Bei Jack White und mir könnten das unter anderem auch Blues-Songs von Muddy Waters, Big Bill Broonzy, Howlin´ Wolf, Blind Willie McTell oder Robert Johnson gewesen sein.

 

Vielleicht gefällt mir daher die B-Seite der aktuellen Jack-White-Single "Lazaretto" so gut? "Power Of My Love" ist einfach ein sehr kraftvoller Blues-Track, der in gewohnter White-Manier das Thema intoniert: Hier hat ein Mann so viel Liebesenergie, daß er sie wie eine Fackel vor sich her trägt und die dann seiner Angebeteten in den Garten stellt. So illuminiert er den lauen Sommerabend auf romantische Art und Weise.

Natürlich weiß ich, daß White den Song nur covert, auch er ist - wie euer Kolumnist - ein Fan. In diesem Falle von Elvis Presley, der das Lied 1969 für das wirklich niemals vermodernde Album "From Elvis In Memphis" aufnimmt. Die zweite Seite dieser Platte beginnt mit der ebenfalls wunderbaren Version des Kings, bevor es mit "Gentle On My Mind" und "After Loving You" stilvoll weitergeht. Hauptsächlich geschrieben hat Bernie Baum dieses "Power Of My Love". Ihm verdanken wir auch unter anderem "(You´re The) Devil In Disguise", aber das tut hier nix zur Sache.

 

Ich mag jedenfalls "Power Of My Love" in beiden Versionen und habe einen möglichen Rat für die Fackelträger unter euch: Legt sowohl Elvis als auch Jack White auf Eurem iPod oder dem Smartphone ab. Oder noch besser: Macht mit irgendeiner Software einen Track daraus. Beginnend mit Presleys Variante, die dann nahtlos und folgerichtig in Whites Aufnahme übergeht - und übernehmt diese dann auf das "Mobile Device" Eurer Präferenz. Das ist dann die pure Power. Auf der Langspiel-CD "Lazaretto" ist übrigens "Power Of My Love" nicht zu finden, dafür aber die ebenfalls praktisch klassische Trinkerhymne "Just One Drink".

Nächste Woche wird es hier wirklich und wahrhaftig um Sweet Lemon gehen - zwei 15 Jahre junge Frauen aus der Holledau. Wo das ist und wer das ist? Das wird in der kommenden Kolumne verraten. Bis dahin, macht´s gut, macht´s besser, macht´s gscheit.


Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Jack White: "Power Of My Love"

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Nicht enthalten auf der CD "Lazaretto" (Xl/Beggars Group/Indigo)

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