Kolumnen_Na Mahlzeit!

Kochen für Hilflose

Montieren, sautieren, bigarrieren, blanchieren ... Die meisten Köche formulieren ihre Rezepte wie akademische Abschlußarbeiten, verkleiden einfache Gerichte mit dem dekadenten Sprachmantel der Haute Cuisine und lassen alle dumm aussehen, die keinen Bachelor in Braten, Backen und Fritieren haben. Dabei ist Kochen ganz einfach - und viele Küchenchefs sind nur zu borniert, um es verständlich zu erklären.
Damit ist jetzt Schluß. Ab sofort erklärt der EVOLVER, wie man schnell, günstig und schmackhaft selber kocht. Einfach und verständlich. Schritt für Schritt.
   12.11.2010

Die Röstaromen steigen in die Nase, der Braten nimmt Farbe an, es duftet nach Rosmarin und Knoblauch, es brutzelt und dampft. Millionen Menschen schauen zu, das Wasser läuft ihnen im Mund zusammen, aber sie riechen nichts. Noch nie wurde im Fernsehen so viel Gemüse gratiniert, Fisch filetiert und mit lässigen Sprüchen Fleisch flambiert. Nur zu Hause gibt’s immer dieselben Fertiggerichte - und die schmecken fad und langweilig.

EVOLVER-Küchenchef Pascal Sperger unternimmt etwas dagegen: Tauschen Sie mit ihm Woche für Woche die Fernbedienung gegen den Kochlöffel und den medialen Kochshow-Overkill gegen richtiges Essen. Es wird Ihnen guttun. Und schmecken.

 

 

Heute: Paradeiser-Eierspeise mit Frühlingszwiebeln auf getoastetem Fladenbrot

 

Dieses anregende und sättigende Gericht ist natürlich bestens für ein (Kater-)Frühstück geeignet - aber nur, wenn man wach genug ist, um es gleich nach dem Aufstehen zur türkischen Bäckerei um die Ecke zu schaffen. Eine sichere Hand zum Zwiebelschneiden empfiehlt sich ebenso.

Ansonsten kaufen Sie die Zutaten halt irgendwann untertags, kochen sich die Eierspeise zum Mittag- und Abendessen und machen ein Bier dazu auf. Die Zubereitung dauert alles in allem nicht länger als 15 Minuten und stellt selbst absolute Küchenlaien nicht vor Probleme. Und billig ist die typische Junggesellenspeise auch: Um 2,40 Euro sind Sie dabei.

 

Zutaten pro Person:

 

2 bis 3 Freilandeier (je nach Größe)

1 Paradeiser oder besser: 1 kleines "Ochsenherz"

1 Frühlingszwiebel

1 türkisches Fladenbrot

1 TL Petersilie

1 TL Schnittlauch

ein wenig Butter

etwas Salz und Pfeffer

 

 

 

Und so wird’s gemacht:

 

Paradeiser waschen und vierteln, grünen Strunk abschneiden und Kerne entfernen. Das macht man am leichtesten, indem man die Paradeiserviertel filetiert (also den inneren Teil entfernt, sodaß nur Haut und Fruchtfleisch übrigbleiben - siehe verlinkte Animation) oder mit der Messerspitze die Samen herauslöst.

Die glitschige Masse, in der sich die Samenkörner befinden, enthält nämlich viel Wasser und würde die Eierspeise geschmacklich und optisch verwässern. Und das wollen wir nicht, weil es nicht gut aussieht und auch nicht besonders schmeckt. Die geputzten Viertel in kleine Würfel schneiden und beiseite stellen.

Das Filetieren und Entkernen kann man sich allerdings sparen, wenn man statt ordinärer Tomaten eine cuore di bue gekauft hat; zu deutsch: einen Ochsenherz-Paradeiser. Vegetarier brauchen sich jetzt nicht aufzuregen - die Tomate kann schließlich nichts dafür, daß ihre stark gerippte, unförmige Gestalt und ihre Größe tatsächlich dem Herzen eines Ochsen gleichen. Sie hat jedoch gegenüber Cocktail-, Kirsch- und anderen Supermarkt-Paradeisern den Vorteil, daß sie viel mehr Fruchtfleisch und weniger Kerne enthält; daher ist auch ihr Wasseranteil niedriger. Warum das von Vorteil ist, sollten Sie sich eigentlich gemerkt haben, ist ja erst einen Absatz her ...

Weiter geht’s: Frühlingszwiebel waschen, Wurzeln und ca. einen Zentimeter von den grünen Blättern abschneiden. Das Messer am weißen Ende ansetzen, die Knolle in feine, den grünen Stengel in breitere Ringe schneiden. Das bringt geschmacklich zwar nichts, ist aber gut für die Optik. Zwiebel dann zu den gewürfelten Paradeisern geben.

 

Jetzt zu den Kräutern greifen, ein kleines, kompaktes Päckchen daraus falten und alles kleinschneiden (siehe Animation). Wer keine frischen Kräuter zur Hand hat, kann auch Tiefkühlware nehmen, die ist genauso gut. Nun nur noch schnell zwei Scheiben vom Fladenbrot abschneiden und in den Toaster geben. Achtung: nur hineinlegen, Toaster noch nicht einschalten! Brot und Eierspeise sollen schließlich gleichzeitig fertig sein.

Nach den kurzen Vorbereitungen geht es ans eigentliche Kochen. Dafür heizt man eine Bratpfanne auf mittlere Hitze auf und läßt ein walnußgroßes Stück Butter darin zergehen. Sobald die Butter flüssig ist und leise vor sich hinblubbert, schlägt man die Eier in die Pfanne und beobachtet: Zischt und brodelt es, dann ist es zu heiß. In dem Fall die Pfanne kurz von der Platte nehmen und etwas abkühlen lassen. Wenn das Eiweiß jedoch ohne Geräusche langsam zu stocken beginnt, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Kurz warten, bis sich am Pfannenboden eine dünne Schicht gestocktes Eiweiß gebildet hat. Mit einem Pfannenwender das gestockte Eiweiß vorsichtig vom Boden lösen. Und wieder stocken lassen. Und wieder lösen - solange, bis eine gleichmäßige, lockere Masse entsteht. Jetzt die Herdplatte ausschalten; die Restwärme der Pfanne reicht völlig aus, um fertigzukochen. Salz, Pfeffer und die Tomaten-Zwiebel-Kräuter-Mischung dazugeben, vorsichtig umrühren. Gleichzeitig den Toaster einschalten und die Eier noch zwei bis drei Minuten ruhen lassen.

Das knusprige, goldbraune Fladenbrot auf einen Teller legen und die Eierspeise darauf verteilen. Sofort servieren und essen. Wer extremen Gusto verspürt, darf auch noch etwas Parmesan darüber reiben.

Pascal Sperger

Paradeiser-Eierspeise mit Frühlingszwiebeln auf getoastetem Fladenbrot

Na Mahlzeit!

Links:

Kommentare_

Oskar - 19.11.2010 : 19.51
Sieht lecker aus! Mahlzeit!
Der Evolver-Chefkoch - 21.11.2010 : 16.06
Danke, Oskar! Schmeckt auch lecker...
l'autre maître - 08.12.2010 : 22.02
Meinen Glückwunsch zu Ihrer Kolumne! Der Ansatz, auch technische Abläufe einfach und von Grund auf zu erläutern, ist sehr begrüßenswert (und wird hoffentlich bei Vielen zu der Erkenntnis führen, daß selbst Kochen kein Mirakel ist; vom unvergleichlich besseren Geschmack und der Geldersparnis gar nicht erst zu reden).
Wenn Sie mir folgende Anmerkungen gestatten: Wer in Ermangelung eines "Pfannenwenders" (ein eher in Deutschland geläufiger Ausdruck) vernünftigerweise ein sonstiges flaches Kochwerkzeug heranzieht, sollte auf dessen Hitzefestigkeit achten; Holz ist immer gut, Plastik aber (etwa vom Salatbesteck) kann schmelzen - die dabei austretenden Stoffe sind noch ungesünder als Fertigfutter.
Und: Petersilie sollte man zuvor "zupfen" (die Stengel sind geschmacklich nicht erste Wahl). Beim Zerkleinern danach geht "hacken" wesentlich schneller als schneiden. Dabei wird das Messer (es sollte groß, schwer und scharf sein, richtig) mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand an der Klinge knapp unterhalb des Griffes gehalten (selbiger zeigt nach rechts). Die Rechte schlägt den Griff nun rhythmisch nach unten; der Handballen der Linken federt den Messerrücken zurück - es entsteht eine Pendelbewegung, die auch größere Kräuterberge mühelos verarbeitet.

Kolumnen
Na Mahlzeit!

Keine schalen Tiere

Lebendig sehen Garnelen mit ihren Spinnenbeinen, den schwarzen Stielaugen und Fühlern wie Unterwassermonster aus. Doch die Optik hat unsereinen noch selten vom Verzehr eines Tiers abgehalten - vor allem, wenn es so fein schmeckt wie dieses. Gut gewürzt, mit Spaghetti und Paradeisern angerichtet, wird die Garnele einen Frühlingstag lang gar zum besten Freund des Menschen.  

Kolumnen
Na Mahlzeit!

"Den kleinen Schwanz entfernen ... "

Nein, keine Radikalkur! Andererseits: des Meeres und der Liebe Wellen ... da gibt es Strudel, die können einen Menschen sehr weit runterziehen, so oder so. Während man im Ozean aber unerbittlich absäuft, kann man sich - mit ein bißchen Glück - aus den Untiefen des Lebens meist selbst befreien. Neben angewandtem Alkoholismus hilft da zum Beispiel Essen. Vor allem, wenn es schmeckt.  

Kolumnen
Na Mahlzeit!

Kein Haar in der Suppe

Selbst als Kochanfänger macht man sich so seine Gedanken über die Inhaltsstoffe und Konservierungsmittel, die im gemeinen Suppenwürfel auf Nichtsahnende lauern. Oder erst in der Packerlsuppe, die schon den charakteristischen Geruch nach Chemie verströmt ... Dabei könnte alles so viel einfacher sein: mit der echten, klaren Rindsuppe - die viel mehr ist als nur der Einstieg in ein Fünf-Gänge-Menü.  

Kolumnen
Na Mahlzeit!

Austro-skandinavische Sushi

Wer sie mit der Pfanne richtig schupfen kann, ist ein Küchen-Chef. Wer noch dazu das Gefühl dafür hat, wann aus einem Pfannkuchen oder einer Omelette eine echte Palatschinke wird, ist schon ein Küchen-Meister. Aber erst, wer begreift, daß die zusammengerollten Scheiben aus Eiern, Milch und Mehl mehr sein können als eine süße Mehlspeise für Kinder, ist ein echter Küchen-Kaiser. Daher heute, auch für den Laien zum Mitkochen: die pikante Variante.  

Kolumnen
Na Mahlzeit!

Edler Schimmel, zarte Brust

Weibliche Brüste lassen vielen Männern das Wasser im Mund zusammenlaufen, manche bringen sie sogar schier um den Verstand. Hühnerbrüste können diesen Effekt auch erreichen - zum Beispiel in einer Sauce aus Edelschimmelkäse und Obers, serviert mit knackigem Broccoli und lockerem Langkornreis.  

Kolumnen
Na Mahlzeit!

Fett ist gut, Muße noch besser

Es schmeckt hervorragend, kann als Grundlage für einen ordentlichen Rausch dienen und bietet garantiert die Erlösung von einem schlimmen Kater: das Wiener Saftgulasch. Das Geheimnis seiner eigentlich ganz einfachen Zubereitung deckt unser Experte für realitätsnahe Rezepte gleich auf - exklusiv im EVOLVER.