Kolumnen_Na Mahlzeit!

"Den kleinen Schwanz entfernen ... "

Nein, keine Radikalkur! Andererseits: des Meeres und der Liebe Wellen ... da gibt es Strudel, die können einen Menschen sehr weit runterziehen, so oder so. Während man im Ozean aber unerbittlich absäuft, kann man sich - mit ein bißchen Glück - aus den Untiefen des Lebens meist selbst befreien. Neben angewandtem Alkoholismus hilft da zum Beispiel Essen. Vor allem, wenn es schmeckt.    04.02.2011

Die Röstaromen steigen in die Nase, der Braten nimmt Farbe an, es duftet nach Rosmarin und Knoblauch, es brutzelt und dampft. Millionen Menschen schauen zu, das Wasser läuft ihnen im Mund zusammen, aber sie riechen nichts. Noch nie wurde im Fernsehen so viel Gemüse gratiniert, Fisch filetiert und mit lässigen Sprüchen Fleisch flambiert. Nur zu Hause gibt’s immer dieselben Fertiggerichte - und die schmecken fad und langweilig.

EVOLVER-Küchenchef Pascal Sperger unternimmt etwas dagegen: Tauschen Sie mit ihm die Fernbedienung gegen den Kochlöffel und den medialen Kochshow-Overkill gegen richtiges Essen. Es wird Ihnen guttun. Und schmecken.

 

Heute:

Kartoffelstrudel mit Rosmarin und Speckwürfeln auf grünem Salat,

mit Basilikum-Senf-Marinade

 

Es kommt schon vor, daß einem das Leben übel mitspielt. Schuld daran sind, wie wir wissen, immer die Frauen. (Gnädigste, falls Sie das hier lesen: Natürlich sind immer die Männer an allem schuld. Oder auch Frauen. Aber eben andere ...) Der eine gibt sich, wenn ihn Liebeskummer, Lebensunlust und Weltschmerz befallen, der schwermütigen Einsamkeit hin, darbt in einem finsteren Loch, verweigert die Nahrung und die Kommunikation. Der andere verläßt offensiv das Haus, weicht all den Stätten aus, die ihn an die Vergangenheit erinnern könnten, und ertränkt seinen Kummer in Alkohol, gefolgt von noch mehr Alkohol, gern auch Drogen.

Auch hier kommt der kulinarische Genuß zu kurz, leider.

Der dritte nämlich weiß, daß man sich - so weh das alles nun einmal tut - auf die schönen Dinge des Lebens konzentrieren sollte. Zum Beispiel Alkohol und Drogen ... Nein! Wir meinen natürlich die kultivierte Nahrungsaufnahme, im Idealfall von Speisen, die man selbst gekocht hat und die (fast) alle Sinne erfreuen. Schließlich ißt nicht nur das Auge, sondern auch das Herz mit. Und das kann Stärkung vertragen.

Schon der spanische Nationaldichter Miguel de Cervantes wußte: "An deinem Herd bist du genauso König wie jeder Monarch auf seinem Thron." Und als richtiger Herrscher, wenn auch nur im eigenen Haushalt, muß man halt gelegentlich Feuer mit Feuer bekämpfen. Warum also nicht dem Strudel des Schicksals einen eigenen, wirklich schmackhaften und - abgesehen von den Kalorien - völlig ungefährlichen Strudel entgegensetzen? So erhält die Redewendung "den Ärger runterschlucken" plötzlich eine wohltuende Komponente.

Also: Genießen Sie’s! Der Jammer kommt früh genug zurück.

 

Zutaten für 4 Personen:

 

500 g Erdäpfel

1 Pkg. Blätterteig

Eigelb von 2 Eiern

1 große Zwiebel

150 g Bauchspeck

Rosmarin, frisch oder getrocknet

1/4 l Obers

1 Prise Muskatnuß

 

1 Salatkopf oder 1 Pkg. Salatmischung

1 Bund Radieschen

1 TL scharfen Senf

Basilikum, frisch oder tiefgekühlt

3 EL Olivenöl

2 EL Aceto balsamico

Salz

Pfeffer

Zucker

 

Und so wird’s gemacht:

 

Glücklich (und schneller) ist der, der noch ein paar gekochte Erdäpfel vom Vortag übrighat. Ansonsten die Kartoffeln in genügend Salzwasser weichkochen, abseihen und kurz unter kaltem Wasser abschrecken. Sind die Erdäpfel kühl genug, um sie mit der Hand anzugreifen, sofort schälen und feinblättrig zurück in den zuvor verwendeten Kochkopf schneiden.

Küchenlaien, die keine hitzebeständigen Asbestfinger haben, lassen die Knollen lieber noch ein paar Minuten länger abkühlen. Währenddessen kann man sich um die Zwiebel, die Eier und den Rosmarin kümmern. Also:

Zwiebel schälen und in kleine Würfel schneiden. Das Eigelb vom Eiweiß trennen und wie die Zwiebelwürfel beiseitestellen. Die Rosmarinnadeln vom Zweig lösen (macht man am besten, indem man mit den Fingern gegen die Wuchsrichtung den Stengel entlangfährt) und mit einem scharfen Kochmesser kleinhacken. Anschließend Rosmarin und Eidotter zu den geschnittenen Erdäpfeln geben und alles mit einer ordentlichen Prise Salz, Pfeffer und Muskatnuß würzen. Erdäpfelmasse locker verrühren und kurz rasten lassen.

 

Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse - wir aber bringen damit die gewünschte Würze in den Strudel. Den Bauchspeck also in möglichst kleine Würfel schneiden und in einer Bratpfanne verteilen. Günstigstenfalls steht die Pfanne schon etwas länger auf dem Herd und ist auf mittlere Temperatur erhitzt, sodaß der Speck sofort leicht zu braten beginnt. Auf Öl, Butter oder sonstige Bratbeschleuniger kann man getrost verzichten; der Speck gibt durch die Hitze genug eigenes Fett ab.

Nach rund drei Minuten - die Speckwürfel sollten bereits leicht gebräunt sein - die kleingeschnittene Zwiebel zugeben und glasig anschwitzen. "Glasig" bedeutet nichts anderes, als daß sie eben keine Farbe bekommt, sondern leicht transparent sein sollte. Wenn sich die Zwiebelstücke bei aller Vorsicht trotzdem ein wenig bräunen, ist das auch kein Problem; dann ist es jedoch höchste Zeit, die Pfanne vom Herd zu nehmen um die Speck-Zwiebel-Mischung etwas auskühlen zu lassen.

Herdplatte ausschalten und gleichzeitig Backrohr auf 200 Grad einstellen. Das Vorheizen dauert logischerweise ein paar Minuten, also kümmern wir uns einstweilen um die Salatmarinade; auch die darf ruhig etwas länger ziehen. Dazu nacheinander den scharfen Senf, je einen halben Teelöffel Zucker und Salz sowie eine stattliche Prise Pfeffer, dazu Olivenöl und Essig in eine größere Tasse geben. Eine halbe Handvoll Basilikumblätter möglichst klein hacken - oder zur Tiefkühlware greifen - und in die Tasse streuen. Anschließend ordentlich mit einer Gabel verrühren, probieren und je nach Gusto noch weiter abschmecken. Ist man zufrieden, stellt man die Tasse zur Seite und kümmert sich wieder um die Füllung.

 

Die leicht ausgekühlten Speck- und Zwiebelwürfel zu den Erdäpfeln geben, Obers eingießen und alles bedächtig vermischen. Wer in einem Land lebt, das nicht alle drei Jahre von einem Lebensmittelskandal gebeutelt wird, seinen Bauern kennt oder den gekauften Freilandeiern vertraut (freundliche Grüße an die Bundesdeutschen), der darf von der Mischung jetzt auch ruhig kosten und gegebenenfalls noch etwas nachwürzen. Später gibt es nämlich keine Chance mehr zur Korrektur - und vor allem Kartoffeln brauchen für den perfekten Geschmack meist etwas mehr Salz. Besteht die Füllung den Test, muß man sie nur noch einrollen.

Den Blätterteig also auf einem Backblech ausbreiten und mit einem Messer in der Mitte halbieren. Man könnte genausogut einen großen Strudel machen, aber kleinere sehen beim Anrichten später einfach besser aus. Und weil Optik wichtig ist, machen wir das so ...

Man legt sich also eine Hälfte des Blätterteigs zurecht und belegt sie - ausgehend von der Mitte - mit der vorbereiteten und für schmackhaft befundenen Füllung. Aber Achtung: Die Ränder müssen später eingeklappt werden; also am besten auf beiden Seiten rund drei Zentimeter sowie oben und unten rund fünf Zentimeter freilassen. Die Ränder nun mit etwas Milch, Obers oder Wasser bestreichen und einpacken. Dazu zuerst die kürzeren Seitenteile einfalten, dann die untere Lasche hochklappen und mit der oberen Teigseite das Packerl verschließen. Zum Schluß den Strudel noch mit einem Zahnstocher einstechen. Mit der zweiten Blätterteighälfte läuft’s genauso.

Die beiden Strudel schiebt man nun bei 200 Grad ins Rohr. Nach zehn Minuten die Temperatur auf 160 Grad reduzieren und für weitere 15 Minuten backen. Währenddessen darf man ruhig immer wieder einen Blick ins Rohr werfen und sich über seine gute Arbeit freuen.

 

Der wahre Höhepunkt bleibt freilich das Verspeisen des Strudels; deshalb kümmern wir uns jetzt noch kurz um den Salat. Salatkopf oder Blattmischung in mundgerechte Stücke zerteilen und kurz unter kaltem Wasser abspülen, abtropfen lassen und in eine Schüssel geben. Die Blätter der Radieschen abschneiden, den kleinen Schwanz entfernen, kurz abspülen und mit einem Hobel oder Messer in feine Scheiben schneiden. Anschließend zu den Salatblättern geben.

Den Strudel nach 25 Minuten aus dem Backrohr nehmen und circa 5 Minuten auskühlen lassen. In der Zwischenzeit den Salat marinieren und irgendwen zum Tischdecken abkommandieren. Strudel derweil selbst aufschneiden. Anschließend Salat anrichten, Strudelschnitten drapieren, entspannen und genüßlich in geselliger Runde speisen. So wird alles wieder gut.

 

P. S.: Blätterteig läßt sich hervorragend einfrieren. Wer also auf Tiefkühlware zurückgreift, sollte beizeiten daran denken, daß die vor dem Verarbeiten zuerst auftauen muß ...

Pascal Sperger

Kartoffelstrudel mit Rosmarin und Speckwürfeln auf grünem Salat, mit Basilikum-Senf-Marinade

Na Mahlzeit!

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